Am Allmendpfad liegen die Äcker, die die Eltern für Luzie gekauft haben, und plötzlich zieht es sie mit Macht zurück... Kann man auf dem Land, kann man vom Land heute noch leben? Kann man davon erzählen?
In einem Roman, der sich über drei Generationen erstreckt, erzählt Claudia Koppert bildhaft und zugleich sehr realistisch von einer Welt, die wir zu sehen verlernt haben, und dem Versuch, sie sich auf neue Art zurückzuholen.
Obwohl Luzie schon längst in der Stadt ist, weit weg vom Feld, von den Äckern, auf denen die Familie seit Generationen Gemüse anbaut, zieht es sie plötzlich zurück. Die Bilder von früher, die Erinnerungen sind wieder da: an Oma Babette, die - Sich regen bringt Segen - für jede Lebenslage ein Sprichwort wusste. An die Bohnenernte im lichtgesprenkelten Dämmergrün, bei der die sonst so wortkargen Erwachsenen sich plötzlich Geschichten erzählten. An die gemeinschaftliche Arbeit und die Sorgfalt und Geduld, ohne die nichts wächst. Aber auch an den zermürbenden Kampf der Eltern, mit den modernen Zeiten Schritt zu halten, an das aschfahle Gesicht des Vaters, als er mit dem Traktor über seine sorgfältig geernteten 1A-Tomaten fahren sollte: Marktbereinigung.
Aber nichts und niemand sollte einen dazu bringen, etwas aufzugeben, bloß weil abzusehen ist, dass es verschwinden wird. Und deshalb ist sich Luzie auch plötzlich ganz sicher, dass ihr Platz nicht in der Stadt ist, nicht in dem erlernten Beruf. Dass sie das Erbe der Eltern annehmen wird, auf ihre Weise. Sie wird es selbst versuchen auf dem Land. Auch wenn sie dort alle über ihre Öko-Flausen lächeln und die Eltern die letzten sind, die sie verstehen werden. In stimmungsvollen Bildern und zugleich ganz ungeschönt erzählt Claudia Koppert von einer verschwindenden Welt und dem Versuch, sie sich auf neue Art zurückzuholen. Vom Land, wie wir es alle kennen und doch zu sehen verlernt haben.
In einem Roman, der sich über drei Generationen erstreckt, erzählt Claudia Koppert bildhaft und zugleich sehr realistisch von einer Welt, die wir zu sehen verlernt haben, und dem Versuch, sie sich auf neue Art zurückzuholen.
Obwohl Luzie schon längst in der Stadt ist, weit weg vom Feld, von den Äckern, auf denen die Familie seit Generationen Gemüse anbaut, zieht es sie plötzlich zurück. Die Bilder von früher, die Erinnerungen sind wieder da: an Oma Babette, die - Sich regen bringt Segen - für jede Lebenslage ein Sprichwort wusste. An die Bohnenernte im lichtgesprenkelten Dämmergrün, bei der die sonst so wortkargen Erwachsenen sich plötzlich Geschichten erzählten. An die gemeinschaftliche Arbeit und die Sorgfalt und Geduld, ohne die nichts wächst. Aber auch an den zermürbenden Kampf der Eltern, mit den modernen Zeiten Schritt zu halten, an das aschfahle Gesicht des Vaters, als er mit dem Traktor über seine sorgfältig geernteten 1A-Tomaten fahren sollte: Marktbereinigung.
Aber nichts und niemand sollte einen dazu bringen, etwas aufzugeben, bloß weil abzusehen ist, dass es verschwinden wird. Und deshalb ist sich Luzie auch plötzlich ganz sicher, dass ihr Platz nicht in der Stadt ist, nicht in dem erlernten Beruf. Dass sie das Erbe der Eltern annehmen wird, auf ihre Weise. Sie wird es selbst versuchen auf dem Land. Auch wenn sie dort alle über ihre Öko-Flausen lächeln und die Eltern die letzten sind, die sie verstehen werden. In stimmungsvollen Bildern und zugleich ganz ungeschönt erzählt Claudia Koppert von einer verschwindenden Welt und dem Versuch, sie sich auf neue Art zurückzuholen. Vom Land, wie wir es alle kennen und doch zu sehen verlernt haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2003Düngemittel, nein danke
Anbaugebiet ökologische Schreibweise: Claudia Kopperts Acker
Alte Obstbäume und Salatköpfe, Tomaten und Stangenbohnen, und mittendrin wir, ackerscheue Städter, versunken in das Grün und Rot und Braun. Wir wissen nun wieder, woher die Tomaten kullern, wenn sie bei uns auf dem Tisch landen, woher der Salat geflogen kommt, wenn er in unserer Schüssel landet, wie es dort draußen im Feld zugeht, auf dem die Krähen hocken und über das die Wolken und Flugzeuge ziehen und wo Menschen, die wir nicht kennen, sich den Rücken krumm bücken, sich die Hände schwielig zwacken und kneten. Wir haben Claudia Kopperts Roman "Allmendpfad" gelesen.
