Das Leben ist schön in Rondo. Die Luft ist kristallklar, überall blühen Blumen, einige singen sogar! Die drei Freunde Danko, Zirka und Fabian möchten nirgendwo anders sein. Doch plötzlich geschieht Schreckliches: Der Krieg kommt in ihre kleine Stadt. Dunkel und bedrohlich, groß und überwältigend. Er bringt nichts als Zerstörung und nichts und niemand kann ihn aufhalten. Bis die drei Freunde eine geniale Entdeckung machen. Und die Dunkelheit dem Licht weicht.Eine Hommage an den Frieden, den Widerstand und die Hoffnung. Und eine Geschichte, die das Unerklärliche selbst für jüngere Kinder fassbar macht, Mut gibt und zeigt, dass wir immer etwas tun können - auch im Angesicht des Krieges.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Christine Knödler schaut sich vier Bilderbücher an, die versuchen, Kindern den Krieg zu erklären. Alle vier hält die Kritikerin für gelungen, sie muten allerdings Kindern einiges zu. Das ukrainische Künstlerpaar Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw erzählt ihr von den drei Freunden Danko, Fabian und Sirka, drei Fantasiewesen, die dem Krieg auf ganz eigene Weise trotzen: Zunächst bitten sie den Krieg, dargestellt durch eine plötzlich hereinbrechende Dunkelheit und rollende Panzer, einfach zu gehen, schließlich bewerfen sie ihn mit Steinen. Zu guter Letzt bauen sie eine Lichtmaschine, die Krieg und Finsternis vertreibt, resümiert die Kritikerin, die dem Werk auch Hoffnung verdankt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2022Die Blumen
schweigen
Im Bilderbuch „Als der Krieg nach Rondo kam“
widmet sich ein ukrainisches Autorenpaar
fantasievoll dem schwierigen Thema
Und plötzlich wird es dunkel. Eben sangen noch die Blumen im Zentrum der Stadt, denn ja, das können sie an diesem Ort: Morgens, wenn die Sonne aufgeht, stimmen sie die Stadthymne an. Undjeden Abend kommen viele Besucher in das Gewächshaus, das sich dadurch fast in eine Art Konzertsaal verwandelt.
Dann erklingt das „Rondo“ von Mozart – was in gewisser Weise ja auch eine Art Hymne dieser Stadt ist. Denn Rondo, so heißt der Ort, an dem dieses Kinderbuch spielt.
Die Farben im Buch und in der Stadt sind so freundlich wie die Blumen. Beruhigendes Ocker und optimistisches Grün dominieren – zumindest auf den ersten zehn Seiten. Denn dann, es steht groß in Schwarz und Weiß auf grauem Grund, dann passiert es: „Der Krieg kommt in die Stadt.“ Collagierte Panzer fahren, Häuser brennen, die drei Helden des Buches, Danko (eine Art Glühbirnenfigur), Fabian (ein Luftballonhund) und Sirka (ein Papierfliegervogel) werden verletzt. Alles, was der Krieg berührt, verschwindet im undurchdringlichen Nebel, „noch schrecklicher aber war, dass der Krieg auf seinem Weg schwarze Blumen wachsen ließ, dürres, stacheliges Unkraut“. Die anderen Blumen singen nicht mehr. „Das war das Schlimmste.“
Die Stadt Rondo und ihre Bewohner (sie „waren einfallsreich und zart“) haben sich Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw einfallen lassen. Die beiden lernten sich an der Nationalen Akademie der Künste in Lwiw kennen, seither bilden sie beruflich und privat ein Paar, das international erfolgreiche Bücher für Kinder und Erwachsene textet und gestaltet, ein Buch zum Thema „Sehen“ etwa ist in diesem Jahr für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
„Als der Krieg nach Rondo kam“ wurde nun auf Deutsch verlegt, in der Ukraine erschien das Buch bereits 2015 – denn damals schon war der Krieg ins Land gekommen: auf die Halbinsel Krim, die 2014 von Russland besetzt wurde, und in die bald von Separatisten kontrollierten Regionen am Donbass. „Wir konnten nicht ruhig bleiben und mussten irgendwie reagieren“, sagt Romanyschyn in einem Interview. Denn Kinder stellen Fragen – auf die Erwachsene nicht immer eine Antwort wissen. Wieso Krieg ausbricht, zum Beispiel. Welchen Sinn Zerstörung ergibt. Warum Menschen leiden müssen.
