Aus Glaubensgründen widersetzt sich ein Mann der Nazidiktatur - und überlebt sie in der Psychiatrie. Mitte der dreißiger Jahre gerät ein Tübinger Sparkassenbuchhalter in eine schwere innere Krise: Er kann den von ihm geforderten Eid auf den "Führer" nicht mit seiner Religion vereinbaren. In seiner Not wendet er sich an Adolf Hitler persönlich.
Kreuz oder Hakenkreuz? Mit dieser existenziellen Frage sieht sich der 22-jährige Theodor Roller konfrontiert. Sie treibt ihn zu einer lebensgefährlichen Aktion: Er richtet mehrere Briefe an den "Führer", die im Ton immer schärfer werden, bis Roller seinen Adressaten offen angreift und ihn einen Lügner nennt, "den größten Volksschädling, der je deutschen Boden betrat". Wer so etwas tut, muss verrückt sein, jedenfalls nach der Logik des NS-Systems. Und so wird Roller in eine Anstalt eingewiesen, in der er sechs Jahre seines Lebens verbringt ... Aus Aktenmaterial, Gesprächen mit Theodor Roller, der im Herbst 2008 mit 93 Jahren verstarb, und dessen Briefen an die Mutter, eine überzeugte Nationalsozialistin, rekonstruiert der Autor die Geschichte eines Mannes, der den möglichen Tod in Kauf nahm, um seinem Glauben treu bleiben zu können.
Kreuz oder Hakenkreuz? Mit dieser existenziellen Frage sieht sich der 22-jährige Theodor Roller konfrontiert. Sie treibt ihn zu einer lebensgefährlichen Aktion: Er richtet mehrere Briefe an den "Führer", die im Ton immer schärfer werden, bis Roller seinen Adressaten offen angreift und ihn einen Lügner nennt, "den größten Volksschädling, der je deutschen Boden betrat". Wer so etwas tut, muss verrückt sein, jedenfalls nach der Logik des NS-Systems. Und so wird Roller in eine Anstalt eingewiesen, in der er sechs Jahre seines Lebens verbringt ... Aus Aktenmaterial, Gesprächen mit Theodor Roller, der im Herbst 2008 mit 93 Jahren verstarb, und dessen Briefen an die Mutter, eine überzeugte Nationalsozialistin, rekonstruiert der Autor die Geschichte eines Mannes, der den möglichen Tod in Kauf nahm, um seinem Glauben treu bleiben zu können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2010Unbeugsam
Briefe gegen Adolf Hitler
Am 18. März 1939 verhaftete die Gestapo den Sparkassenangestellten Theodor Roller. Der 24 Jahre alte Tübinger hatte den "Führer und Reichskanzler" in einem an Hitler persönlich gerichteten Brief als "Lügner" bezeichnet. Bereits 1937 hatte er als Wehrpflichtiger den Fahneneid verweigert; "absoluten Gehorsam", wie ihn die Eidesformel damals forderte, schulde ein Christ nur Gott, so seine tiefe Überzeugung. Dabei war Roller kein politischer Gegner des Nationalsozialismus. 1930 schloss er sich der Hitlerjugend an, brachte es bis zum Scharführer. Er erwartete von den Nationalsozialisten eine Verbesserung der Lebensverhältnisse, blieb aber pietistisch geprägter evangelischer Christ. Nach der "Machtergreifung" nahm er einen zunehmenden Widerspruch zwischen dem NSDAP-Parteiprogramm und der Herrschaftspraxis gegenüber dem Christentum wahr. Er wollte von Hitler eine gültige Auskunft darüber erhalten, ob die Religionsfreiheit gesichert sei. Als der ihm nicht antwortete, wurden Rollers Briefe immer aggressiver. Das Regime verlangte jedoch bedingungslose Unterwerfung. Obwohl der Gerichtsgutachter ihn für zurechnungsfähig erklärte, wies ihn das Sondergericht Stuttgart in eine Heilanstalt ein. Mit Gottvertrauen und Beharrlichkeit blieb Roller bei seiner Überzeugung. Für ihn war es Gottes schützende Hand, die ihn vor einem schlimmeren Schicksal bewahrte. Nach Kriegsende erreichte er seine Entlassung und Rehabilitierung. Mit dem neuen Staat kam er bis zu seinem Tod 2008 nie in ernsthaften Konflikt. Hans-Joachim Lang beschreibt die Lebensgeschichte anschaulich und legt das Zusammenspiel von Staatsmacht, Sondergerichten und psychiatrischen Heilanstalten bei der "Beseitigung" unbeugsamer Menschen in Südwestdeutschland offen.
KLAUS A. LANKHEIT
Hans-Joachim Lang: "Als Christ nenne ich Sie einen Lügner". Theodor Rollers Aufbegehren gegen Hitler. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2009. 240 S., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Briefe gegen Adolf Hitler
Am 18. März 1939 verhaftete die Gestapo den Sparkassenangestellten Theodor Roller. Der 24 Jahre alte Tübinger hatte den "Führer und Reichskanzler" in einem an Hitler persönlich gerichteten Brief als "Lügner" bezeichnet. Bereits 1937 hatte er als Wehrpflichtiger den Fahneneid verweigert; "absoluten Gehorsam", wie ihn die Eidesformel damals forderte, schulde ein Christ nur Gott, so seine tiefe Überzeugung. Dabei war Roller kein politischer Gegner des Nationalsozialismus. 1930 schloss er sich der Hitlerjugend an, brachte es bis zum Scharführer. Er erwartete von den Nationalsozialisten eine Verbesserung der Lebensverhältnisse, blieb aber pietistisch geprägter evangelischer Christ. Nach der "Machtergreifung" nahm er einen zunehmenden Widerspruch zwischen dem NSDAP-Parteiprogramm und der Herrschaftspraxis gegenüber dem Christentum wahr. Er wollte von Hitler eine gültige Auskunft darüber erhalten, ob die Religionsfreiheit gesichert sei. Als der ihm nicht antwortete, wurden Rollers Briefe immer aggressiver. Das Regime verlangte jedoch bedingungslose Unterwerfung. Obwohl der Gerichtsgutachter ihn für zurechnungsfähig erklärte, wies ihn das Sondergericht Stuttgart in eine Heilanstalt ein. Mit Gottvertrauen und Beharrlichkeit blieb Roller bei seiner Überzeugung. Für ihn war es Gottes schützende Hand, die ihn vor einem schlimmeren Schicksal bewahrte. Nach Kriegsende erreichte er seine Entlassung und Rehabilitierung. Mit dem neuen Staat kam er bis zu seinem Tod 2008 nie in ernsthaften Konflikt. Hans-Joachim Lang beschreibt die Lebensgeschichte anschaulich und legt das Zusammenspiel von Staatsmacht, Sondergerichten und psychiatrischen Heilanstalten bei der "Beseitigung" unbeugsamer Menschen in Südwestdeutschland offen.
KLAUS A. LANKHEIT
Hans-Joachim Lang: "Als Christ nenne ich Sie einen Lügner". Theodor Rollers Aufbegehren gegen Hitler. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2009. 240 S., 22,- [Euro].
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