Sobald wir an einem Feld spazierengehen und einer jungen Frau, die dort in der Erde zu Hause ist, ansichtig werden, werden wir an Luzie denken, die Heldin. Schon Luzies Eltern haben sich in den Ackerfurchen den Rücken krumm und die Hände schwielig geschuftet, weil der Markt immer härter wurde. Luzie zieht nach der Schule weg und macht eine Ausbildung als Archivarin, trifft sich abends mit anderen jungen Leuten in Dritte-Welt-Läden und diskutiert über Pflanzenschutzmittel. Schließlich flieht sie vor dem Büroalltagseinerlei, geht zurück ins elterliche Feld, wagt mit zwei Freunden einen ökologischen Gemüseanbau und setzt zwei Kinder in die Ackerbauwelt, die jetzt nicht mehr die alte ist, ja nicht mehr die alte gewesen war, als sie noch die alte hätte sein können. Luzie kennt Sprüche wie "Man kann nie wissen, wie die Hühner pissen", was man immer gebrauchen kann. Sie kennt Wörter wie "verschaffen", was so viel heißt wie: etwas durch heftiges Arbeiten aus der Welt schaffen, zum Beispiel die Verzweiflung, die Ackersleute überfallen kann.
Claudia Koppert pflegt eine ökologische Schreibweise: Die Sätze sollen naturbelassen herb sein, wie die wenigen Sätze auf dem Land nun einmal sind. Ohne künstliche Düngemittel wachsen sie bei ihr kurz, bündig, knackig aus dem Acker der kargen Ansichten und wenigen Handlungen heraus wie Feldsalat. Die Geschichte von Luzie wühlt sich nicht in den Acker hinein. Sie bleibt trocken am Boden hocken. Claudia Koppert erzählt von Menschen auf dem Feld, so wie Menschen, die einmal auf dem Feld waren und prompt denken: Genau, darüber müßte man wirklich einmal schreiben, von Menschen, die immer auf dem Feld sind, erzählen: flach wie ein Backblechapfelstreuselkuchen. Die fahren immer raus auf den Acker, arbeiten emsig und sechzehn Stunden lang, auch wenn es regnet, und fahren wieder nach Hause zurück. Jeden Tag geht das so, außer sonntags.
Gerade am Sonntag hätten die Ackersleute Zeit, einen Roman über den Acker zu lesen. Claudia Kopperts Roman werden sie wohl nicht lesen. Den werden wahrscheinlich die Leute lesen, die beim Tomateneinkaufen im Reformhaus die rot und gesund lächelnde Bodenfrucht in ihren Händen wiegen und mit der Tomate in der Hand ihre Sehnsucht nach dem naturbezogenen Leben, das auch im Wochenendhäuschen beim Einmachen von Marmelade und beim Feldweggang am Abend nicht in Erfüllung geht. Dort werden sie, im Sessel im Garten lümmelnd und mit einem grashalmweichen Blick den fernen fremden Acker herzend, den Roman "Allmendpfad" aus der Tasche angeln, mit Luzie aus deutschen Landen durch den ökologischen Anbau ziehen und auf Bodenhaftung gehen. Uns aber wird es dort, wo der Dialekt die Region markiert, aus der die Erfahrungskrümel der einfachen Leute, jung wie alt, gebuddelt werden, rasch zu eng.
EBERHARD RATHGEB.
Claudia Koppert: "Allmendpfad". Roman. Verlag Antje Kunstmann, München 2003. 197 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anbaugebiet ökologische Schreibweise: Claudia Kopperts Acker
Alte Obstbäume und Salatköpfe, Tomaten und Stangenbohnen, und mittendrin wir, ackerscheue Städter, versunken in das Grün und Rot und Braun. Wir wissen nun wieder, woher die Tomaten kullern, wenn sie bei uns auf dem Tisch landen, woher der Salat geflogen kommt, wenn er in unserer Schüssel landet, wie es dort draußen im Feld zugeht, auf dem die Krähen hocken und über das die Wolken und Flugzeuge ziehen und wo Menschen, die wir nicht kennen, sich den Rücken krumm bücken, sich die Hände schwielig zwacken und kneten. Wir haben Claudia Kopperts Roman "Allmendpfad" gelesen.
