Nierentisch, Boschkühlschrank, Mädchen im Pettycoat, VW-Käfer und erster Urlaub in Italien - das sind die Symbole des zum Wunder verklärten Wirtschaftsbooms der 50er Jahre in Westdeutschland. Doch die sogenannten goldenen Fünfziger stellten sich längst nicht überall so wunderbar dar; und sie ließen besonders in den Arbeiterquartieren der Republik auf sich warten. Von der versprochenen Wohlstandsgesellschaft war hier lange Zeit nichts zu spüren, im Gegenteil: Mangelwirtschaft, Improvisation und einfachste Verhältnisse prägten den Alltag und sorgten für zum Teil recht unkonventionelle Rollenverteilungen. Die Bremer Historikerin Renate Meyer-Braun hat Werftarbeiterfamilien aus dem Bremer Stadtteil Gröpelingen zum Alltag in den 50er Jahren befragt. Hier hatte sich seit der Jahrhundertwende mit dem Bau der Großwerft A.G. Weser eine große, durchweg von Arbeitern geprägte Vorstadt entwickelt. Die Interviews haben Erstaunliches zutage gefördert: In den miefig-muffigen 50er Jahren arbeiteten Frauen als Schweißerinnen und Kranfahrerinnen auf der Werft, lebten Arbeiterfamilien und Jugendliche nach eigenen, recht libertären Moralvorstellungen und nahmen Väter, entgegen dem üblichen Bild, ihre Rolle oft erstaunlich liebenswert und intensiv war. Auf der Grundlage persönlicher Gespräche und vieler Fotos aus privaten Alben läßt dieses Buch der Erzähllust und dem Erinnerungsvermögen von Zeitzeugen freien Lauf und gewährt dem Leser einen lebendigen Eindruck in die Wirklichkeit der Arbeitervorstädte in der noch vom Krieg gezeichneten jungen Bundesrepublik.