In der Ukraine selbst wurden diese Fragen von Kindern in den vergangenen Jahren sicher öfter gestellt. Der Konflikt im Osten des Landes köchelte ja weiter, auch wenn sich die Menschen in Europa bald weniger für ihn interessierten. Die guckten in den folgenden Monaten eher in Richtung Syrien, wo grausame Schlachten um Städte geführt wurden und in der Folge Hunderttausende Menschen das Land verließen. Auch dazu stellten Kinder Fragen, die neben anderen etwa die Autorin Kirsten Boie zu beantworten versuchte, als sie in „Bestimmt wird alles gut“ (Klett, 2016) eine Fluchtgeschichte erzählte. Und Kindersachbücher wie „Wie ist es, wenn es Krieg gibt“ (Gabriel Verlag, 2019) versuchten, das schwierige Thema im Erklärstil einzuordnen.
Seit Wladimir Putins Russland im Februar den Überfall auf das Nachbarland befahl, steht auch hier die Ukraine wieder im Zentrum vieler Fragen an Eltern, Erzieher und Lehrer. Der Konflikt dominiert die Medien derart, dass die Berichterstattung auch die Kinder erreicht, in manchen Klassen sind neue Mitschüler angekommen, die vor ihm fliehen mussten. Bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg zeichnen Romanyschyn und Lessiw nun weder beispielhaftes Schicksal nach, noch wollen sie die grausamen Realitäten, die die Menschheit zu fabrizieren imstande ist, in einfachen Worten erklären. Sie verlegen die Handlung an einen imaginierten Ort, mit Fantasiewesen als Bewohner. „Das Buch handelt nicht von der Ukraine; es geht um Krieg als Volkskrankheit der Welt“, sagt Lessiw. Das macht den teils collagierten, teils illustrierten Band zum einen zeitlos – und zum anderen kommt die Geschichte von Rondo nie auch nur in die Nähe des Verdachts, unterschwellig zur patriotischen Erziehung beitragen (in der Ukraine) oder Unterstützung für die Kriegspartei sammeln zu wollen (im Ausland).
Der Papierfliegervogel, der Luftballonhund und die Glühlampenfigur versuchen alle, auf ihre Weise mit dem Krieg umzugehen, und scheitern zunächst. „Sie versuchten, mit dem Krieg zu reden, sie baten ihn, wieder zu gehen. Doch der Krieg beachtete sie nicht und rollte ungerührt weiter.“ Auch Versuche zurückzuschlagen, gehen fehl – „Danko meinte, man müsse ihn mitten ins Herz treffen, um ihn zu besiegen. Doch das hatte keinen Sinn, denn der Krieg hatte kein Herz“. Schließlich aber finden die drei selbst so verletzlichen Helden einen Weg, wieder Licht und Farbe zurück nach Rondo zu holen. Sie schaffen es zwar, die sinnlose Zerstörung zu beenden. Doch die drei bleiben als Versehrte zurück, gezeichnet vom Krieg. Kinder stellen Fragen. Und er und seine Partnerin wollten ehrlich sein und „sie nicht belügen, indem wir sagen, dass nach Kriegsende alles wieder so wird, wie es vorher war“, erklärt Lessiw. Anstelle der schwarzen Blumen des Krieges wächst in Rondo auf den letzten Seiten roter Mohn – seit dem Ersten Weltkrieg das Erinnerungssymbol für Gefallene.
MORITZ BAUMSTIEGER
„Sie versuchten,
mit dem Krieg
zu reden, sie baten ihn,
wieder zu gehen“
Romana Romanyschyn
und Andrij Lessiw:
Als der Krieg nach Rondo kam. Aus dem Ukrainischen
von Claudia Dathe
und Oksana Semenets.
Gerstenberg Verlag,
Hildesheim 2022.
40 Seiten, 16 Euro.
Ab 5 Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
schweigen
Im Bilderbuch „Als der Krieg nach Rondo kam“
widmet sich ein ukrainisches Autorenpaar
fantasievoll dem schwierigen Thema
Und plötzlich wird es dunkel. Eben sangen noch die Blumen im Zentrum der Stadt, denn ja, das können sie an diesem Ort: Morgens, wenn die Sonne aufgeht, stimmen sie die Stadthymne an. Undjeden Abend kommen viele Besucher in das Gewächshaus, das sich dadurch fast in eine Art Konzertsaal verwandelt.
