Das Leben ist schön in Rondo. Die Luft ist kristallklar, überall blühen Blumen, einige singen sogar! Die drei Freunde Danko, Zirka und Fabian möchten nirgendwo anders sein. Doch plötzlich geschieht Schreckliches: Der Krieg kommt in ihre kleine Stadt. Dunkel und bedrohlich, groß und überwältigend. Er bringt nichts als Zerstörung und nichts und niemand kann ihn aufhalten. Bis die drei Freunde eine geniale Entdeckung machen. Und die Dunkelheit dem Licht weicht.Eine Hommage an den Frieden, den Widerstand und die Hoffnung. Und eine Geschichte, die das Unerklärliche selbst für jüngere Kinder fassbar macht, Mut gibt und zeigt, dass wir immer etwas tun können - auch im Angesicht des Krieges.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Christine Knödler schaut sich vier Bilderbücher an, die versuchen, Kindern den Krieg zu erklären. Alle vier hält die Kritikerin für gelungen, sie muten allerdings Kindern einiges zu. Das ukrainische Künstlerpaar Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw erzählt ihr von den drei Freunden Danko, Fabian und Sirka, drei Fantasiewesen, die dem Krieg auf ganz eigene Weise trotzen: Zunächst bitten sie den Krieg, dargestellt durch eine plötzlich hereinbrechende Dunkelheit und rollende Panzer, einfach zu gehen, schließlich bewerfen sie ihn mit Steinen. Zu guter Letzt bauen sie eine Lichtmaschine, die Krieg und Finsternis vertreibt, resümiert die Kritikerin, die dem Werk auch Hoffnung verdankt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2022Wie man den Krieg vertreibt
"Als der Krieg nach Rondo kam" ist das Bilderbuch der Stunde. Dabei ist es sieben Jahre alt. Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw über ihr Werk, das gerade in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Die Kinder stellen die besten Fragen: Warum der Krieg überhaupt hierher gekommen sei, möchte eines wissen, als die ukrainischen Bilderbuchkünstler Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihr Bilderbuch "Als der Krieg nach Rondo kam" im Frankfurter Literaturhaus vorstellen. Das sei eine sehr gute Frage, antwortet Romana Romanyschyn lächelnd, und zugleich eine Frage, auf die es keine Antwort gebe: "Krieg kommt zu Orten, die damit nicht rechnen. Keiner weiß, warum, aber wenn er kommt, müssen alle sich schützen und aufeinander aufpassen."
Das Illustratorenpaar, das am heutigen Freitag mit seinem Sachbilderbuch "Sehen" in der engsten Auswahl für den Deutschen Jugendliteraturpreis steht, hat sich für seine Geschichte über den Krieg eine besondere Stadt ausgedacht: Die Luft ist hier "wie aus feinem Licht gesponnen", die Bewohner sind "einfallsreich und zart", sie sprechen mit Vögeln und Pflanzen, singen, malen und dichten. Bis der Krieg nach Rondo kommt, die hellen, freundlichen Farben des Buchs dunklen Grautönen weichen, die schwungvoll-verspielte Grafik zackigen, kratzigen Strukturen. Die drei Hauptfiguren des Buchs, ein durchscheinendes Wesen, das an eine Glühbirne erinnert, ein wie aus Luftballonschlangen geformter Hund und ein Origami-Vogel, nehmen Schaden, die Stadt nimmt Schaden. Die Blumen, deren Gewächshaus zugleich ein Konzerthaus ist, weil sie singen können, verkümmern in der Dunkelheit des Krieges.
Gerade ist das Buch in deutscher Übersetzung im Gerstenberg Verlag erschienen. Im ukrainischen Original haben Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw "Als der Krieg nach Rondo kam" schon vor mehr als sieben Jahren veröffentlicht, unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim, der Kämpfe im Donbass. Auch die Gewalt gegen die Demonstranten auf dem Maidan in Kiew findet ihren Widerhall in diesem Buch. Sie hätten damals gemerkt, erzählen sie im Frankfurt Literaturhaus, wie schwierig es für Eltern ist, mit ihren Kindern über den Krieg zu sprechen. Und wie wichtig. Zwei Auflagen hatte das Bilderbuch in der Ukraine seitdem, danach war es vergriffen. Dann, Ende Februar 2022, begann der Krieg sich auszuweiten.
