Ein Speisesaal, ein Sportplatz und getrennte Schlafsäle für Jungen und Mädchen - auf den ersten Blick scheint Hailsham ein ganz gewöhnliches Internat zu sein. Aber die Lehrer, so freundlich und engagiert sie auch sind, heißen hier "Wächter" und lassendie Kinder früh spüren, dass ihnen ein besonderes Schicksal auferlegt worden ist. Diese Gewissheit verbindet Kathy, Ruth und Tommy durch alle Stürme der Pubertät und Verwirrungen der Liebe - bis für zwei von ihnen das Ende naht.
Ein anrührendes und ungewöhnlich spannendes Meisterwerk über Menschen, deren Leben auf beklemmende Weise vorherbestimmt ist.
Ein anrührendes und ungewöhnlich spannendes Meisterwerk über Menschen, deren Leben auf beklemmende Weise vorherbestimmt ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2005Große Würfe
DIE FRAGE, ob der Mensch Herr seines Schicksals ist, ob die Vergangenheit stärker ist als die Zukunft und ob die Einsamkeit dazu führt, daß manche Menschen das Leben, über das sie so angestrengt nachdenken, schlicht verpassen, steht im Mittelpunkt von drei Romanen, die ihre Themen mit so viel stilistischer und gedanklicher Brillanz verfolgen, daß ihre Lektüre unvergeßlich bleibt. Ob man, wie der japanischstämmige Engländer Kazuo Ishiguro in "Alles, was wir geben mußten", die Ohnmacht des Menschen seinem Schicksal gegenüber untersucht oder, wie der Ire Colm Tóibín in "Porträt des Meisters in mittleren Jahren", den Schriftsteller Henry James in seiner eigensinnigen Sturheit so zum Leben erweckt, daß der Leser am Ende ebenso gut und schlecht über ihn urteilen kann wie über einen engen Freund, oder ob man, wie der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk im Roman "Schnee" zeigt, wie die beeindruckenden, zugleich unheimlichen Kräfte des Glaubens Religion zu Politik und Politik zu Religion werden lassen - die ebenso brennenden wie mutigen Fragen, die diese drei Autoren aufwerfen, sind von immerwährender Aktualität.
fvl.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
DIE FRAGE, ob der Mensch Herr seines Schicksals ist, ob die Vergangenheit stärker ist als die Zukunft und ob die Einsamkeit dazu führt, daß manche Menschen das Leben, über das sie so angestrengt nachdenken, schlicht verpassen, steht im Mittelpunkt von drei Romanen, die ihre Themen mit so viel stilistischer und gedanklicher Brillanz verfolgen, daß ihre Lektüre unvergeßlich bleibt. Ob man, wie der japanischstämmige Engländer Kazuo Ishiguro in "Alles, was wir geben mußten", die Ohnmacht des Menschen seinem Schicksal gegenüber untersucht oder, wie der Ire Colm Tóibín in "Porträt des Meisters in mittleren Jahren", den Schriftsteller Henry James in seiner eigensinnigen Sturheit so zum Leben erweckt, daß der Leser am Ende ebenso gut und schlecht über ihn urteilen kann wie über einen engen Freund, oder ob man, wie der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk im Roman "Schnee" zeigt, wie die beeindruckenden, zugleich unheimlichen Kräfte des Glaubens Religion zu Politik und Politik zu Religion werden lassen - die ebenso brennenden wie mutigen Fragen, die diese drei Autoren aufwerfen, sind von immerwährender Aktualität.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Merklich berührt wirft Susanne Mayer von Ishiguros neuem Roman aus einen Blick zurück auf seine bisheriges Werk und schält ein grundlegendes Thema heraus: der Einzelne inmitten der "gesellschaftlichen Ödnis". Seine Figuren erinnern sich, rechtfertigen sich, versuchen, ihre Existenz "im Netz ihrer Erzählung aufzufangen" - hier ist es eine junge Frau, die auf ihre Kindheit in einem Internat zurückblickt, in einer ländlichen englischen Idylle. Sie und ihre Mitschüler sind elternlos, aber keine Waisen, sondern Klone, gezüchtet als Organlager, aber voller Sehnsucht und Seele wie natürlich gezeugte Menschen. Das Internat wird in der Erinnerung zum "Kosmos klebriger Beziehungen", isoliert von jeder Art von gesellschaftlicher Umgebung. Ishiguro gehe es nicht um Technologiekritik, noch nicht einmal um Moral, sondern "um die Reinheit des Herzens". Mayer bewundert das zarte sprachliche Kleid von Ishiguros Figuren, jener "Klang von Stille", der seinen Büchern eines derartige, wie die Rezensentin befindet, "betörende Wirkung" verleiht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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