Müllers überragende geistige Statur, die Prinzipien seines Denkens, die Universalität seiner Geschichtsbetrachtung und seines Wissens, sein deutsch-französischer Humanismus sind in dem erstmals hier veröffentlichten Werk des Fünfundzwanzigjährigen voll entwickelt.Es zeigt, 1776/77 entstanden, die Kühnheit und Frische des ersten großen Wurfs. Müller komponierte es während seines mehrjährigen Aufenthalts in Genf. Er schrieb es französisch nieder und übertrug es fortlaufend ins Deutsche. Das Werk gibt sich den Anschein einer Frühgeschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft, ist aber in Wahrheit eine »Ontologie der Politik«, die nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Politische Freiheit ist nur in der Form einer Bundesrepublik garantiert, das heißt: in einem frei spielenden Gleichgewicht nicht allzu großer, einander in ihrer Verschiedenartigkeit respektierender politischer Einheiten. Müller sieht die politische Freiheit in Europa gefährdet durch Despotismus, Gleichmacherei und Größenwahn.Die kritische Kühnheit seiner Politologie ließ es Müller als ratsam erscheinen, das Werk zurückzubehalten. Auch in einer umgearbeiteten Fassung wurde es vom Berner Bücherzensor zurückgewiesen. Es blieb bis zur dieser Ausgabe unbekannt. Die Darbietung in zwei Teilbänden erleichtert die vergleichende Lektüre der französischen und deutschen Fassung. Dabei ergeben sich Einblicke in die Selbstzensur, die sich Müller bei der Übertragung in die Sprache der »Gnädigen Herren« auferlegte.