"Unser Verlag hat viele Anfragen bekommen", erzählt Andrij Lessiw im Gespräch nach der Veranstaltung: Viele Leser von damals mit jüngeren Geschwistern haben sich an das Buch erinnert, manche haben es bei Alarm mit in die Luftschutzräume genommen, andere haben es dort gesehen und wollten es auch für sich haben. Als echtes, gedrucktes Buch, betont der Künstler: In Zeiten der Empfindlichkeit, der Verunsicherung gibt ein Buch, das sich berühren lässt, anders Halt als ein Tablet.
"Wir haben uns gefragt, ob wir etwas ändern sollen in dem Buch", sagt Romana Romanyschyn. Aber das sehr einfache Bild der drei Freunde, die merken, dass Licht nicht nur den Blumen guttut, sondern selbst den Krieg vertreibt, trägt immer noch. Es gibt kein Blut in diesem Buch, keinen Tod, keinen lebendigen Feind: Der Krieg, so gewaltig, so zerstörerisch Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihn auch zeigen, bleibt etwas Abstraktes.
Zusammen mit vielen anderen Bewohnern Rondos bauen die drei Freunde eine große Lichtmaschine, mit der sie den Krieg, die Dunkelheit vertreiben: "Das war der Sieg!", heißt es im Buch. Sie seien sich lange nicht sicher gewesen, ob das Wort in einem Bilderbuch gut aufgehoben sei, erzählt Romana Romanyschyn. Doch der im Februar begonnene Angriff Russlands habe die beiden Künstler überzeugt: Auch für die Opfer eines Überfalls geht es um den Sieg.
Damit, "dem Krieg in seiner Sprache zu antworten", können sie ihn zwar nicht stoppen, stellen die drei Freunde im Buch fest. Und ins Herz treffen können sie ihn auch nicht, "denn der Krieg hatte kein Herz". Doch auch mit Hoffnung kann ein Sieg errungen werden. Vielleicht auch: nur mit Hoffnung. "Die Kinder bei uns in der Ukraine kennen die Realität des Krieges", sagt Andrij Lessiw. Auch fernab der Front sehen sie ihn im Fernsehen oder in Smartphone-Videos. Diesen brutalen Bildern wollten die beiden Illustratoren ein eigenes - wie sie sagen - visuelles Narrativ entgegensetzen: eine Bedrohung, deren Anblick Kinder ertragen können.
Was ist Kindern zumutbar? Was muss ihnen vielleicht sogar gezeigt werden, um nicht unaufrichtig zu sein? In "Als der Krieg nach Rondo kam" bleiben die Stadt und ihre Bewohner gezeichnet: Brandränder finden sich auf den Papieren, aus denen Rondo in den Illustrationen des Buchs collagiert ist, Teile sind wie abgerissen und angenäht oder mit Klebefilm repariert. Den drei Freunden bleiben ihre Narben. Und die Mohnblumen der Stadt, die vor dem Krieg in vielen verschiedenen Farben blühten, sind jetzt rot: zur Erinnerung und als Warnung. Denn wiederkommen kann der Krieg jederzeit. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Als der Krieg nach Rondo kam" ist das Bilderbuch der Stunde. Dabei ist es sieben Jahre alt. Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw über ihr Werk, das gerade in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Die Kinder stellen die besten Fragen: Warum der Krieg überhaupt hierher gekommen sei, möchte eines wissen, als die ukrainischen Bilderbuchkünstler Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihr Bilderbuch "Als der Krieg nach Rondo kam" im Frankfurter Literaturhaus vorstellen. Das sei eine sehr gute Frage, antwortet Romana Romanyschyn lächelnd, und zugleich eine Frage, auf die es keine Antwort gebe: "Krieg kommt zu Orten, die damit nicht rechnen. Keiner weiß, warum, aber wenn er kommt, müssen alle sich schützen und aufeinander aufpassen."
Das Illustratorenpaar, das am heutigen Freitag mit seinem Sachbilderbuch "Sehen" in der engsten Auswahl für den Deutschen Jugendliteraturpreis steht, hat sich für seine Geschichte über den Krieg eine besondere Stadt ausgedacht: Die Luft ist hier "wie aus feinem Licht gesponnen", die Bewohner sind "einfallsreich und zart", sie sprechen mit Vögeln und Pflanzen, singen, malen und dichten. Bis der Krieg nach Rondo kommt, die hellen, freundlichen Farben des Buchs dunklen Grautönen weichen, die schwungvoll-verspielte Grafik zackigen, kratzigen Strukturen. Die drei Hauptfiguren des Buchs, ein durchscheinendes Wesen, das an eine Glühbirne erinnert, ein wie aus Luftballonschlangen geformter Hund und ein Origami-Vogel, nehmen Schaden, die Stadt nimmt Schaden. Die Blumen, deren Gewächshaus zugleich ein Konzerthaus ist, weil sie singen können, verkümmern in der Dunkelheit des Krieges.