Dann erklingt das „Rondo“ von Mozart – was in gewisser Weise ja auch eine Art Hymne dieser Stadt ist. Denn Rondo, so heißt der Ort, an dem dieses Kinderbuch spielt.
Die Farben im Buch und in der Stadt sind so freundlich wie die Blumen. Beruhigendes Ocker und optimistisches Grün dominieren – zumindest auf den ersten zehn Seiten. Denn dann, es steht groß in Schwarz und Weiß auf grauem Grund, dann passiert es: „Der Krieg kommt in die Stadt.“ Collagierte Panzer fahren, Häuser brennen, die drei Helden des Buches, Danko (eine Art Glühbirnenfigur), Fabian (ein Luftballonhund) und Sirka (ein Papierfliegervogel) werden verletzt. Alles, was der Krieg berührt, verschwindet im undurchdringlichen Nebel, „noch schrecklicher aber war, dass der Krieg auf seinem Weg schwarze Blumen wachsen ließ, dürres, stacheliges Unkraut“. Die anderen Blumen singen nicht mehr. „Das war das Schlimmste.“
Die Stadt Rondo und ihre Bewohner (sie „waren einfallsreich und zart“) haben sich Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw einfallen lassen. Die beiden lernten sich an der Nationalen Akademie der Künste in Lwiw kennen, seither bilden sie beruflich und privat ein Paar, das international erfolgreiche Bücher für Kinder und Erwachsene textet und gestaltet, ein Buch zum Thema „Sehen“ etwa ist in diesem Jahr für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
„Als der Krieg nach Rondo kam“ wurde nun auf Deutsch verlegt, in der Ukraine erschien das Buch bereits 2015 – denn damals schon war der Krieg ins Land gekommen: auf die Halbinsel Krim, die 2014 von Russland besetzt wurde, und in die bald von Separatisten kontrollierten Regionen am Donbass. „Wir konnten nicht ruhig bleiben und mussten irgendwie reagieren“, sagt Romanyschyn in einem Interview. Denn Kinder stellen Fragen – auf die Erwachsene nicht immer eine Antwort wissen. Wieso Krieg ausbricht, zum Beispiel. Welchen Sinn Zerstörung ergibt. Warum Menschen leiden müssen.
In der Ukraine selbst wurden diese Fragen von Kindern in den vergangenen Jahren sicher öfter gestellt. Der Konflikt im Osten des Landes köchelte ja weiter, auch wenn sich die Menschen in Europa bald weniger für ihn interessierten. Die guckten in den folgenden Monaten eher in Richtung Syrien, wo grausame Schlachten um Städte geführt wurden und in der Folge Hunderttausende Menschen das Land verließen. Auch dazu stellten Kinder Fragen, die neben anderen etwa die Autorin Kirsten Boie zu beantworten versuchte, als sie in „Bestimmt wird alles gut“ (Klett, 2016) eine Fluchtgeschichte erzählte. Und Kindersachbücher wie „Wie ist es, wenn es Krieg gibt“ (Gabriel Verlag, 2019) versuchten, das schwierige Thema im Erklärstil einzuordnen.
Seit Wladimir Putins Russland im Februar den Überfall auf das Nachbarland befahl, steht auch hier die Ukraine wieder im Zentrum vieler Fragen an Eltern, Erzieher und Lehrer. Der Konflikt dominiert die Medien derart, dass die Berichterstattung auch die Kinder erreicht, in manchen Klassen sind neue Mitschüler angekommen, die vor ihm fliehen mussten. Bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg zeichnen Romanyschyn und Lessiw nun weder beispielhaftes Schicksal nach, noch wollen sie die grausamen Realitäten, die die Menschheit zu fabrizieren imstande ist, in einfachen Worten erklären. Sie verlegen die Handlung an einen imaginierten Ort, mit Fantasiewesen als Bewohner. „Das Buch handelt nicht von der Ukraine; es geht um Krieg als Volkskrankheit der Welt“, sagt Lessiw. Das macht den teils collagierten, teils illustrierten Band zum einen zeitlos – und zum anderen kommt die Geschichte von Rondo nie auch nur in die Nähe des Verdachts, unterschwellig zur patriotischen Erziehung beitragen (in der Ukraine) oder Unterstützung für die Kriegspartei sammeln zu wollen (im Ausland).
