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Eine hinreißende Komödie über das verrückteste Kaufhaus der Welt und seine Bewohner - Humor in bester britischer Tradition.
"Also habe ich mir gedacht, warum soll ich mein Buch nicht wie ein Kaufhaus strukturieren...?" So sinniert Charlie Mayhew. Eines Tages wird Charlie ein großer Künstler sein, aber bis es soweit ist, verdingt er sich als Möbelträger bei "Haden Brothers", dem größten Kaufhaus der Welt. Es wurde in den dreißiger Jahren von dem etwas verrückten Architekturgenie Edward Zander mitten in London errichtet. Wie verrückt Zander wirklich war, entdeckt Charlie, als er in der Welt…mehr

Produktbeschreibung
Eine hinreißende Komödie über das verrückteste Kaufhaus der Welt und seine Bewohner - Humor in bester britischer Tradition.
"Also habe ich mir gedacht, warum soll ich mein Buch nicht wie ein Kaufhaus strukturieren...?" So sinniert Charlie Mayhew. Eines Tages wird Charlie ein großer Künstler sein, aber bis es soweit ist, verdingt er sich als Möbelträger bei "Haden Brothers", dem größten Kaufhaus der Welt. Es wurde in den dreißiger Jahren von dem etwas verrückten Architekturgenie Edward Zander mitten in London errichtet. Wie verrückt Zander wirklich war, entdeckt Charlie, als er in der Welt draußen sein Dach über dem Kopf verliert und sich im Kaufhaus häuslich einrichtet. Denn "Haden Brothers" ist kein gewöhnliches Kaufhaus, sondern ein Nährboden der Anarchie, ein künstlerisches Experiment, ein verwunschenes Spukschloss, unter dessen gleißender Oberfläche sich Geheimtüren, Vexierspiegel, Trompe-l oeil-Effekte, doppelte Böden und dunkle Nischen verbergen. Über all dem thront Arnold Haden, der letzte der Haden-Brüder, in seinem antiseptisch-weißen Apartment im obersten Stock des Kaufhauses. Er hat seit Jahren keinen Fuß mehr auf die Straße gesetzt und verlässt auch seine Wohnung nur, um sich mit neuen weiblichen Angestellten in der Matratzenabteilung zu vergnügen. Nun erwartet er Vita Carlisle, um auch bei ihr sein Recht der Ersten Nacht geltend zu machen. Aber Vita ist bestens gerüstet und wild entschlossen, dem Herren den Abend gründlich zu verderben...
Autorenporträt
Geoff Nicholson, geboren 1953 in Sheffield, studierte in Cambridge und Essex. Er hat für Radio, Fernsehen und das Theater geschrieben und mittlerweile zahlreiche Romane sowie zwei Sachbücher veröffentlicht. Einen großen Teil des Romans "Alles und noch mehr" verfasste Nicholson im Warenhaus-Cafe von Selfridge in London. Wenn Nicholson nicht gerade verschiedene Wüsten bereist, lebt er in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.1998

Erregung vor den Wühltischen
Aufgeräumt: Nicholsons Kaufhausroman "Alles und noch mehr"

