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Militärmissionen bewältigen ihre Aufgaben naturgemäß unter weitgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit. So haftet ihnen immer eine etwas geheimnisvolle Atmosphäre an. Dies trifft auch für die Militärmissionen zu, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Westmächten und der Sowjetunion durch zweiseitige Abkommen in Deutschland eingerichtet wurden: drei westliche in Potsdam, drei sowjetische in den westlichen Besatzungszonen. Ihr quasi diplomatischer Status erlaubte ihnen, sich mehr oder minder unbehelligt in den Besatzungsgebieten zu bewegen, zu beobachten und das Beobachtete zu…mehr

Produktbeschreibung
Militärmissionen bewältigen ihre Aufgaben naturgemäß unter weitgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit. So haftet ihnen immer eine etwas geheimnisvolle Atmosphäre an. Dies trifft auch für die Militärmissionen zu, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Westmächten und der Sowjetunion durch zweiseitige Abkommen in Deutschland eingerichtet wurden: drei westliche in Potsdam, drei sowjetische in den westlichen Besatzungszonen. Ihr quasi diplomatischer Status erlaubte ihnen, sich mehr oder minder unbehelligt in den Besatzungsgebieten zu bewegen, zu beobachten und das Beobachtete zu dokumentieren.

Diese geographische Lage brachte es mit sich, daß die Militärmissionen in nahezu alle Ost/West-Konflikte mehr oder minder sichtbar eingebunden blieben. Sie wurden zu einem Gradmesser für den Stand der wechselseitigen Beziehungen sowohl der Beziehungen der Westmächte zur Sowjetunion als auch der Bundesrepublik, der DDR und der Westmächte untereinander. Wiederholt wurde aus den verschiedensten Gründen ihre Auflösung gefordert, doch noch nach dem Fall der Mauer in Berlin nahmen sie ihre Mittleraufgaben wahr.

Viele Ereignisse um diese Institutionen machen nicht nur ihre militärisch-strategische Bedeutung sichtbar. Ihre außergewöhnliche Stellung beleuchtet zugleich einen kleinen Teil deutscher Verfassungswirklichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Sowohl der Bundesrepublik als auch der DDR zeigten sie die Grenzen ihrer Souveränität.

Das Quellenmaterial zu dieser Darstellung kommt aus den verschiedensten Archiven. Akten des State Departments in Washington, englische und französische Bestände, auch aus dem Berliner Alliierten Museum, wurden mit herangezogen. Ebenso spiegeln die in Bonn entstandenen Akten die Diskussionen um die Militärmissionen wider. Vor allem aber ermöglichte der Zugang zum Parteiarchiv der SED und den Akten des Staatssicherheitsdienstes, die Sichtweise und Argumentationen der DDR darzustellen, nicht nur ihre Haltung gegenüber dem "westlichen Aggressor", sondern auch ihre Bemühungen um größeren politischen Spielraum gegenüber der Sowjetunion.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2001

In offener Mission
Die Sektorengrenzen bestanden für die Siegermächte bis 1990 fort

Dorothee Mußgnug: Alliierte Militärmissionen in Deutschland 1946-1990. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2001. 247 Seiten, 78,- Mark.

Das Ende des Kalten Krieges vor zehn Jahren hat nicht nur zu einer neuen Welt- und Staatenordnung mit umfassenden sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen geführt, die noch immer andauern. Es hat auch zu einer Intensivierung der Erforschung dieser Epoche beigetragen, die gegenwärtig immer wieder neue Facetten ans Licht bringt. So wirft die Geschichte der Alliierten Militärmissionen im besetzten und geteilten Deutschland ein charakteristisches Streiflicht auf diese spannungsgeladene Zeit.

Hatte die 1943 in Moskau etablierte amerikanische Militärmission noch die Aufgabe, die Koordinierung von "day-to-day operational matters" zwischen beiden Militärführungen zu bewerkstelligen, sollte sich diese Zwecksetzung nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands rasch ändern. Im Zuge wachsender politischer und ideologischer Gegensätze ging es im Kalten Krieg immer weniger um Zusammenarbeit als um gegenseitige Beobachtung und Ausspionierung. Das Besatzungsrecht mit seiner Geltung für ganz Deutschland bildete dafür die entscheidende Grundlage, auf die sich die vier Mächte unisono beriefen. Ihm blieben die beiden deutschen Staaten auch nach ihrer Gründung 1949 aufgrund ihrer fortdauernden eingeschränkten Souveränität unterworfen. Bis Anfang Oktober 1990 konnten sich auf diese Weise amerikanische, britische und französische Angehörige der Missionen mit ihren Fahrzeugen in der DDR nahezu frei bewegen, Gleiches galt für die sowjetischen Militärs in der Bundesrepublik.

Durch bilaterale Abkommen, Anfang April 1947 geschlossen, verfügten die Militärmissionen über einen diplomatenähnlichen Status; beispielsweise galt das Gelände, von dem aus sie operierten, als exterritorial. Während die drei westlichen ihren Standort in Potsdam hatten, saßen die Sowjets in Frankfurt am Main, Baden-Baden und Bünde. Ihre Aufgaben bestanden in der Informationsbeschaffung über Truppenstärken und -bewegungen, der Beobachtung von Armeestandorten und militärischen Übungen, Radaranlagen und Raketenstationen und anderem mehr.

