Ein Pferd galoppiert über den Küchentisch, ein Gespenst kommt aus der Tasche, Sterne steigen in Häuser hinab, Berge laufen davon. All das erzählt uns eine schnell vertraute Stimme, nimmt uns mit auf eine Reise, auf der der Alltag durchbrochen und das Wunder sichtbar wird. Gemeinsam entdecken wir eine Welt hinter der Welt, zwischen den Dingen, in der alles möglich ist: beobachten, staunen, verbinden, träumen, eine neue Sprache erfinden. Und auch Geburt, Leben und Abschied finden darin ihren Platz.María José Ferrada dichtet mit kindlichem und philosophischem Blick über die Magie des Alltags, des Lebens und der Dinge. Die Illustrationen von Andrés Lopez lassen auf spielerische und träumerische Art Freiraum zur Interpretation. Leichtfüßig und voller sprachlicher Musikalität aus dem Spanischen übersetzt von Silke Kleemann. Das Buch erhielt 2018 den Hispanoamerikanischen Preis für Kinderlyrik.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Nico Bleutge lässt sich mit Vergnügen, mit Neugier und mit höchster Aufmerksamkeit vom feinen Schimmer (ver-)führen, der ihn durch die Verse in María José Ferradas "Als du Wolke warst" leitet. Immer wieder taucht es auf in den Gedichten der chilenischen Autorin, dieses Leuchten und Beleuchten - als Anregung etwa, genau zu beobachten, einen erhellenden Blick zu werfen auf den Horizont oder auf den Frühstückstisch und so imaginativ mitzuerleben, wie plötzlich ein winziges Pferd zwischen Aufstrich und Kaffee daher galoppiert. Auch in Andrés López' Zeichnungen wird das Licht als zentrale Metapher immer wieder aufgegriffen, ohne den Wörtern allerdings ihre Kraft zu nehmen - jenen Wörtern, für die Silke Kleemann stets treffende deutsche Entsprechungen findet, so der angeregte Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.11.2023Ein Baum
klopft an
María José Ferradas
Kindergedichte
haben es in sich.
Beim Frühstück galoppiert ein kleines Pferd zwischen Brot, Kaffee und Honigglas hin und her. „Erfinde ihm eine Sprache“, sagt das Gedicht, „Wörter wie Karotte / Zucker / Klee“ – und ruf es näher. Dann geschieht etwas Großartiges: Das Pferd klettert auf die Hand und kuschelt sich dort ein paar Sekunden lang an.
Gerade einmal 16 Gedichte umfasst dieser kleine Band, der mit seinem Querformat nicht nur gut aussieht, sondern auch angenehm in der Hand liegt. Und die Verse haben es in sich. Viele Gedichte beginnen mit einer freundlichen Aufforderung, genau hinzusehen. „Setz dich an den Tisch / und beobachte“, heißt es da etwa oder: „Und jetzt lausche“.
Dieses Gespür für emphatische Wahrnehmung lässt einen erleben, wie ein Baum an die Tür klopft, ein Fischschwarm quer über den Himmel fliegt oder ein Berg erwacht („Das passiert alle hundert / oder zweihundert Jahre“), sein Kleid schüttelt – und einfach losläuft. Beobachtung und Imagination sind unauflöslich verbunden. Es gibt natürlich auch Monster, aber sehr freundliche mit einem starken Sinn für schöne Bilder. So verwandelt sich die Dunkelheit in ein „Stück Nacht / ein Rechteck / das die Monster in ihrem Futtersack tragen“.
María José Ferrada, die 1977 in Temuco im Süden Chiles geboren wurde, schreibt Romane, Gedichte und Kinderbücher und arbeitet als Journalistin. Man merkt es ihren Gedichten an, dass sie viel gereist ist, vor allem nach Japan. Ein Faible für haikuartige Verknappungen und für Momente der Offenheit bestimmt ihre freien Verse, oft versteckt in kleinen triadischen Reihen, die manchmal wie musikalische Motive wiederholt oder variiert werden und zum Mitsprechen einladen, „Weiße / Wattebausch / winzige Wolke“ etwa oder „Zwitschern / Windstoß / Licht“. Silke Kleemanns Übersetzungen folgt man gerne, immer wieder findet sie Wörter, einfach und leuchtend wie „Karotte / Zucker / Klee“.
