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Die Legende von Addie Bundren beginnt und endet am selben Ort: in Yoknapatawpha County. Vier Tage nach ihrem Tod - die Bussarde kreisen schon - machen sich die Hinterbliebenen auf den Weg in die entfernt gelegene Kreisstadt Jefferson. Denn Addie hat ihrem Mann Anse das Versprechen abgenommen, sie im Grab der Ihrigen beizusetzen. Doch auf dem Weg gerät der Leichenzug in immer neue Schwierigkeiten: Im Hochwasser stürzt eine Brücke ein; bei der Durchquerung des Flusses gehen Fuhrwerk und Sarg beinahe verloren. Und zu allem Unglück bricht sich der älteste Sohn, Cash, das bereits verkrüppelte Bein,…mehr

Produktbeschreibung
Die Legende von Addie Bundren beginnt und endet am selben Ort: in Yoknapatawpha County. Vier Tage nach ihrem Tod - die Bussarde kreisen schon - machen sich die Hinterbliebenen auf den Weg in die entfernt gelegene Kreisstadt Jefferson. Denn Addie hat ihrem Mann Anse das Versprechen abgenommen, sie im Grab der Ihrigen beizusetzen. Doch auf dem Weg gerät der Leichenzug in immer neue Schwierigkeiten: Im Hochwasser stürzt eine Brücke ein; bei der Durchquerung des Flusses gehen Fuhrwerk und Sarg beinahe verloren. Und zu allem Unglück bricht sich der älteste Sohn, Cash, das bereits verkrüppelte Bein, während Dewey Dell, die einzige Tochter, neben der Verantwortung für den Jüngsten an einem eigenen Geheimnis schon schwer genug zu tragen hat. In wechselnden Kapiteln kommen die engsten Angehörigen zu Wort, aber auch Freunde und Nachbarn, der Arzt und der Pastor. Und irgendwann erhebt sogar die Verstorbene selbst die Stimme - bis am Ende dieser tragikomischen letzten Reise Lügen, Hoffnungen und Zwistigkeiten, kurz: die wahren Familienzusammenhänge, offenliegen. Faulkner selbst bezeichnete diesen 1930 erstmals erschienenen Roman als seinen besten, und seine Leser stimmen bis heute mit ihm überein. «Als ich im Sterben lag» ist ein Klassiker der Weltliteratur - überreich an eindringlichen Charakteren und Stimmungen, angesiedelt in der vielleicht berühmtesten fiktiven Landschaft der modernen Literatur.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
William Faulkner, am 25. September 1897 in Albany, Mississippi, als William Cuthbert Falkner geboren, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Neben seinem umfänglichen Werk, einer Chronik von Glanz und Verfall der Südstaaten, verfasste er Drehbücher, unter anderem zu Raymond Chandlers 'The Big Sleep' und Ernest Hemingways 'To Have and Have Not', beide unter der Regie von Howard Hawks. Faulkner wurde zweimal mit dem Pulitzer-Preis und dem O'Henry Award ausgezeichnet, erhielt den National Book Award und 1950 den Nobelpreis für Literatur. Er starb am 6. Juli 1962. Maria Carlsson ist seit Ende der Fünfzigerjahre als Übersetzerin angloamerikanischer belletristischer Werke tätig. Sie ist vor allem mit den Übertragungen der Romane und Erzählungen John Updikes hervorgetreten. 1994 wurde sie mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis und 2oo2 mit dem Helmut-M. Braem-Übersetzerpreis ausgezeichnet. 
Rezensionen
Asche zu Asche

Der moderne Klassiker „Als ich im Sterben lag“ wurde zum 50. Todestag von William Faulkner neu übersetzt

Stimmt es, dass erdachte Landschaften „leer“ sein müssen? Je archaischer, desto besser? Ein Gebirgszug, an seinem Fuß eine kleine Stadt, davor ein Fluss, ein paar Boote, mit Namen, die nichts und alles bedeuten, damit man sich etwas vorstellen kann. Warum hat William Faulkner das imaginäre County, in dem fast all seine Romane spielen, dann Yoknapatawpha genannt? Zu viele Buchstaben. Nicht nur für Europäer ein Stachel.

