Das erste Buch des Schöpfers von Mad Men: Ein kleiner Band. Ein großer Roman.
Mark und Karen Breakstone haben spät geheiratet. Bald kündigt sich Nachwuchs an, die Tochter wird auf den Namen Heather getauft, und die kleine, wie es scheint, recht perfekte Familie lebt ihr von materiellen Sorgen freies Leben in Manhattan. Doch das Dreieck Vater-Mutter-Kind ist labil. Heather, das von allen vergötterte Mamakind, verändert sich, als sie in die Pubertät kommt, sie wendet sich von der Mutter ab, die das nicht verkraftet.
Parallel erzählt Matthew Weiner das Schicksal von Bobby Klasky, Kind einer drogensüchtigen Prostituierten, geboren in die Hölle hinein. Sein Lebensweg führt ihn nach einer Vergewaltigung ins Gefängnis, wo ihm der letzte Rest von Menschlichkeit abhanden kommt. Als sich die beiden Geschichten kreuzen, kann es nur zur Katastrophe kommen. Und im Mittelpunkt steht, ohne es zu wissen, Heather.
Mark und Karen Breakstone haben spät geheiratet. Bald kündigt sich Nachwuchs an, die Tochter wird auf den Namen Heather getauft, und die kleine, wie es scheint, recht perfekte Familie lebt ihr von materiellen Sorgen freies Leben in Manhattan. Doch das Dreieck Vater-Mutter-Kind ist labil. Heather, das von allen vergötterte Mamakind, verändert sich, als sie in die Pubertät kommt, sie wendet sich von der Mutter ab, die das nicht verkraftet.
Parallel erzählt Matthew Weiner das Schicksal von Bobby Klasky, Kind einer drogensüchtigen Prostituierten, geboren in die Hölle hinein. Sein Lebensweg führt ihn nach einer Vergewaltigung ins Gefängnis, wo ihm der letzte Rest von Menschlichkeit abhanden kommt. Als sich die beiden Geschichten kreuzen, kann es nur zur Katastrophe kommen. Und im Mittelpunkt steht, ohne es zu wissen, Heather.
buecher-magazin.deHeather - die Person hinter diesem Namen - ist alles für die Figuren in diesem kleinen Roman. Nur sie selbst bleibt seltsam blass. Ihren Eltern Mark und Karen Breakstone erscheint sie ein so wunderschönes, perfektes, liebenswertes Geschöpf zu sein, dass vom Tag ihrer Geburt an keine Notwendigkeit mehr besteht, den eigenen Träumen, Wünschen oder ihrem Beziehungsleben weiterhin Aufmerksamkeit und Pflege zu schenken. Und dann gibt es da noch Bobby Klasky, eben aus dem Gefängnis entlassen, dessen Kindheit bei einer drogensüchtigen Prostituierten ein Zerrbild von Heathers Upperclass-Idylle zu sein scheint. Bobby, der als Bauarbeiter Reparaturarbeiten an der Wohnung der Breakstones unternimmt, sieht die Teenagerin Heather und weiß von da an nur eines: Er will sie besitzen. Ob tot oder lebendig. Als Leser wechselt man zwischen Bobbys Perspektive und der von Heathers Eltern hin und her, voller Spannung, denn das sich anbahnende Unglück könnte jeden Moment passieren. Die Besessenheit des Psychopathen Bobby zu seinem Opfer ist in ihrem Ausmaß der Besessenheit der Eltern zu ihrer Tochter erschreckend ähnlich. Verrückt nach Heather sind sie alle. Und Heather? Die treibt diesen abgründigen, exzellent erzählten, kleinen Roman, voran, ohne es zu wissen. Unschuldig und bedauernswert.
© BÜCHERmagazin, Katharina Manzke
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2017Die Angst, die aus der Kälte kam
"Mad Men"-Autor Matthew Weiner hat eine abgründige Novelle geschrieben
Matthew Weiner ist der Mann hinter "Mad Men", dabei jedoch weder verrückt noch so etwas wie das Ebenbild von Don Draper. Vielmehr hat Weiner, der Schöpfer der gleichnamigen Serie über die schillernde Werbewelt im New York der sechziger Jahre, schon damals einen Kosmos beschrieben, der, promisk, misogyn und versoffen, all jene Scheußlichkeiten praktizierte, die anlässlich des Falles Weinstein derzeit über das System Hollywood zu erfahren sind. "Mad Men" ist auch ein Lehrstück über die unheilvolle Verknüpfung von Sex, Macht und Abhängigkeit, dessen Figuren als Jäger ihrerseits selbst getrieben sind von der Frage, was sie, deren materielle Wünsche längst erfüllt sind, vom Leben überhaupt noch erwarten.
