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Produktdetails
  • Heyne Sachbuch Nr.749
  • Verlag: Heyne
  • 2000.
  • Seitenzahl: 206
  • Deutsch
  • Gewicht: 182g
  • ISBN-13: 9783453181014
  • ISBN-10: 3453181018
  • Artikelnr.: 08855703
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2001

Vergiß nicht die Schnabelphase!
Robert L. Snows Reinkarnation

Im Jahre 1957 wurde der Multitrillionär Dagobert Duck durch Hypnose in eine frühere Existenz zurückversetzt. In einem völlig realistischen Traum war er Sir Dagobert, ein am 6. September 1564 gestorbener Offizier in der Kriegsflotte der englischen Königin. ("Es wird noch manch' Scharmützel setzen.") In seiner Hypnose wußte Duck nachweislich Dinge, die er eigentlich nicht hätte wissen können. Es gab keine Widersprüche zu verifizierbaren Fakten.

Vierzig Jahre danach wurde der Police Captain Robert L. Snow durch Hypnose in eine frühere Existenz zurückversetzt. In einem völlig realistischen Traum war er Carroll Beckwith, ein am 24. Oktober 1917 gestorbener obskurer amerikanischer Maler. ("Ich male nicht gerne Porträts, aber ich brauche das Geld.") In seiner Hypnose wußte Snow nachweislich Dinge, die er eigentlich nicht hätte wissen können. Es gab keine Widersprüche zu verifizierbaren Fakten.

"Als ich Carroll Beckwith war" ist das Buch, in dem Snow die Hypnose und seine anschließenden Untersuchungen beschreibt. Die Einzelheiten sind gar nicht so wichtig. Wenn das, was er uns mitteilt, die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit ist, dann muß man an die Reinkarnation glauben oder zumindest an irgendein anderes übersinnliches Phänomen, das die Schulwissenschaft bisher nicht erklären kann.

Was macht der gewissenhafte Rezensent in einem solchen Fall? Hundert Blatt Papier und etwas Druckerschwärze sind noch lange kein Beweis. Es ist wie mit - sagen wir mal - dem Buch Mormon. Wer daran glaubt, und das tun ja Millionen, der glaubt daran, weil es in einen Kontext eingebunden ist. Er glaubt nicht an ein kleines blaues Buch, er glaubt an ein Buch plus eine Tradition plus eine Kirche.

Genauso reicht es eben bei einem Werk wie dem vorliegenden nicht, auf innere Konsistenz zu achten, man muß auch auf die externen Zusammenhänge schauen. Der deutsche Verlag hat eher die Unterhaltung als die Wissenschaft auf sein Papier geschrieben. Damit fängt es schon an. Eine kleine Internet-Recherche ergibt dann, daß es sich nicht um eine vorgetäuschte Übersetzung handelt. Das Original existiert tatsächlich. Robert L. Snow ist ein Sachbuchautor, der ansonsten sensationslastig über Themen wie Polizei, Gewalt, Terrorismus geschrieben hat. Er ist oder war Chef der Mordkommission von Indianapolis.

James Carroll Beckwith hat es auch gegeben. Das National Museum of American Art besitzt 22 Gemälde von ihm. Ob Snow alle Informationen, die ihm in seiner (echten oder angeblichen) Hypnose bekannt waren, vorher unauffällig im Internet oder anderswo hätte recherchieren können, kann man schwer abschätzen.

Die Rezensionen des Buches im Internet sind überwiegend unkritisch und enthusiastisch, was wohl mehr über das Internet als über das Buch aussagt. Aber letzten Endes müssen wir doch das altbewährte Prinzip von Ockhams Rasiermesser anwenden: Man soll nicht mehr Annahmen machen, als unbedingt nötig sind.

Die Erinnerung an eine vergangene Existenz durch Hypnose hat sich Snow nicht selbst ausgedacht. Dieses Phänomen wird in den Vereinigten Staaten schon lange diskutiert. Es fing 1956 mit dem Buch "The Search for Bridey Murphy" von Morey Bernstein an, das einen vergleichbaren Fall schildert. In Entenhausen, wo man damals bekanntlich allen US-amerikanischen Moden gerne folgte, waren diese Hypnosen 1957 en vogue. Snow, der im passenden Alter ist, hat das entsprechende Dagobert-Duck-Heft ja vielleicht als Kind gelesen. Es könnte ihn auf gewisse Ideen gebracht haben.

Wenigstens drei Erklärungsvorschläge, die auf übernatürliche Mechanismen verzichten, bieten sich an. Erstens könnte es sein, daß Snow einfach nur Geld verdienen wollte. Den Internetlinks nach zu schließen, ist dies sein erfolgreichstes Buch. "Sales have been steady in the USA", heißt es bei advancelit.com.

Zweitens wollte er sich vielleicht einen Jux machen. Die bierernsten Themen seiner anderen Bücher sprechen zwar eher dagegen, aber man kann ja nie wissen. Oder er wollte mit einem Experiment beweisen, wie leichtgläubig das Publikum ist. Barnum's Law "There is a sucker born every minute" ist ja auch für den Kriminologen interessant. Wenn die Verkaufskurve irgendwann abflacht, wird er vielleicht laut "April, April!" rufen.

Und drittens könnte er einfach an einer Geisteskrankheit leiden. So was kommt vor. Der gesunde Menschenverstand der Verleger verhindert, daß Leute, die sich für Napoleon halten, ihre Bücher veröffentlichen können, aber vermutlich ist die Publikationsquote in subtileren Fällen höher.

Alle drei Theorien lassen sich gut damit vereinbaren, daß Snows Erzählungen aus seinem früheren Leben an einen schlechten Hollywood-Film erinnern. Er war nicht nur Carroll Beckwith, er war auch, und das haben wir bisher nicht erwähnt, weil es nicht mit nachprüfbaren Fakten verknüpft ist, ein klischeehafter Höhlenmensch und eine klischeehafte griechische Tempeljungfrau. Und mit seinem Beckwith-Traum trifft er hundertfünfzigprozentig ins Schwarze, was gerade durch die erstaunliche Präzision wieder unglaubwürdig ist.

Das Buch kostet 16,90 Mark. Für zehn Pfennig weniger erhält man im Comic-Laden Carl Barks Library Onkel Dagobert, Band 11, mit dem Premake. Auch hollywoodmäßig, aber besser.

ERNST HORST.

Robert L. Snow: "Als ich Carroll Beckwith war". Spurensuche einer Reinkarnation. Wilhelm Heyne Verlag, München 2000, 208 S., Abb., br., 16,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Drei Mutmaßungen über dieses Buch präsentiert uns der Rezensent: Es könnte sein, dass der Autor einfach nur Geld brauchte; dass er sich einen Jux machen wollte, oder, dritte Möglichkeit, er ist schlicht geisteskrank. Die Erzählung über die Reinkarnation des Malers C. Beckwith für bare Münze zu nehmen jedenfalls, fällt Ernst Horst im Traum nicht ein. Das Gefühl, einem schlechten Hollywood-Film beizuwohnen, hat ihn während der Lektüre offenbar nicht verlassen. Um sich bei der Nachprüfung der allzu unglaublich erscheinenden Aussagen des Buches nicht zu verzetteln, greift Horst lieber zum "echten" Fake: Das Premake solcher Reinkarnationsgeschichten nämlich hat Carl Barks (die FAZ hat ihn für immer ins Herz geschlossen) bereits 1957 gezeichnet, mit Dagobert Duck in der Hauptrolle. Der Comic, so Horst, koste den geneigten Leser gar einen Groschen weniger als das Buch.

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