Das Kaufhaus erscheint Biedermännern und Brandstiftern, Werbestrategen und Ladendieben gleichermaßen als Tempel einer verführerischen Konsumreligion. Nur ist für die einen blasphemischer Götzendienst, was für die anderen Gottesdienst ist. Marx sah im Warenfetisch "theologische Mucken", die Marx-Brothers entdeckten im Warenhaus profanere Tücken der Objekte. Jedenfalls erinnert schon die Architektur der Großkaufhäuser an Kathedralen, worin sich ergriffene Kunden, Hohepriester und Meßdiener zur Anbetung der Ware versammeln. Mag sein, daß nur für den Habenichts der Wühltisch ein Tabernakel ist; aber die Hierarchien, Litaneien und Liturgien des Kaufhauses stehen an ritueller Strenge und barockem Gepränge keinem katholischen Hochamt nach. So viel innerweltliche Transzendenz faszinierte die Dichter von jeher. Ausgerechnet Arno Schmidt, der Eremit der Heidekate, träumte von einem modernen "Großhausroman". Schon als Zola das Kaufhaus für die Literatur entdeckte, ging er vor seinen "Altären" in die Knie und opferte seinen dokumentarischen Naturalismus schwelgerischen Warenbeschreibungen und sentimentalen Romanzen. Sein "Paradies der Damen" war eine pathetisch-sentimentale Ausstattungsorgie, Schaufensterdekoration avant la lettre. Auch Geoff Nicholsons Kaufhaus ist ein Turm von Babel, in dessen Labyrinth ein Minotaurus haust. Es ist außerdem Kirche und Bordell, Kerker und Freizeitpark, Bühne und Fabrik, Abbild und Utopie der englischen Klassengesellschaft, Hölle und Paradies für Damen und Herren, Chiffre für Kunst, Religion und Kapitalismus. "Alles und noch mehr" heißt nicht umsonst der Werbeslogan des Londoner Kaufhauses "Haden Brothers". Hier gibt es alles, vom Kinderwagen bis zum Bestattungsservice, auf Kredit oder Bestellung.

Nicholson kennt nicht nur die literarische Tradition, sondern auch das Milieu. Im Warenhausrestaurant von Selfridge hat der 45 Jahre alte Autor von Reise-, Sach-, Drehbüchern und bislang sieben Romanen große Teile von "Alles und noch mehr" geschrieben; bei Harrod's, bis zur Übernahme durch Dodis Vater der Stolz Britanniens, jobbte er ein halbes Jahr in der Möbelabteilung. Damals, als er den Harrod's-Slogan "Komm in eine andere Welt" nur als Verhöhnung seiner künstlerischen Ambitionen begreifen konnte, reifte in ihm die Idee, die sein schüchterner Möchtegernschriftsteller Charlie so formuliert: "Also habe ich mir gedacht, warum soll ich mein Buch nicht wie ein Kaufhaus strukturieren? Es wäre leicht zugänglich, mit schicken Schaufensterdekorationen, einem Schnäppchenmarkt, Sonderposten, Informationstafeln, Souvenirs, Gratisproben, Geschenkverpackungen, Rätseln und Spielen, zum Jahresende Krippenschau, alles wäre deutlich ausgeschildert und mit vielen Notausgängen und Feuertreppen versehen." Tatsächlich kommt sich der Leser wie ein Flaneur im Warentempel vor. Alle Auslagen sind nach marktstrategischen Vorgaben arrangiert, mit dezenten Preisschildchen versehen und in Ironie verpackt. Der Autor, allzeit sophisticated, hilft dem zögernden Kunden intelligent und aufgeräumt über die Schwelle. Nicholson ist ein guter Geschichtenverkäufer. Geschickt weckt er Bedürfnisse, die keine sind, und steigert sie durch Reklamegags und Spannungsverzögerungen bis zur Explosion. Gesellschaftskritik und eine Prise Sarkasmus gibt es im Sonderangebot, Sex und bizarre Sketche als Gratisproben.

