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Aus der Stille heraus "Meine Mutter war anders als andere Mütter. In ihren Ohren waren weiße Knoten." Wie fühlt es sich für ein Kind an, seiner Mutter die Welt zu erklären, wenn diese sie nicht verstehen kann? Der Vater hat das Weite gesucht, und so gibt es für die beiden Frauen im Athen der 1960er-Jahre nicht viel zu verlieren. Zehn prächtige, von der Mutter gefertigte Hüte sind der Preis für zwei Pässe. In München warten fremde Herausforderungen: Die Tochter dolmetscht, als Hüterin ihrer Mutter, die ihrerseits die Tochter beschützen will. Doch neue Türen öffnen sich denn manche Menschen…mehr

Produktbeschreibung
Aus der Stille heraus
"Meine Mutter war anders als andere Mütter. In ihren Ohren waren weiße Knoten." Wie fühlt es sich für ein Kind an, seiner Mutter die Welt zu erklären, wenn diese sie nicht verstehen kann? Der Vater hat das Weite gesucht, und so gibt es für die beiden Frauen im Athen der 1960er-Jahre nicht viel zu verlieren. Zehn prächtige, von der Mutter gefertigte Hüte sind der Preis für zwei Pässe. In München warten fremde Herausforderungen: Die Tochter dolmetscht, als Hüterin ihrer Mutter, die ihrerseits die Tochter beschützen will. Doch neue Türen öffnen sich denn manche Menschen brauchen keine Worte, um Liebe zu zeigen. In poetisch-humorvollem Ton führt Eleni Torossi in eine unbekannte Welt, geprägt von intimen Gesten und einer zärtlichen Geheimsprache.
Autorenporträt
Eleni Torossi, in Athen geboren, lebt seit 1968 in München. Bereits während ihres Studiums der Politikwissenschaften arbeitete sie für den Bayerischen Rundfunk. Sie schrieb Sozial- und Kulturbeiträge, Radiogeschichten, Hörspiele und veröffentlichte zahlreiche Bücher. Die Autorin schreibt in zwei Sprachen. 2006 wurde ihr der "CIVIS Europas Medienpreis für Integration" verliehen. Für ihre Rolle als Vermittlerin zwischen den Kulturen erhielt sie 2009 das Bundesverdienstkreuz.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2014

Mamas Schlüssel zur Welt
Schon als Kind erklärt Eleni Torossi ihrer Mutter die Welt – denn diese ist taub. Von der besonders engen Bindung
zwischen Mutter und Tochter sowie von Griechen und Deutschen erzählt die Autorin in ihrem neuen Roman
VON MARTINA SCHERF
Mutterliebe. Sie kann stark machen, sie kann einen aber auch erdrücken. Oder beides. Wie weit sich der Verstand auch immer von ihr lösen möchte, die Mutterliebe bleibt die innigste Bindung. Eleni Torossi kann ein Lied davon singen. Ihre Bindung war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich, denn ihre Mutter war taub, und die Tochter war ihr Schlüssel zur Welt. Wie sich das anfühlt für ein Kind, wie eine solche Beziehung ein Leben prägt, davon erzählt Eleni Torossi in ihrem Roman „Als ich dir zeigte, wie die Welt klingt“ (Langen Müller). Ein anrührendes Buch, das ganz nebenbei auch noch von Griechen und Deutschen, von Hoffnung und Enttäuschung handelt.
  Augen, Lippen, Hände – damit verständigen sich das kleine Mädchen und seine schöne, alleinerziehende Mutter im Athen der fünfziger Jahre. Die beiden teilen ein Zimmer ohne Bad in einem Mietshaus, zur Toilette geht es einen dunklen Gang entlang. Die Nachbarin hat den Zimmerschlüssel, falls die Kleine nachts weint und ihre Mutter sie nicht hört. Und Eleni lernt früh, Verantwortung für ihre Mutter zu übernehmen. Sie bekommt dafür Liebe zurück, Aufmerksamkeit, Nähe. Der Vater hat sich aus dem Staub gemacht, die Großeltern blieben auf der Insel Euböa zurück, so sind die beiden Frauen in der Großstadt auf sich allein gestellt, und sie meistern geschickt ihren Alltag. Die Mutter ist Hutmacherin, im Salon ihrer Schwester kaufen elegante Damen ein. In ihrer überschaubaren Welt kommt sie zurecht, sie schämt sich nicht, wenn sie beim Gemüsehändler oder in der Straßenbahn viel zu laut ihre Meinung kundtut. Dafür schämt sich Eleni, je älter sie wird, umso mehr.