Der Papierfliegervogel, der Luftballonhund und die Glühlampenfigur versuchen alle, auf ihre Weise mit dem Krieg umzugehen, und scheitern zunächst. „Sie versuchten, mit dem Krieg zu reden, sie baten ihn, wieder zu gehen. Doch der Krieg beachtete sie nicht und rollte ungerührt weiter.“ Auch Versuche zurückzuschlagen, gehen fehl – „Danko meinte, man müsse ihn mitten ins Herz treffen, um ihn zu besiegen. Doch das hatte keinen Sinn, denn der Krieg hatte kein Herz“. Schließlich aber finden die drei selbst so verletzlichen Helden einen Weg, wieder Licht und Farbe zurück nach Rondo zu holen. Sie schaffen es zwar, die sinnlose Zerstörung zu beenden. Doch die drei bleiben als Versehrte zurück, gezeichnet vom Krieg. Kinder stellen Fragen. Und er und seine Partnerin wollten ehrlich sein und „sie nicht belügen, indem wir sagen, dass nach Kriegsende alles wieder so wird, wie es vorher war“, erklärt Lessiw. Anstelle der schwarzen Blumen des Krieges wächst in Rondo auf den letzten Seiten roter Mohn – seit dem Ersten Weltkrieg das Erinnerungssymbol für Gefallene.
MORITZ BAUMSTIEGER
„Sie versuchten,
mit dem Krieg
zu reden, sie baten ihn,
wieder zu gehen“
Romana Romanyschyn
und Andrij Lessiw:
Als der Krieg nach Rondo kam. Aus dem Ukrainischen
von Claudia Dathe
und Oksana Semenets.
Gerstenberg Verlag,
Hildesheim 2022.
40 Seiten, 16 Euro.
Ab 5 Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2022Wie man den Krieg vertreibt
"Als der Krieg nach Rondo kam" ist das Bilderbuch der Stunde. Dabei ist es sieben Jahre alt. Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw über ihr Werk, das gerade in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Die Kinder stellen die besten Fragen: Warum der Krieg überhaupt hierher gekommen sei, möchte eines wissen, als die ukrainischen Bilderbuchkünstler Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihr Bilderbuch "Als der Krieg nach Rondo kam" im Frankfurter Literaturhaus vorstellen. Das sei eine sehr gute Frage, antwortet Romana Romanyschyn lächelnd, und zugleich eine Frage, auf die es keine Antwort gebe: "Krieg kommt zu Orten, die damit nicht rechnen. Keiner weiß, warum, aber wenn er kommt, müssen alle sich schützen und aufeinander aufpassen."
Das Illustratorenpaar, das am heutigen Freitag mit seinem Sachbilderbuch "Sehen" in der engsten Auswahl für den Deutschen Jugendliteraturpreis steht, hat sich für seine Geschichte über den Krieg eine besondere Stadt ausgedacht: Die Luft ist hier "wie aus feinem Licht gesponnen", die Bewohner sind "einfallsreich und zart", sie sprechen mit Vögeln und Pflanzen, singen, malen und dichten. Bis der Krieg nach Rondo kommt, die hellen, freundlichen Farben des Buchs dunklen Grautönen weichen, die schwungvoll-verspielte Grafik zackigen, kratzigen Strukturen. Die drei Hauptfiguren des Buchs, ein durchscheinendes Wesen, das an eine Glühbirne erinnert, ein wie aus Luftballonschlangen geformter Hund und ein Origami-Vogel, nehmen Schaden, die Stadt nimmt Schaden. Die Blumen, deren Gewächshaus zugleich ein Konzerthaus ist, weil sie singen können, verkümmern in der Dunkelheit des Krieges.
Gerade ist das Buch in deutscher Übersetzung im Gerstenberg Verlag erschienen. Im ukrainischen Original haben Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw "Als der Krieg nach Rondo kam" schon vor mehr als sieben Jahren veröffentlicht, unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim, der Kämpfe im Donbass. Auch die Gewalt gegen die Demonstranten auf dem Maidan in Kiew findet ihren Widerhall in diesem Buch. Sie hätten damals gemerkt, erzählen sie im Frankfurt Literaturhaus, wie schwierig es für Eltern ist, mit ihren Kindern über den Krieg zu sprechen. Und wie wichtig. Zwei Auflagen hatte das Bilderbuch in der Ukraine seitdem, danach war es vergriffen. Dann, Ende Februar 2022, begann der Krieg sich auszuweiten.