Aber imaginäre Topographien sind selten „nur“ erdacht: das County, von dem Faulkner ausging, heißt Lafayette und seine Hauptstadt nicht Jefferson, wie bei Faulkner, sondern Oxford/Mississippi, wo Faulkner, 1897 in New Albany/Mississippi geboren, jahrzehntelang lebte und am 6. Juli 1962 starb. Lafayette war ein französischer General im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, ein Demokrat, für die Abschaffung der Sklaverei. Kein Grund, ihn zu verschweigen. Aber Yoknapatawpha ist eine literarisierte Urform des heutigen Flussnamens Yocano, der auf einer alten Landkarte Yocknay-potafa heißt – zwei Wörter aus der Sprache der Chickasaw, die sumpfiger, träger Fluss meinen sollen.

Faulkner nimmt dem County also seine weiße Heroik, macht es zu „Indianerland“. Was wieder eine andere Doppelbedeutung hat. In seinem Roman „Sartoris“, in dem er das imaginäre County zum ersten Mal nennt, hat der Nobelpreisträger von 1949 Lebensläufe der eigenen, heruntergekommenen Unternehmerfamilie zugrunde gelegt. Aber früh schon, wie in „As I lay dying“, Faulkners viertem Roman, den Maria Carlsson zu seinem fünfzigsten Todestag neu übersetzt hat, richtet er seinen Blick auch auf die „Poor Whites“ des Südens, auf die weißen Indianer, für die der „amerikanische Traum“ über Jahrhunderte Legende blieb.

„Als ich im Sterben lag“ ist einer von Faulkners „klassischsten“ Romanen. Kein Spiel mit Genres, keine Satire. Die Archaik der Bildsprache ergänzt jene der bloß umrissartig gezeichneten Landschaft. Zentrales Motiv ist der Sarg von Addie, einer alten Bauersfrau. Auffälligerweise spielt ihr Sterben selbst eine geringere Rolle. Zuerst wird der Sarg gezimmert, von Cash, einem der vier Söhne, makabrerweise noch während Addie oben im Haus liegt. Dann geht es um den Transport zum Friedhof, der sich zu einer epischen Angelegenheit weitet.

Faulkner ist berühmt für sein zersplittertes Erzählen, für die Entwicklung von Geschichten aus wiederkehrenden Figurenstimmen, ohne Vermittlung übergeordneter Instanzen. So hat er die gesamte literarische Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt. Was bewirkt, dass man sich heute paradoxerweise bei seiner Lektüre oft fühlt, als drehe er das Rad zurück. In „Als ich im Sterben lag“ steht über jedem Abschnitt brav der Namen der Figur, aus deren Perspektive erzählt wird. So etwas kann man bei Faulkners Erben, etwa dem portugiesischen Dauer-Nobelpreiskandidaten Lobo Antunes, lange suchen. Auch der Plot von „As I lay dying“ bleibt, durch den Sarg als Mittelpunkt der Geschichten, immer erkennbar. Addie hat sich gewünscht, in Jefferson, wo sie herkommt, begraben zu werden. Anse, der Witwer, will ihr den Wunsch erfüllen, obwohl die kleine Stadt vierzig Meilen entfernt liegt. Mit zwei alten Maultieren dauert das.

Immer neue Schwierigkeiten stellen sich in den Weg. Zuerst ist eine der überdachten Brücken über den Yoknapatawpha kaputt. So sollen die Maultiere den Sarg durch den reißenden Fluss ziehen. Von wegen träge. Ein Unwetter. Der Sarg wird gerettet, die Maultiere gehen drauf, Cash bricht sich ein Bein. Als der armselige Leichenzug durch ein Nachbarstädtchen kommt, ist er schon tagelang unterwegs und stinkt.