Gerade ist das Buch in deutscher Übersetzung im Gerstenberg Verlag erschienen. Im ukrainischen Original haben Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw "Als der Krieg nach Rondo kam" schon vor mehr als sieben Jahren veröffentlicht, unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim, der Kämpfe im Donbass. Auch die Gewalt gegen die Demonstranten auf dem Maidan in Kiew findet ihren Widerhall in diesem Buch. Sie hätten damals gemerkt, erzählen sie im Frankfurt Literaturhaus, wie schwierig es für Eltern ist, mit ihren Kindern über den Krieg zu sprechen. Und wie wichtig. Zwei Auflagen hatte das Bilderbuch in der Ukraine seitdem, danach war es vergriffen. Dann, Ende Februar 2022, begann der Krieg sich auszuweiten.
"Unser Verlag hat viele Anfragen bekommen", erzählt Andrij Lessiw im Gespräch nach der Veranstaltung: Viele Leser von damals mit jüngeren Geschwistern haben sich an das Buch erinnert, manche haben es bei Alarm mit in die Luftschutzräume genommen, andere haben es dort gesehen und wollten es auch für sich haben. Als echtes, gedrucktes Buch, betont der Künstler: In Zeiten der Empfindlichkeit, der Verunsicherung gibt ein Buch, das sich berühren lässt, anders Halt als ein Tablet.
"Wir haben uns gefragt, ob wir etwas ändern sollen in dem Buch", sagt Romana Romanyschyn. Aber das sehr einfache Bild der drei Freunde, die merken, dass Licht nicht nur den Blumen guttut, sondern selbst den Krieg vertreibt, trägt immer noch. Es gibt kein Blut in diesem Buch, keinen Tod, keinen lebendigen Feind: Der Krieg, so gewaltig, so zerstörerisch Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihn auch zeigen, bleibt etwas Abstraktes.
Zusammen mit vielen anderen Bewohnern Rondos bauen die drei Freunde eine große Lichtmaschine, mit der sie den Krieg, die Dunkelheit vertreiben: "Das war der Sieg!", heißt es im Buch. Sie seien sich lange nicht sicher gewesen, ob das Wort in einem Bilderbuch gut aufgehoben sei, erzählt Romana Romanyschyn. Doch der im Februar begonnene Angriff Russlands habe die beiden Künstler überzeugt: Auch für die Opfer eines Überfalls geht es um den Sieg.
Damit, "dem Krieg in seiner Sprache zu antworten", können sie ihn zwar nicht stoppen, stellen die drei Freunde im Buch fest. Und ins Herz treffen können sie ihn auch nicht, "denn der Krieg hatte kein Herz". Doch auch mit Hoffnung kann ein Sieg errungen werden. Vielleicht auch: nur mit Hoffnung. "Die Kinder bei uns in der Ukraine kennen die Realität des Krieges", sagt Andrij Lessiw. Auch fernab der Front sehen sie ihn im Fernsehen oder in Smartphone-Videos. Diesen brutalen Bildern wollten die beiden Illustratoren ein eigenes - wie sie sagen - visuelles Narrativ entgegensetzen: eine Bedrohung, deren Anblick Kinder ertragen können.
Was ist Kindern zumutbar? Was muss ihnen vielleicht sogar gezeigt werden, um nicht unaufrichtig zu sein? In "Als der Krieg nach Rondo kam" bleiben die Stadt und ihre Bewohner gezeichnet: Brandränder finden sich auf den Papieren, aus denen Rondo in den Illustrationen des Buchs collagiert ist, Teile sind wie abgerissen und angenäht oder mit Klebefilm repariert. Den drei Freunden bleiben ihre Narben. Und die Mohnblumen der Stadt, die vor dem Krieg in vielen verschiedenen Farben blühten, sind jetzt rot: zur Erinnerung und als Warnung. Denn wiederkommen kann der Krieg jederzeit. FRIDTJOF KÜCHEMANN
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