"Unser Verlag hat viele Anfragen bekommen", erzählt Andrij Lessiw im Gespräch nach der Veranstaltung: Viele Leser von damals mit jüngeren Geschwistern haben sich an das Buch erinnert, manche haben es bei Alarm mit in die Luftschutzräume genommen, andere haben es dort gesehen und wollten es auch für sich haben. Als echtes, gedrucktes Buch, betont der Künstler: In Zeiten der Empfindlichkeit, der Verunsicherung gibt ein Buch, das sich berühren lässt, anders Halt als ein Tablet.
"Wir haben uns gefragt, ob wir etwas ändern sollen in dem Buch", sagt Romana Romanyschyn. Aber das sehr einfache Bild der drei Freunde, die merken, dass Licht nicht nur den Blumen guttut, sondern selbst den Krieg vertreibt, trägt immer noch. Es gibt kein Blut in diesem Buch, keinen Tod, keinen lebendigen Feind: Der Krieg, so gewaltig, so zerstörerisch Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihn auch zeigen, bleibt etwas Abstraktes.
Zusammen mit vielen anderen Bewohnern Rondos bauen die drei Freunde eine große Lichtmaschine, mit der sie den Krieg, die Dunkelheit vertreiben: "Das war der Sieg!", heißt es im Buch. Sie seien sich lange nicht sicher gewesen, ob das Wort in einem Bilderbuch gut aufgehoben sei, erzählt Romana Romanyschyn. Doch der im Februar begonnene Angriff Russlands habe die beiden Künstler überzeugt: Auch für die Opfer eines Überfalls geht es um den Sieg.
Damit, "dem Krieg in seiner Sprache zu antworten", können sie ihn zwar nicht stoppen, stellen die drei Freunde im Buch fest. Und ins Herz treffen können sie ihn auch nicht, "denn der Krieg hatte kein Herz". Doch auch mit Hoffnung kann ein Sieg errungen werden. Vielleicht auch: nur mit Hoffnung. "Die Kinder bei uns in der Ukraine kennen die Realität des Krieges", sagt Andrij Lessiw. Auch fernab der Front sehen sie ihn im Fernsehen oder in Smartphone-Videos. Diesen brutalen Bildern wollten die beiden Illustratoren ein eigenes - wie sie sagen - visuelles Narrativ entgegensetzen: eine Bedrohung, deren Anblick Kinder ertragen können.
Was ist Kindern zumutbar? Was muss ihnen vielleicht sogar gezeigt werden, um nicht unaufrichtig zu sein? In "Als der Krieg nach Rondo kam" bleiben die Stadt und ihre Bewohner gezeichnet: Brandränder finden sich auf den Papieren, aus denen Rondo in den Illustrationen des Buchs collagiert ist, Teile sind wie abgerissen und angenäht oder mit Klebefilm repariert. Den drei Freunden bleiben ihre Narben. Und die Mohnblumen der Stadt, die vor dem Krieg in vielen verschiedenen Farben blühten, sind jetzt rot: zur Erinnerung und als Warnung. Denn wiederkommen kann der Krieg jederzeit. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Als der Krieg nach Rondo kam" ist das Bilderbuch der Stunde. Dabei ist es sieben Jahre alt. Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw über ihr Werk, das gerade in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Die Kinder stellen die besten Fragen: Warum der Krieg überhaupt hierher gekommen sei, möchte eines wissen, als die ukrainischen Bilderbuchkünstler Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihr Bilderbuch "Als der Krieg nach Rondo kam" im Frankfurter Literaturhaus vorstellen. Das sei eine sehr gute Frage, antwortet Romana Romanyschyn lächelnd, und zugleich eine Frage, auf die es keine Antwort gebe: "Krieg kommt zu Orten, die damit nicht rechnen. Keiner weiß, warum, aber wenn er kommt, müssen alle sich schützen und aufeinander aufpassen."
Das Illustratorenpaar, das am heutigen Freitag mit seinem Sachbilderbuch "Sehen" in der engsten Auswahl für den Deutschen Jugendliteraturpreis steht, hat sich für seine Geschichte über den Krieg eine besondere Stadt ausgedacht: Die Luft ist hier "wie aus feinem Licht gesponnen", die Bewohner sind "einfallsreich und zart", sie sprechen mit Vögeln und Pflanzen, singen, malen und dichten. Bis der Krieg nach Rondo kommt, die hellen, freundlichen Farben des Buchs dunklen Grautönen weichen, die schwungvoll-verspielte Grafik zackigen, kratzigen Strukturen. Die drei Hauptfiguren des Buchs, ein durchscheinendes Wesen, das an eine Glühbirne erinnert, ein wie aus Luftballonschlangen geformter Hund und ein Origami-Vogel, nehmen Schaden, die Stadt nimmt Schaden. Die Blumen, deren Gewächshaus zugleich ein Konzerthaus ist, weil sie singen können, verkümmern in der Dunkelheit des Krieges.