  „Meine Mutter hat weiße Knoten in den Ohren“, so stellt sich das Mädchen das Nicht-Hören-Können vor. Aber auch wenn die energische Frau von Vielem ausgeschlossen ist, sie weiß durchaus, was wichtig ist im Leben. Mit fünf schickt sie Eleni zum Französischunterricht, Englisch, Klavier, Ballett folgen. Der Gefühlsteppich aus Liebe, Verantwortung und Scham, der Eleni trägt, erhält nun noch eine warme Farbe dazu: Auch wenn die Leute oft tuscheln – ihre Begabungen verschaffen ihr Respekt, ja Bewunderung, das tut gut. Eleni wächst heran, es ist die Zeit der Militärdiktatur, und während die Obristen das Leben in Athen zur Hölle machen, engagiert sie sich in der linken Studentenbewegung. Freunde werden verhaftet, es wird gefährlich, da beschließen Mutter und Tochter, nach Deutschland zu gehen. Zehn feine Hüte sind der Preis für zwei Pässe in die Freiheit.
  München, 1968, das klingt nach Aufbruch. „Für mich war alles erst mal sehr fremd“, sagt Torossi heute. Längst ist ihr München zur zweiten – oder ersten – Heimat geworden. Sie schreibt in beiden Sprachen, Griechisch und Deutsch, und genießt es, hin- und herreisen zu können. Doch der Anfang damals war nicht leicht. Wohnung, Arbeit, Aufenthaltsgenehmigung, eine fremde Sprache. „Die Freiheit musste man sich erst erkämpfen“. Überhaupt: Freiheit. Während in Athen Hunderttausende auf die Straße gingen gegen die Diktatur, „waren die Proteste in München doch sehr brav“. Dafür sind sie mit der freien Liebe ein Stück weiter. Eleni erlebt ihre ersten Abenteuer und Enttäuschungen. Und fühlt sich dann doch frei: „Endlich hatte ich Zeit, mich selbst zu entdecken“. Dass sie in Wirklichkeit – anders als im Buch – mit ihrem damaligen Freund nach Deutschland kam, mag dieses Gefühl bestärkt haben. Die Mutterliebe hatte Pause, „auch, wenn ich in Gedanken immer bei ihr war“.
  Torossis Wohnung über den Dächern von Schwabing ist voller Spuren und Erinnerungen an ihre Lebensstationen. Bücher, Bilder und Grafiken ihrer Künstlerfreunde, Familienfotos. Gut vierzig Jahre arbeitete die Journalistin für den Bayerischen Rundfunk, schrieb Reportagen über das Leben der griechischen „Gastarbeiter“, Features und Hörspiele. Sie hat Kinderbücher in beiden Sprachen veröffentlicht und zuletzt die amüsante Familiengeschichte „Als mir Tante Iphigenie einen Koch schenkte“.
  Für ihre Vermittlung zwischen den Kulturen wurde sie wiederholt geehrt, auch mit dem Bundesverdienstkreuz. „Es tut gut, wenn man als Ausländerin solche Anerkennung erfährt“, gibt sie zu. Noch immer Ausländerin, nach mehr als 40 Jahren? „Das wird man nicht los“, sagt sie. Und wohin gehört ihr Herz? „Ich bin Europäerin“, weicht sie aus, um dem Herzen die Entscheidung zu ersparen. Ihre beiden erwachsenen Söhne leben inzwischen als erfolgreiche Start-up-Unternehmer in Athen, sie könnte bald Großmutter werden. „Da will ich natürlich dabei sein“, sagt sie, „aber München zu verlassen, würde mir unendlich schwer fallen.“
  „Heimat ist die Zeit, die man verloren hat“, das Kurzgedicht hat ihr der persische Dichter Said geschenkt, auch er ein Mittler zwischen Kulturen. Eine doppelte Heimat ist aber auch ein Gewinn. Und ein Fundus an Geschichten. Denn Torossis Familie ist, wie bei vielen Griechen, in alle Welt zerstreut, von Kappadokien bis nach Kanada. Da gibt es im nächsten Buch noch einiges zu erzählen.
„Als ich dir zeigte, wie die Welt klingt“, Lesung mit Eleni Torossi, Mo., 14. Juli, 20 Uhr, Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, ☏ 29 19 34 27
München ist für die aus Griechenland stammende Eleni Torossi zu einer zweiten – oder ersten – Heimat geworden. Ihre Wohnung, von der aus sie über die Dächer Schwabings blickt, ist voller Spuren und Erinnerungen an ihre Lebensstationen.
Foto: Florian Peljak
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