Doch ist "Alles und noch mehr" mehr als nur der Ausverkauf bekannter Motive. Haden Brothers ist kein gewöhnliches Kaufhaus, sondern ein Laboratorium für gesellschaftliche und künstlerische Experimente, ein verwunschenes Spukschloß, unter dessen gleißender Oberfläche sich lauter Geheimtüren, Vexierspiegel, Trompe-l'oeil-Effekte, doppelte Böden und dunkle Nischen verbergen. Im Kellergeschoß etwa hausen die Möbelpacker, eine seltsame Brüderschaft von Hobbyanarchisten und arbeitsscheuen Lumpenproletariern. Der Kopf dieser Panzerknacker führt mit geheimen Codes, Schauprozessen und Bombendrohungen einen kafkaesken Kleinkrieg gegen seine Firma. Der Sicherheitschef, nicht minder paranoid und totalitär, hat ein wachsames Auge auf derlei Gesindel geworfen. Graffiti-Schmierer, Aktionskünstler, Diebe, Kaufsüchtige, reklamierende Nörgler und renitente Verkäufer: Alle und noch mehr werden vom Kaufhaus angelockt und angesteckt, bis ihre Obsession sich mit krimineller Energie auflädt. Selbst Vita Carlisle, die perfekte Angestellte, entpuppt sich als Terroristin. Wie alle Pyramidenbaumeister, hat sich auch der verrückte Architekt des "ur-postmodernen Meisterwerks" aus den dreißiger Jahren lebendig einmauern lassen. Die schöne neue Welt des Konsums ist sein Mausoleum, eine "Maschine zum Sterben". Wo man alles findet, was ein Mensch zum Leben braucht, läßt sich keine menschliche Existenz fristen. Das erfährt auch Charlie, als er sich, obdachlos geworden, an seinem Arbeitsplatz häuslich einrichten will. Die versprochene Freiheit erweist sich als Gefängnis, der demokratische Marktplatz als klaustrophobische Hölle, in der er alle Qualen von Tantalus und Sisyphus erleidet. Das wahre Phantom dieser großen Oper aber ist Arnold Hadon, der letzte Sproß der Kaufhausdynastie. Der menschenscheue Exzentriker hat sich im Penthouse gegen den Schmutz, die Waren und einen banausischen Pöbel verschanzt wie einst Käpt'n Nemo in seinem Boot oder der letzte Tycoon Howard Hughes, eine mafiose Kamarilla von Speichelleckern und Konsumterroristen führt die laufenden Geschäfte. Selten nur läßt sich der noble Patriarch dazu herab, an jungen Verkäuferinnen sein Jus primae noctis auszuüben. Als Vita, den schönen Leib mit Bomben gegürtet, eines Tages als Rächerin ihrer Mutter und ihrer Ehre vor ihm steht, ist es mit seiner Ruhe vorbei. Die menschliche Komödie kippt erst in die Terror-Groteske, dann ins Märchen um.

Verleger Haffmans hat mit der britischen Literatur mehr Glück als mit der deutschen. Nach Julian Barnes, David Lodge, Stephen Fry und den Monty Pythons hat er wieder einen Engländer erworben, der so süffisant und originell erzählen kann, daß Schnäppchenjäger und anspruchsvolle Kundschaft auf ihre Kosten kommen. Nicholsons Kaufhausroman ist unter- und manchmal auch überfüttert mit Metaphern, Mythen und geistreichen Anspielungen; selbst der blinde Fahrstuhlführer erinnert an Charon in seinem Kahn. Die Figuren, mehr Comic-Helden als Charaktere, wirken darum ein wenig flach, und das Romangebäude zerfällt in eine Fülle von Abteilungen und Sonderaktionen. Aber das alles und noch mehr nimmt man gern in Kauf. Was ist schließlich ein Roman anderes als ein Warenhaus, das menschliche Beziehungen und Objekte in eine schöne Form bringt, in Abteilungen mit je eigener Wissens- und Erfahrungsstruktur?

Am Ende verschenkt Haden, seines Spielzeugs überdrüssig, alles. Das revolutionäre Gesellschaftsexperiment - jedem nach seinem Bedürfnis, jeder nach seiner Kraft - endet in einem Prügel-Fiasko. Aber die Ramschaktion erweist sich als Hadons erster und bester Werbecoup; von seiner Attentäterin bekehrt, findet er sogar wieder Freude an Menschenliebe und Warentausch. Charlie dagegen, der so gerne "Hauskünstler" unter lauter Ready-mades geworden wäre, bekommt Hausverbot. Der Schriftsteller muß draußen bleiben. Aber er hat wenigstens das Rezept für einen guten Roman aus der Do-it-yourself-Abteilung mitgenommen. MARTIN HALTER

Geoff Nicholson: "Alles und noch mehr". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Gunnar Kwisinski. Haffmans Verlag, Zürich 1998. 318 S., geb., 39,- DM.

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