Gerade ist das Buch in deutscher Übersetzung im Gerstenberg Verlag erschienen. Im ukrainischen Original haben Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw "Als der Krieg nach Rondo kam" schon vor mehr als sieben Jahren veröffentlicht, unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim, der Kämpfe im Donbass. Auch die Gewalt gegen die Demonstranten auf dem Maidan in Kiew findet ihren Widerhall in diesem Buch. Sie hätten damals gemerkt, erzählen sie im Frankfurt Literaturhaus, wie schwierig es für Eltern ist, mit ihren Kindern über den Krieg zu sprechen. Und wie wichtig. Zwei Auflagen hatte das Bilderbuch in der Ukraine seitdem, danach war es vergriffen. Dann, Ende Februar 2022, begann der Krieg sich auszuweiten.
"Unser Verlag hat viele Anfragen bekommen", erzählt Andrij Lessiw im Gespräch nach der Veranstaltung: Viele Leser von damals mit jüngeren Geschwistern haben sich an das Buch erinnert, manche haben es bei Alarm mit in die Luftschutzräume genommen, andere haben es dort gesehen und wollten es auch für sich haben. Als echtes, gedrucktes Buch, betont der Künstler: In Zeiten der Empfindlichkeit, der Verunsicherung gibt ein Buch, das sich berühren lässt, anders Halt als ein Tablet.
"Wir haben uns gefragt, ob wir etwas ändern sollen in dem Buch", sagt Romana Romanyschyn. Aber das sehr einfache Bild der drei Freunde, die merken, dass Licht nicht nur den Blumen guttut, sondern selbst den Krieg vertreibt, trägt immer noch. Es gibt kein Blut in diesem Buch, keinen Tod, keinen lebendigen Feind: Der Krieg, so gewaltig, so zerstörerisch Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihn auch zeigen, bleibt etwas Abstraktes.
Zusammen mit vielen anderen Bewohnern Rondos bauen die drei Freunde eine große Lichtmaschine, mit der sie den Krieg, die Dunkelheit vertreiben: "Das war der Sieg!", heißt es im Buch. Sie seien sich lange nicht sicher gewesen, ob das Wort in einem Bilderbuch gut aufgehoben sei, erzählt Romana Romanyschyn. Doch der im Februar begonnene Angriff Russlands habe die beiden Künstler überzeugt: Auch für die Opfer eines Überfalls geht es um den Sieg.
Damit, "dem Krieg in seiner Sprache zu antworten", können sie ihn zwar nicht stoppen, stellen die drei Freunde im Buch fest. Und ins Herz treffen können sie ihn auch nicht, "denn der Krieg hatte kein Herz". Doch auch mit Hoffnung kann ein Sieg errungen werden. Vielleicht auch: nur mit Hoffnung. "Die Kinder bei uns in der Ukraine kennen die Realität des Krieges", sagt Andrij Lessiw. Auch fernab der Front sehen sie ihn im Fernsehen oder in Smartphone-Videos. Diesen brutalen Bildern wollten die beiden Illustratoren ein eigenes - wie sie sagen - visuelles Narrativ entgegensetzen: eine Bedrohung, deren Anblick Kinder ertragen können.
Was ist Kindern zumutbar? Was muss ihnen vielleicht sogar gezeigt werden, um nicht unaufrichtig zu sein? In "Als der Krieg nach Rondo kam" bleiben die Stadt und ihre Bewohner gezeichnet: Brandränder finden sich auf den Papieren, aus denen Rondo in den Illustrationen des Buchs collagiert ist, Teile sind wie abgerissen und angenäht oder mit Klebefilm repariert. Den drei Freunden bleiben ihre Narben. Und die Mohnblumen der Stadt, die vor dem Krieg in vielen verschiedenen Farben blühten, sind jetzt rot: zur Erinnerung und als Warnung. Denn wiederkommen kann der Krieg jederzeit. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main