Mit "Alles über Heather" hat der für seine Drehbücher vielfach ausgezeichnete Autor, der auch "Die Sopranos" schrieb, im Alter von zweiundfünfzig Jahren nun sein literarisches Debüt vorgelegt. Auf den ersten Blick erscheint der schmale Roman, eigentlich ja eine Novelle, in der deutschen Übersetzung von Bernhard Robben 138 Seiten lang, wie der Gegenentwurf zu Weiners bisher auf epische Breite und horizontales Erzählen angelegtem Schreiben. Auch verzichtet er, der sich jahrelang Dialoge ausdenken musste, hier größtenteils auf direkte Rede, und statt psychologischer Tiefenschärfe erzählt er buchstäblich in groben Zügen, wenn er Zeitsprünge einbaut, die manchmal mehrere Jahre in nur einem Satz bündeln. Tatsächlich aber lassen sich vertraute Motive des Autors in diesem Schauerstück von der Upper East Side entdecken, vor allem in Hinblick auf die Frage, wie Status, Vermögen und Geschlecht uns in dem, was wir sind und sein wollen, definieren.
Erzählt wird die Geschichte von vier Menschen, Karen und Mark begegnen wir dabei als Ersten, die sich, beide schon um die vierzig, auf Vermittlung von Freunden kennenlernen und kurz darauf zusammentun. Die Entscheidung ist weniger von Liebe getragen als von gegenseitigen Erwartungen. Man kann sich wiederfinden im Bild des anderen, und dass die Verbindung zudem gesellschaftliche Vorteile mit sich bringt - er arbeitet im New Yorker Finanzdistrikt, sie in der Verlagsbranche -, ist auch kein Nachteil. Als die Tochter, Heather, zur Welt kommt und sich zu einem prächtigen Mädchen entwickelt, intelligent, hübsch, klug, ändern sich die Verhältnisse im Hause Breakstone. Die Gewichte verteilen sind nunmehr ungleich in diesem familiären Dreieck, denn alles drängt zum Kind. Karen hatte schon nach der Geburt ihren Beruf aufgegeben, aber auch wenn Mark sich daran stört, dass seine Frau zur Helikoptermutter geworden ist, leidet er zugleich darunter, seiner Tochter nicht näher zu sein.
Nicht weniger skizzenhaft erzählt ein anderer Strang von Bobby Klasky, dem Sohn einer drogenabhängigen Mutter aus der Provinz, der, je älter er wird, zu immer heftigeren Gewaltausbrüchen neigt. Als er eine Frau krankenhausreif schlägt, kommt er ins Gefängnis. Den Mord an seiner Mutter hingegen kann er Jahre später vertuschen, so dass ihm niemand auf die Schliche kommt. Wie im Märchen wird Bobby Klasky als Inkarnation des Bösen gezeichnet, als er schließlich in die wohlgeordnete Szenerie der Breakstones einbricht. Tatsächlich könnte es sich bei der Figur, so typisiert, wie sie geschildert wird, um eine Wahnvorstellung Marks handeln, der Autor lässt dies offen. Mit der Urangst von Eltern um ihren Nachwuchs aber erwacht auch im bürgerlichen Setting der Killerinstinkt. Spätestens im Aufeinandertreffen der beiden Sphären und der daraus folgenden unerhörten Begebenheit wird offensichtlich, dass hier mehr als nur ein Monster unterwegs ist. Matthew Weiner enthält sich jeder Psychologisierung und nimmt in der Figurenzeichnung manche Schlichtheit in Kauf. Und doch hat die Erzählung in ihrem grimmigen Nihilismus etwas Bezwingendes. Es ist eine verstörende Kälte, aus der diese Novelle gemacht ist.
SANDRA KEGEL.
Matthew Weiner: "Alles über Heather".
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben. Rowohlt Verlag, Reinbek 2017. 138 S., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Mad Men"-Autor Matthew Weiner hat eine abgründige Novelle geschrieben
Matthew Weiner ist der Mann hinter "Mad Men", dabei jedoch weder verrückt noch so etwas wie das Ebenbild von Don Draper. Vielmehr hat Weiner, der Schöpfer der gleichnamigen Serie über die schillernde Werbewelt im New York der sechziger Jahre, schon damals einen Kosmos beschrieben, der, promisk, misogyn und versoffen, all jene Scheußlichkeiten praktizierte, die anlässlich des Falles Weinstein derzeit über das System Hollywood zu erfahren sind. "Mad Men" ist auch ein Lehrstück über die unheilvolle Verknüpfung von Sex, Macht und Abhängigkeit, dessen Figuren als Jäger ihrerseits selbst getrieben sind von der Frage, was sie, deren materielle Wünsche längst erfüllt sind, vom Leben überhaupt noch erwarten.