Die ursprünglich intendierte Zusammenarbeit war mit Beginn der fünfziger Jahre längst einem zähen Kleinkrieg gewichen, der für die Beteiligten keineswegs gefahrlos gewesen ist. Bis in die Mitte der achtziger Jahre hinein ist es immer wieder zu schweren Zwischenfällen gekommen, teilweise mit Todesfolge. Sie konnten zwischen Ost und West oft nur mit Mühe beigelegt werden, ohne daß die ehemaligen Alliierten jedoch auf ihre mobilen Periskope im jeweiligen "Feindesland" verzichten wollten - zumindest darin waren sich Amerikaner, Briten, Franzosen und Sowjets völlig einig. Die SED-Führung mischte dabei kräftig mit. Nach einem minutiös ausgearbeiteten Plan des Staatssicherheitsdienstes beispielsweise rammten Fahrzeuge der NVA einen Pkw der französischen Militärmission derart, daß der Fahrer ums Leben kam. Das geschah am 22. März 1984. Solche Unfälle, häufig ganz bewußt provoziert, um die Arbeit der Militärmissionen in der DDR zu behindern, stellten eher die Regel dar; auch sowjetische Einheiten neigten zu Überreaktionen. Gleichwohl gelang es den Missionen, bis zu 95 Prozent der auf dem Territorium der DDR befindlichen militärischen Einrichtungen fotografisch zu dokumentieren.

Naturgemäß waren der DDR-Spitze solche Aktivitäten ein Dorn im Auge. Bei solchen Vorfällen suchte sie deshalb wiederholt ihre staatliche Souveränität herauszukehren. Im Sommer 1958 verflog sich ein amerikanischer Hubschrauber wegen schlechten Wetters in die DDR und mußte notlanden. Obwohl die Rückführung der Besatzung und die Bergung des Helikopters eigentlich ausschließlich Sache der Militärs war, schaltete sich mit stillschweigender Billigung der Sowjets das Ost-Berliner Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten ein, um Verhandlungen des "souveränen Staates DDR" mit den Vereinigten Staaten zu erzwingen. Das jedoch verweigerte Washington. Schließlich wurde die Angelegenheit über das Internationale Rote Kreuz nach fünfwöchigem Tauziehen bereinigt, der Testfall hatte nicht funktioniert.

Trotz verbaler sowjetischer Unterstützung gelang es der DDR nie, die "Beseitigung der Überreste des Zweiten Weltkrieges", womit auch die Präsenz der westlichen Militärmissionen gemeint war, durchzusetzen. Ihren Schutz und damit auch ihre Weiterexistenz verdankten sie dem übergeordneten Interesse der Sowjetunion. Moskau wollte auch nach dem Mauerbau auf die Möglichkeiten der eigenen Militärmissionen in der Bundesrepublik nicht verzichten. Dahinter stand jedoch wesentlich mehr als nur militärisches Interesse. Die Sowjetunion war nicht gewillt, die ihr zustehenden Rechte aus der nach 1945 resultierenden Viermächteverantwortung für ganz Deutschland aufzugeben. Dem hatte sich die SED-Führung zähneknirschend zu fügen.

Die auch für die Bundesrepublik bis zum 3. Oktober 1990 geltenden völkerrechtlichen Ansprüche der Westalliierten werden in dieser Mikrostudie zur Praxis des Kalten Krieges gut zum Ausdruck gebracht. Sie baut angesichts der hohen Geheimhaltungsstufe der Missionen auf einem Mosaik kleiner Informationssplitter auf, die aus einer Vielzahl von Archiven mühsam zusammengetragen werden mußten. Russische Archive für entsprechende sowjetische Akten blieben allerdings verschlossen. Offensichtlich ist der Kalte Krieg immer noch nicht ganz zu Ende.

GÜNTHER HEYDEMANN

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der mit "hau" zeichnende Rezensent bespricht eine interessante Veröffentlichung der deutschen Historikerin Mußgnug. Es geht darin um die Berliner Militärmissionen nach 1945, die teils als Vorgänger diplomatischer Vertretungen gewertet werden könnten, teils aber auch "legalisierte Spionage" betrieben hätten. Durch den Zusammenbruch der DDR, so der Rezensent, sei der Historikerin ein tieferer Einblick in die Tätigkeiten dieser Missionen möglich geworden, da ihr nun die Aktenbestände vor allem der Staatssicherheit zur Verfügung standen. Allerdings sei eine wirklich befriedigende Aufarbeitung der Thematik nach wie vor nicht möglich, da es nach wie vor keinen freien Zugang zu den sowjetischen Archiven gebe.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Dorothee Mußgnug legt hiermit die erste kohärente wissenschaftliche Studie über die Geschichte der alliierten Militärkommissionen in Deutschland von 1946-1990 vor. [...] Die vorliegende Publikation dürfte bis zu einer wesentlichen Verbesserung der Quellensituation den Stellenwert eines Referenzwerkes einnehmen. Dies resultiert einerseits aus der Breite und Tiefe des ausgewerteten Materials und andererseits aus den Fragestellungen, die bei aller Komplexität des Themas den Überblick bewahren.«
Lutz Neumann, in: H-Net Reviews in the Humanities & Social Sciences, Juni 2002

»[Dorothee Mußgnug] gelingt es [...] in anschaulicher Weise, bisher wenig bekannte verfassungsrechtliche sowie innen- und außenpolitisch relevante gesamtdeutsche Aspekte am Beispiel der Tätigkeit der allierten Militärmissionen in Deutschland transparent zu machen.«
Gunter Holzweißig, in: Das Parlament, 41-42/2001