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Produktdetails
  • Ullstein Taschenbuch
  • Verlag: Ullstein TB
  • Gewicht: 225g
  • ISBN-13: 9783548357720
  • Artikelnr.: 25056794
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.1997

Der Ball ist bunt
Sepp Herbergers Biographie: Wortgetümmel im Strafraum

Biographen sind immer in einem Dilemma. Einerseits müssen sie sich an die ihnen bekannten faktischen Gegebenheiten halten und dürfen dem Gegenstand ihres Werkes nicht so viel Leben einhauchen, daß er von der historischen Gestalt zur fiktionalen Figur wird; andererseits müssen sie sich an die Fiktion eines in sich stimmigen Lebensberichtes wagen, um die Person plastisch werden zu lassen.

Lothar Mikos und Harry Nutt wollen "einen Beitrag zur Dechiffrierung eines Mythos der 50er Jahre" leisten: "Die Legende Herberger lebt schon zu lange vom Glauben, der Ball sei rund. Ein Fußball ist aus verschiedenen Lederstücken zusammengenäht. Er rollt, aber er hat keine glatte Oberfläche." So richtig kugelrund ist allerdings schon diese Bilddemontage nicht, das Buch insgesamt ist dann sogar ziemlich holprig geraten.

Denn die Autoren vermögen sich weder aus den dokumentarischen Zwängen biographischer Pflichten zu lösen, noch können sie die Lebensgeschichte ihres Subjekts substantiell erhellen. So werden dann die politischen Verhältnisse dieses Jahrhunderts über weite Strecken ausgespart, dafür aber über viele Seiten Mannschaftsaufstellungen und Spielverläufe aufgelistet. Sozio-kulturelle Ausflüge beschränken sich häufig auf Banalitäten - etwa daß sich der kleine Seppl Herberger keine Eintrittskarten für Fußballspiele leisten konnte, "denn für solche Vergnügungen fehlte in der Haushaltskasse das nötige Kleingeld".

Anstelle einer Annäherung an die Persönlichkeit der Fußballegende wird das Klischee vom Sohn "ganz armer Leit'", für den der Fußball der Weg nach oben war, gründlich breitgetreten. Die Phrasendrescherei ("ohne Fleiß kein Preis, sagt das Sprichwort, aber mit bloßer Pflichterfüllung ist es selten getan") nimmt so aberwitzige Züge an, daß man sich fragt, ob die Autoren von der Stilblütensammlung "Dummdeutsch" von Eckhard Henscheid inspiriert wurden, dessen Nachwort zu Mikos' und Nutts Buch immerhin den Menschen Herberger wiederauferstehen läßt. Gelegentlich mag der Leser gar ein leises Echo von Herbergers kryptischen Äußerungen heraushören: "Seppl Herberger war klein von Wuchs - immerhin brachte er es später noch auf stolze 1,64 m." Oder: "Die Symbolfigur Herberger bezeugte, daß der gute Deutsche nicht nur ein schlechter Deutscher war."

Mit der angestrebten Dechiffrierung des Mythos ist es nicht weit her. Formulierungen wie "Herbergers bedingungslose Auffassung vom totalen Fußball" stehen unkommentiert im Raum. Die Hoffnung, daß solche Thesen erklärt werden mögen, verliert sich im Wortgetümmel: "Der Fußball kam aus einer traditionellen Gesellschaft, aber er war mit Volldampf unterwegs in die Moderne." Erst im Kapitel über den "Chef und die vaterlose Gesellschaft", in dem der in Bern errungene Weltmeisterschaftstitels in das Nachkriegs-Deutschland der fünfziger Jahre eingeordnet wird, zeigen sich Ansätze einer Analyse.

Den Autoren mag das Sepp-Herberger-Jubiläumsjahr 1997 im Nacken gesessen haben. Es scheint, als ob an einen einzigen gelungenen Essay hastig 150 Seiten biographische Pflichtübung angestrickt wurden. So überlebt der Mythos der Fußballnation Deutschland: Der Ball bleibt rund. ALEXANDER PAJEVIC

Lothar Mikos, Harry Nutt: "Als der Ball noch rund war". Sepp Herberger - ein deutsches Fußballeben. Mit einem Nachwort von Eckhard Henscheid. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1997. 220 S., 32 Abb., geb., 39,80 DM.

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