Überhaupt das Leuchten. Es durchzieht die Verse wie der Schimmer einer fernen Taschenlampe. Das Licht haust hier in Streichholzschachteln und Laternen. Glühwürmchen lösen sich vom Himmel. Selbst die Dunkelheit wirkt bisweilen so, als sei sie ein Licht. Andrés López hat diese Metaphorik für seine Illustrationen in ganz eigene Bilder umgeformt, die mit der Ästhetik von Kinderzeichnungen arbeiten und Dinge und Erinnerungen für einen Augenblick in ihrem Inneren aufbewahren, wie die Seifenblasen, die einmal über die Seiten schweben.
Dabei machen die Gedichte deutlich, dass es die Kraft der Wörter ist, die diese anderen Welten sichtbar, hörbar, spürbar werden lässt. Der Trick besteht darin, sich eine neue Sprache auszudenken. Oder die Sprache der Uhus zu lernen, „Vokale, die an der Nacht hingen, / Konsonanten, die knisterten wie trockenes Laub“.
NICO BLEUTGE
María José Ferrada: Als du Wolke warst.
Mit Illustrationen von Andrés López. Aus dem Spanischen von Silke Kleemann.
Hagebutte Verlag, München 2023.
44 Seiten, 15 Euro. Ab sieben Jahren.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
klopft an
María José Ferradas
Kindergedichte
haben es in sich.
Beim Frühstück galoppiert ein kleines Pferd zwischen Brot, Kaffee und Honigglas hin und her. „Erfinde ihm eine Sprache“, sagt das Gedicht, „Wörter wie Karotte / Zucker / Klee“ – und ruf es näher. Dann geschieht etwas Großartiges: Das Pferd klettert auf die Hand und kuschelt sich dort ein paar Sekunden lang an.
Gerade einmal 16 Gedichte umfasst dieser kleine Band, der mit seinem Querformat nicht nur gut aussieht, sondern auch angenehm in der Hand liegt. Und die Verse haben es in sich. Viele Gedichte beginnen mit einer freundlichen Aufforderung, genau hinzusehen. „Setz dich an den Tisch / und beobachte“, heißt es da etwa oder: „Und jetzt lausche“.
Dieses Gespür für emphatische Wahrnehmung lässt einen erleben, wie ein Baum an die Tür klopft, ein Fischschwarm quer über den Himmel fliegt oder ein Berg erwacht („Das passiert alle hundert / oder zweihundert Jahre“), sein Kleid schüttelt – und einfach losläuft. Beobachtung und Imagination sind unauflöslich verbunden. Es gibt natürlich auch Monster, aber sehr freundliche mit einem starken Sinn für schöne Bilder. So verwandelt sich die Dunkelheit in ein „Stück Nacht / ein Rechteck / das die Monster in ihrem Futtersack tragen“.
María José Ferrada, die 1977 in Temuco im Süden Chiles geboren wurde, schreibt Romane, Gedichte und Kinderbücher und arbeitet als Journalistin. Man merkt es ihren Gedichten an, dass sie viel gereist ist, vor allem nach Japan. Ein Faible für haikuartige Verknappungen und für Momente der Offenheit bestimmt ihre freien Verse, oft versteckt in kleinen triadischen Reihen, die manchmal wie musikalische Motive wiederholt oder variiert werden und zum Mitsprechen einladen, „Weiße / Wattebausch / winzige Wolke“ etwa oder „Zwitschern / Windstoß / Licht“. Silke Kleemanns Übersetzungen folgt man gerne, immer wieder findet sie Wörter, einfach und leuchtend wie „Karotte / Zucker / Klee“.
Überhaupt das Leuchten. Es durchzieht die Verse wie der Schimmer einer fernen Taschenlampe. Das Licht haust hier in Streichholzschachteln und Laternen. Glühwürmchen lösen sich vom Himmel. Selbst die Dunkelheit wirkt bisweilen so, als sei sie ein Licht. Andrés López hat diese Metaphorik für seine Illustrationen in ganz eigene Bilder umgeformt, die mit der Ästhetik von Kinderzeichnungen arbeiten und Dinge und Erinnerungen für einen Augenblick in ihrem Inneren aufbewahren, wie die Seifenblasen, die einmal über die Seiten schweben.
Dabei machen die Gedichte deutlich, dass es die Kraft der Wörter ist, die diese anderen Welten sichtbar, hörbar, spürbar werden lässt. Der Trick besteht darin, sich eine neue Sprache auszudenken. Oder die Sprache der Uhus zu lernen, „Vokale, die an der Nacht hingen, / Konsonanten, die knisterten wie trockenes Laub“.
NICO BLEUTGE
María José Ferrada: Als du Wolke warst.
Mit Illustrationen von Andrés López. Aus dem Spanischen von Silke Kleemann.
Hagebutte Verlag, München 2023.
44 Seiten, 15 Euro. Ab sieben Jahren.
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