Sobald wir an einem Feld spazierengehen und einer jungen Frau, die dort in der Erde zu Hause ist, ansichtig werden, werden wir an Luzie denken, die Heldin. Schon Luzies Eltern haben sich in den Ackerfurchen den Rücken krumm und die Hände schwielig geschuftet, weil der Markt immer härter wurde. Luzie zieht nach der Schule weg und macht eine Ausbildung als Archivarin, trifft sich abends mit anderen jungen Leuten in Dritte-Welt-Läden und diskutiert über Pflanzenschutzmittel. Schließlich flieht sie vor dem Büroalltagseinerlei, geht zurück ins elterliche Feld, wagt mit zwei Freunden einen ökologischen Gemüseanbau und setzt zwei Kinder in die Ackerbauwelt, die jetzt nicht mehr die alte ist, ja nicht mehr die alte gewesen war, als sie noch die alte hätte sein können. Luzie kennt Sprüche wie "Man kann nie wissen, wie die Hühner pissen", was man immer gebrauchen kann. Sie kennt Wörter wie "verschaffen", was so viel heißt wie: etwas durch heftiges Arbeiten aus der Welt schaffen, zum Beispiel die Verzweiflung, die Ackersleute überfallen kann.
Claudia Koppert pflegt eine ökologische Schreibweise: Die Sätze sollen naturbelassen herb sein, wie die wenigen Sätze auf dem Land nun einmal sind. Ohne künstliche Düngemittel wachsen sie bei ihr kurz, bündig, knackig aus dem Acker der kargen Ansichten und wenigen Handlungen heraus wie Feldsalat. Die Geschichte von Luzie wühlt sich nicht in den Acker hinein. Sie bleibt trocken am Boden hocken. Claudia Koppert erzählt von Menschen auf dem Feld, so wie Menschen, die einmal auf dem Feld waren und prompt denken: Genau, darüber müßte man wirklich einmal schreiben, von Menschen, die immer auf dem Feld sind, erzählen: flach wie ein Backblechapfelstreuselkuchen. Die fahren immer raus auf den Acker, arbeiten emsig und sechzehn Stunden lang, auch wenn es regnet, und fahren wieder nach Hause zurück. Jeden Tag geht das so, außer sonntags.
Gerade am Sonntag hätten die Ackersleute Zeit, einen Roman über den Acker zu lesen. Claudia Kopperts Roman werden sie wohl nicht lesen. Den werden wahrscheinlich die Leute lesen, die beim Tomateneinkaufen im Reformhaus die rot und gesund lächelnde Bodenfrucht in ihren Händen wiegen und mit der Tomate in der Hand ihre Sehnsucht nach dem naturbezogenen Leben, das auch im Wochenendhäuschen beim Einmachen von Marmelade und beim Feldweggang am Abend nicht in Erfüllung geht. Dort werden sie, im Sessel im Garten lümmelnd und mit einem grashalmweichen Blick den fernen fremden Acker herzend, den Roman "Allmendpfad" aus der Tasche angeln, mit Luzie aus deutschen Landen durch den ökologischen Anbau ziehen und auf Bodenhaftung gehen. Uns aber wird es dort, wo der Dialekt die Region markiert, aus der die Erfahrungskrümel der einfachen Leute, jung wie alt, gebuddelt werden, rasch zu eng.
EBERHARD RATHGEB.
Claudia Koppert: "Allmendpfad". Roman. Verlag Antje Kunstmann, München 2003. 197 S., geb., 18,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Zurück zu den Wurzeln des guten Lebens ist die Botschaft von Claudia Kopperts Buch, und das scheint Susanne Messmer erheblich zu nerven, ebenso wie die morgens bis abends in Vesperbrot und Schuppenromantik schwelgenden, plattdeutsch redenden Menschen. Bei all dem "Postkartenkitsch" schmeißt die Protagonistin auch folgerichtig am Ende ihr angepasstes Leben in der Stadt hin und macht eine ökologische Gärtnerei auf dem Land auf. Da hat sie dann ihre "verlorene Idylle" wieder, in die nur ab und zu noch die Wirklichkeit in Form von Joggern an ihr vorbeihuscht. Hier erkennt die indignierte Messmer eindeutig die "manierierten Sehnsüchte einer Verkäuferin im Reformhaus".
© Perlentaucher Medien GmbH
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