Im vorliegenden Buch wird gefragt, wie bei Heimito von Doderer mit Mitteln der erzählenden Prosa bühnenspezifische Wirkungen und schauspielerische Effekte hergestellt werden, wobei dies nicht nur die Sphäre der hier agierenden Figuren und deren jeweilige Konstellation, sondern auch das äußere Ambiente der Romangeschehnisse (Kulissen) und die spezifischen Modalitäten des Erzählens betreffen. Die das Schaffen Doderers auf verschiedene Theoreme und philosophische Traditionen abklopfende Philologie tat sich schwer mit dem durchaus naheliegenden Gedanken, dass der Autor als Wiener und Österreicher im Kontext des Theaters positioniert und interpretiert werden kann, und zwar des spezifisch Wiener Theaters, bei dem es weniger auf tragische Verwicklungen und Erbauung im Sinne der 'moralischen Anstalt' als auf die Lust an der Verstellung und Verkleidung ankam, auf das Spiel, das um des Spiels willen stattfindet und sich immer im direkten Kontakt mit dem Zuschauer als ein Spektakel zu bewähren hat. Der Schriftsteller spielt mit seinen Erzählstoffen, aber natürlich auch mit seinen Lesern und 'gelehrten' Kommentatoren, die bis heute seine Texte in zihaloide interpretatorische 'Säckchen' einhüllen, die den entspannten Charme und die Lebendigkeit dieser Prosa erdrücken, einer Prosa, die ebenso beschaffen wie das Leben selbst ist. Dazu gehören Rollen, Masken und die im Voraus entworfenen Szenarios, die bei der Realisierung gleichermaßen tragische wie komische Effekte zeitigen. Der 'Grund des Vergnügens' an Doderers erzählten 'Gegenständen' ist performativer Natur. Weil das Theater einen unverzichtbaren Bestandteil der österreichischen, ja der Wienerischen Identität darstellt, rücken damit die 'Wiener Romane' Doderers in einen Kontext, der ihren eigentlichen Wiener Charakter ausmacht.