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"Ich stehe schon fast am Gartenzaun. Schaue auf meine Füße. Sie stehen ganz genau nebeneinander. Höchstens noch sieben Schritte bis zum Tor. Höchstens. Als ich wieder hochschaue, sehe ich mich. Eine alte Frau. Ich stehe auf meiner Gartentreppe und rauche. Ich sehe, wie ich stürze. Kopfüber. Ich stürze sehr langsam. Still ist es."
Es ist Odas Geschichte, die Julia Jessen in ihrem wunderbaren Debüt erzählt, die Geschichte einer Frau, die das Glück familiärer Beständigkeit wie das der kleinen Fluchten kennt, die sich nicht in den widersprüchlichen Anforderungen eines "modernen" Lebens
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Produktbeschreibung
"Ich stehe schon fast am Gartenzaun. Schaue auf meine Füße. Sie stehen ganz genau nebeneinander. Höchstens noch sieben Schritte bis zum Tor. Höchstens. Als ich wieder hochschaue, sehe ich mich. Eine alte Frau. Ich stehe auf meiner Gartentreppe und rauche. Ich sehe, wie ich stürze. Kopfüber. Ich stürze sehr langsam. Still ist es."

Es ist Odas Geschichte, die Julia Jessen in ihrem wunderbaren Debüt erzählt, die Geschichte einer Frau, die das Glück familiärer Beständigkeit wie das der kleinen Fluchten kennt, die sich nicht in den widersprüchlichen Anforderungen eines "modernen" Lebens verliert, die unkonventionelle Entscheidungen trifft und nicht damit hadert. Da ist das kleine Mädchen, die erste Lüge und das Gefühl von Freiheit. Da ist die provozierende Sechzehnjährige, der gnadenlose, dennoch liebevolle Blick auf die Verwandtschaft und die erste sexuelle Erfahrung. Da ist die junge Frau, die sich ein zweites Kind wünscht, und ihr Mann, der diesen Wunsch verweigert. Wie wird man damit fertig, ohne sich zu trennen? Wie kann man Entfremdung überwinden, die Liebe bewahren? Bis ins Alter? Davon erzählt dieser großartige Roman eines Lebens. Ganz und gar gegenwärtig. Und alles wird hell.
Autorenporträt
Julia Jessen, geb. 1974, hat Literatur studiert und eine Ausbildung als Schauspielerin gemacht. Sie arbeitete zehn Jahre für Film und Fernsehen, spielte in mehreren Theaterproduktionen und unterrichtete an verschiedenen Schauspielschulen. 2010 gründete sie das »Kurswerk« in Hamburg für Schauspielunterricht und Persönlichkeits- und Präsenztraining. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Zuletzt erschien bei Kunstmann ihr Roman 'Alles wird hell'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.2015

Die vierfache Frau
Perspektivenverwirrung: Julia Jessens Romandebüt

In vier großen Schritten führt uns Julia Jessen durch ein Frauenleben. Schritt eins: Die Protagonistin, Oda heißt das kleine Mädchen, läuft durch den Garten ihrer Großmutter. Es ist eine märchenhafte Welt, in der sie das Lügen erprobt. Schritt zwei: Oda ist nun sechzehn und fährt mit ihrer Familie zu einer Verwandtenhochzeit ans Meer. Die Trauung findet am Strand statt und wird von einer Schamanin vollzogen. Die Heranwachsende verfolgt das Treiben der Erwachsenen aus pubertätsverwirrter Perspektive. Es kippt ins Absurde, als die Urgroßmutter während des Festessens tot in den Suppenteller sinkt. In den besten Momenten erinnern die Szenen und Dialoge dieses Debütromans an Yasmina Reza und lassen spannungsreiche Beziehungen im tragikomischen Sprechen und Handeln der Figuren sichtbar werden.

Vielleicht hätte die Autorin, die als Schauspielerin von der Bühne und vom Film her kommt, ein Theaterstück schreiben sollen. Denn anders als die szenisch gehaltenen Passagen ihres Buchs ermüden die erzählten Innenwelten, die endlose Introspektion der Protagonistin. Mit Schritt drei erreichen wir die Midlife-Crisis der nun knapp vierzigjährigen Oda: Der Mann scheint nicht mehr der rechte, weil er sich kein zweites Kind wünscht. Die Entfremdung zwischen den Liebenden wächst sich zur Fremdheit der Frau gegenüber ihrem ganzen Leben als Mutter und Tänzerin aus. Eine Depression führt zu erzählerischer Schwerfälligkeit und verstärkt die sprachliche Prätention, die sich von Beginn an in einer ausufernden Hell-dunkel-Metaphorik zeigt.

Komisch ist nun gar nichts mehr - zumal sich im vierten Lebensabschnitt eine sehr alte Oda von ihrem todkranken Mann verabschiedet. Diese ernste Angelegenheit gerät hier etwas sentimental. Das liegt daran, dass Julia Jessen sich mit dem Wagnis überfordert, den Alltag und die Grenzerfahrungen einer über Achtzigjährigen aus der Ich-Perspektive zu erzählen. Mit dem Ende des Buchs schließt sich der Reigen aus Hochzeiten und Todesfällen. Schön ist die Idee, den ewig wiederkehrenden Wechsel auf verschiedenen Lebensstufen und in einer einzigen Familie zu zeigen. Julia Jessen verbindet damit die Frage, was die Familie für das Leben und Lieben eigentlich bedeutet, wie der Einzelne sich in diese Form fügen kann, ohne in ihr verlorenzugehen.

SANDRA KERSCHBAUMER.

Julia Jessen: "Alles wird hell". Roman.

Verlag Antje Kunstmann, München 2015. 285 S., geb., 19,95 [Euro].

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