Eben waren sie noch Hamlet oder Kreon, Ödipus oder Medea, der eingebildete Kranke oder Wallenstein in großen Inszenierungen. Gerade haben sie sich unter Applaus verbeugt, in Kostüm und Maske gehen sie von der Bühne ab. Die Vorstellung ist zu Ende. Diesen "komisch einsamen Moment, wo man vor dem Spiegel sitzt und es überhaupt keinen Darstellungswillen mehr gibt" bemerkte Margarita Broich zuerst an sich selbst. Seither macht sie diese Entdeckung zu ihrem Thema: Sie fotografiert ihre Kolleginnen und Kollegen in diesem sehr kurzen eigenartigen Zwischenzustand von Erschöpfung und Erleichterung, Müdigkeit und Erregung, an Orten, die nur entdeckt, wer sich darin auskennt. Es sind Bilder vom Theater jenseits des ganzen Theaters. Noch im Theater, aber nicht mehr auf der Bühne.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2015Bilder aus der Transitzone
Schauspieler sind auch nur Menschen, aber was für welche! Der Fotografin, Schauspielerin und neuerdings "Tatort"-Kommissarin Margarita Broich ist es gelungen, ihre Kollegen in der Transitzone zwischen Individuum und Rolle zu zeigen. Die Anstrengungen des gerade absolvierten Auftritts sieht man ihnen ebenso an wie die Freude, wieder eine Vorstellung gut bewältigt zu haben. Nina Hoss im schwarzen Gewand der Medea liegt so angespannt wie matt aus allen Bezugsrahmen gefallen auf einer weißen Ebene und verkörpert genau das, was sie über diese herausfordernde Figur äußert - dass diese größer sei als sie selbst. Milan Peschel hat sich in Frank Castorfs Inszenierung von "Nach Moskau! Nach Moskau!" völlig verausgabt und lächelt in der Uniform eines russischen Offiziers nun erleichtert in die Kamera. Martin Wuttke als Molières eingebildeter Kranker steckt noch im elendslangen Rüschennachthemd, hat jedoch schon die Belohnungszigarette in der Hand und ein melancholisch gegrinstes "Adieu, Argan!" im Gesicht. Fast immer richten die Künstler ihren Blick direkt auf Margarita Broich, die mit ihnen als fotografierende Kollegin in jeder Hinsicht auf Augenhöhe ist. Ihre Aufnahmen sind intim wie vertrauensvoll, trügerisch nah und dabei unendlich fern. Ergänzt werden die Porträts durch Erläuterungen der Akteure, die - aufgezeichnet von der Dramaturgin Brigitte Landes - in ihren eigenen Worten die ungewöhnlichen optischen Eindrücke unterstützen.
baz.
Brigitte Landes, Margarita Broich: "Alles Theater". Schauspielerporträts.
Insel Verlag, Berlin 2015. 79 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schauspieler sind auch nur Menschen, aber was für welche! Der Fotografin, Schauspielerin und neuerdings "Tatort"-Kommissarin Margarita Broich ist es gelungen, ihre Kollegen in der Transitzone zwischen Individuum und Rolle zu zeigen. Die Anstrengungen des gerade absolvierten Auftritts sieht man ihnen ebenso an wie die Freude, wieder eine Vorstellung gut bewältigt zu haben. Nina Hoss im schwarzen Gewand der Medea liegt so angespannt wie matt aus allen Bezugsrahmen gefallen auf einer weißen Ebene und verkörpert genau das, was sie über diese herausfordernde Figur äußert - dass diese größer sei als sie selbst. Milan Peschel hat sich in Frank Castorfs Inszenierung von "Nach Moskau! Nach Moskau!" völlig verausgabt und lächelt in der Uniform eines russischen Offiziers nun erleichtert in die Kamera. Martin Wuttke als Molières eingebildeter Kranker steckt noch im elendslangen Rüschennachthemd, hat jedoch schon die Belohnungszigarette in der Hand und ein melancholisch gegrinstes "Adieu, Argan!" im Gesicht. Fast immer richten die Künstler ihren Blick direkt auf Margarita Broich, die mit ihnen als fotografierende Kollegin in jeder Hinsicht auf Augenhöhe ist. Ihre Aufnahmen sind intim wie vertrauensvoll, trügerisch nah und dabei unendlich fern. Ergänzt werden die Porträts durch Erläuterungen der Akteure, die - aufgezeichnet von der Dramaturgin Brigitte Landes - in ihren eigenen Worten die ungewöhnlichen optischen Eindrücke unterstützen.
baz.
Brigitte Landes, Margarita Broich: "Alles Theater". Schauspielerporträts.
Insel Verlag, Berlin 2015. 79 S., geb., 18,- [Euro].
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»Es ist ein perfektes Bändlein auch für all jene, die nach dem letzten Vorhang den Zuschauerausgang benutzen müssen.« Judith von Sternburg der Freitag 20160122