Produktdetails
  • Verlag: Goldmann Verlag
  • ISBN-13: 9783442760992
  • ISBN-10: 3442760992
  • Artikelnr.: 22003057
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2001

In der Psychiatrie von Cadiz
Atemlos: André Heller sieht viel und notiert wenig

Der Titel "Als ich ein Hund war" ist noch das Beste an der Geschichte. Er weckt Erwartungen, die sich aber leider ebensowenig erfüllen wie in den meisten der sechsundzwanzig anderen Kürzestgeschichten in diesem Band. André Heller hat sie offenbar aus einer Schublade für Versuche, Fragmente oder Erinnerungsfetzen hervorgekramt und ohne Bedenken an das allzu kritiklose Lektorat seines Verlags geschickt. André Heller, "einer der erfolgreichsten Multimediakünstler der Welt" - sollte der Name nicht schon genügen, um auch weniger Gelungenes gewinnbringend zu verkaufen? Die auf dem Buchumschlag angekündigten "Liebesgeschichten und weitere rätselhafte Vorfälle" bereiten allerdings Kopfzerbrechen: Soll der emphatisch beschriebene Orgasmus einer Frau mit einem Skorpion am Rande der Salztümpel am Toten Meer eine Liebesgeschichte sein oder doch vielleicht nur ein rätselhafter Vorfall?

André Heller liebt exotische Schauplätze. Die Souks von Casablanca, der Himmel über der Wüste von Sinai oder die psychiatrische Klinik von Cadiz - er hat viel gesehen, aber wenig notiert. Denn immer hat er es eilig, zum Ende zu kommen, als ginge ihm der Atem aus. Zeit nimmt er sich nur, wenn er sich an den kleinen Jungen erinnert, der Ministrant war, ein Kind, das von seinem Vater wie von den Jesuiten, zu denen es geschickt wurde, verprügelt wurde. "Wie es wirklich war", die Eingangsgeschichte vom Tod des Vaters, ist denn auch die eindringlichste von allen. "Ich gönnte Vater keinen leichten Tod", sagt der Sohn. Eine Liebesgeschichte hätte vielleicht der lange Brief eines Mannes werden können. Ein vielfältig erfahrener Liebhaber sei er gewesen, bekennt der Briefschreiber. Er hatte sich auf die Frauen anderer Männer spezialisiert. Als Seelentröster und "Spaziergangbegleiter" war er offenbar unwiderstehlich. Auf jeden Fall kam er als Voyeur auf seine Kosten. Die Ratschläge, die er gibt, sind allerdings banal: "Ein erfolgreicher Liebhaber muß darauf achten, stets appetitlich, wohlriechend und gepflegt zu sein." Der Brief bricht abrupt ab, noch ehe es zu Geschmacksverirrungen wie am Schluß der "Nacht des alten Mannes" kommt: "Am Anfang die Katheder der Schulmeister und am Ende die Katheter der Urologen." André Heller sollte sein Multimediatalent nicht auf die Literatur ausweiten. Zumindest sollte er seine Einfälle nicht bedenkenlos einem Verlag anvertrauen.

MARIA FRISÉ

André Heller: "Als ich ein Hund war". Liebesgeschichten und weitere rätselhafte Vorfälle. Berlin Verlag, Berlin 2001. 238 S., geb., 32,- DM.

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