Mit "Alles über Heather" hat der für seine Drehbücher vielfach ausgezeichnete Autor, der auch "Die Sopranos" schrieb, im Alter von zweiundfünfzig Jahren nun sein literarisches Debüt vorgelegt. Auf den ersten Blick erscheint der schmale Roman, eigentlich ja eine Novelle, in der deutschen Übersetzung von Bernhard Robben 138 Seiten lang, wie der Gegenentwurf zu Weiners bisher auf epische Breite und horizontales Erzählen angelegtem Schreiben. Auch verzichtet er, der sich jahrelang Dialoge ausdenken musste, hier größtenteils auf direkte Rede, und statt psychologischer Tiefenschärfe erzählt er buchstäblich in groben Zügen, wenn er Zeitsprünge einbaut, die manchmal mehrere Jahre in nur einem Satz bündeln. Tatsächlich aber lassen sich vertraute Motive des Autors in diesem Schauerstück von der Upper East Side entdecken, vor allem in Hinblick auf die Frage, wie Status, Vermögen und Geschlecht uns in dem, was wir sind und sein wollen, definieren.
Erzählt wird die Geschichte von vier Menschen, Karen und Mark begegnen wir dabei als Ersten, die sich, beide schon um die vierzig, auf Vermittlung von Freunden kennenlernen und kurz darauf zusammentun. Die Entscheidung ist weniger von Liebe getragen als von gegenseitigen Erwartungen. Man kann sich wiederfinden im Bild des anderen, und dass die Verbindung zudem gesellschaftliche Vorteile mit sich bringt - er arbeitet im New Yorker Finanzdistrikt, sie in der Verlagsbranche -, ist auch kein Nachteil. Als die Tochter, Heather, zur Welt kommt und sich zu einem prächtigen Mädchen entwickelt, intelligent, hübsch, klug, ändern sich die Verhältnisse im Hause Breakstone. Die Gewichte verteilen sind nunmehr ungleich in diesem familiären Dreieck, denn alles drängt zum Kind. Karen hatte schon nach der Geburt ihren Beruf aufgegeben, aber auch wenn Mark sich daran stört, dass seine Frau zur Helikoptermutter geworden ist, leidet er zugleich darunter, seiner Tochter nicht näher zu sein.
Nicht weniger skizzenhaft erzählt ein anderer Strang von Bobby Klasky, dem Sohn einer drogenabhängigen Mutter aus der Provinz, der, je älter er wird, zu immer heftigeren Gewaltausbrüchen neigt. Als er eine Frau krankenhausreif schlägt, kommt er ins Gefängnis. Den Mord an seiner Mutter hingegen kann er Jahre später vertuschen, so dass ihm niemand auf die Schliche kommt. Wie im Märchen wird Bobby Klasky als Inkarnation des Bösen gezeichnet, als er schließlich in die wohlgeordnete Szenerie der Breakstones einbricht. Tatsächlich könnte es sich bei der Figur, so typisiert, wie sie geschildert wird, um eine Wahnvorstellung Marks handeln, der Autor lässt dies offen. Mit der Urangst von Eltern um ihren Nachwuchs aber erwacht auch im bürgerlichen Setting der Killerinstinkt. Spätestens im Aufeinandertreffen der beiden Sphären und der daraus folgenden unerhörten Begebenheit wird offensichtlich, dass hier mehr als nur ein Monster unterwegs ist. Matthew Weiner enthält sich jeder Psychologisierung und nimmt in der Figurenzeichnung manche Schlichtheit in Kauf. Und doch hat die Erzählung in ihrem grimmigen Nihilismus etwas Bezwingendes. Es ist eine verstörende Kälte, aus der diese Novelle gemacht ist.
SANDRA KEGEL.
Matthew Weiner: "Alles über Heather".
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben. Rowohlt Verlag, Reinbek 2017. 138 S., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Cornelia Geissler staunt, wie es dem Erzähler epischer Geschichten und Mad-Men-Erfinder Matthew Weiner gelingt, einen Stoff mit derart viel Tragödienpotential auf diese nur 124 Seiten umfassende "explosive Mischung einzudampfen". Denn mit der Geschichte um die empathiebegabte und von ihren Eltern vergötterte und überfürsorglich behandelte Heather und den psychisch labilen, in einfachen Verhältnissen aufgewachsenen Ex-Knacki Bobby, der beginnt Heather nachzustellen, glückt Weiner nicht nur ein packendes, konzentriertes Drama und ein fulminanter Debütroman, sondern auch eine aktuelle Analyse des gesellschaftlichen Klimas in den USA, lobt Geissler.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Matthew Weiner hat mit seinem Kurzroman die Gesellschaft im Visier - und in seiner entschlackten, pointierten Prosa erweist sich nahezu jeder Satz als Volltreffer. Großartig! Die Presse