Mit der Bewegung des Sargs als zentralem Blickfang ergibt sich eine Parallele zu einem berühmten „Jünger“ Faulkners: Claude Simon, dessen „Straße durch Flandern“ von der Bewegung reitender Soldaten im Krieg lebt. Schon bei Faulkner ergibt sich über den Rhythmus der Sprache so etwas wie ein schwermütiger, vielstimmiger Gesang, den Simon feierlich-prachtvoll ausweitet. Faulkners „As I lay dying“ ist kleinteiliger, bescheidener angelegt, was nicht schadet.

Noch vor den Schwierigkeiten beim Sargtransport merkt man, dass die Familie, die im Elend so vorbildlich zusammenzuhalten scheint, auch Untiefen kennt. Die Außenstehenden, die zu Wort kommen, können nicht verstehen, dass zwei der Söhne, Darl und Jewel, verschwinden, um Mais einzufahren, als ihre Mutter im Sterben liegt. Spannungen führen zu seltsamen Geschichten. Sohn Vardaman sagt, Mutter sei ein Fisch, Jewels Mutter, heißt es, war ein Pferd. Man ahnt bald, dass es um die Vaterschaft der Söhne geht. Doch durch Konzentration auf das Bewusstsein der jeweils Erzählenden, in dem nie alles ausformuliert wird, durch die Unzuverlässigkeit der teils wahnsinnigen, teils bornierten Perspektiven, die den Sumpf der Familiengeschichte andeuten, bleibt vieles zweifelhaft.

Was an die Oberfläche dringt, ist, dass Jewel von einem anderen Mann stammt. Dewey Dell treibt ab, Darl bringt sich um – das ist skandalös genug für die bigotte Südstaatenmoral der Zeit. Doch der schauerlichste Blick in die Folgen halb bewältigten religiösen Wahns ergibt sich, als die tote Addie, die, wie Nachbarin Carol raunt, „nicht gläubig“ sei, sich, nur einmal und für wenige Seiten, aus dem Sarg zurückmeldet. Mit einer lebensverachtend-heroischen Suada gegen „Sünde“ und „Mutterschaft“ – ein Wort, wie „Furcht“ und „Stolz“, nur erfunden, „weil wir durch Wörter miteinander hatten umgehen müssen“ – lässt Faulkner sie zur Hochform auflaufen: „Wörter, die vor ihren Mündern wie Spinnen von einem Balken hingen, sich hin und her bewegten, sich drehten und nie die richtigen waren.“

Als Faulkner „As I lay dying“ schrieb, war er auf dem besten Weg, ein Loser zu werden: früh weg von der Schule, noch ohne großen Erfolg als Schriftsteller, hatte er einen Job als Nachtwächter im Kraftwerk der Universität. Dann setzte er eine hübsche Legende vom Schreiben zwischen Mitternacht und vier Uhr früh in die Welt, als Entspannung vom Kohleschaufeln. Die Uhrzeit stimmt wohl, auch die bloß sieben Wochen für die Niederschrift, aber der Mann war Aufseher, schaufeln musste er nicht.

„As I lay dying“ ist ein guter Einstieg in Faulkners Welt – genial bildhaft, düster-verschroben, eine Szenerie wie von Beckett, ohne die Anfangszähigkeiten von „Licht im August“ – und die Neuübersetzung Maria Carlssons macht den Text besser lesbar. Schon weil Carlsson die Gliederung in kleine Abschnitte nicht platzsparend aufhebt, wie ihre Vorläufer Hess/Schünemann. Stattdessen bricht sie die amerikanisch kommaarme, im Deutschen oft bandwurmartig wirkende Syntax auf, macht aus einem Satz zwei oder strukturiert ihn vorsichtig um. Carlsson schreibt schlichter, schlackenloser, erklärt weniger umständlich, spürt Faulkner, der der Sprache jeder seiner Figuren einen eigenen Rhythmus und Ton zu geben versteht, mit viel Geschick nach.

HANS-PETER KUNISCH

WILLIAM FAULKNER: Als ich im Sterben lag. Roman. Aus dem Amerikanischen von Maria Carlsson. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012. 247 S. 19,90 Euro

Sohn Vardaman sagt, Mutter sei
ein Fisch, Jewels Mutter,
heißt es, war ein Pferd

Unter Ruinen: William Faulkner, September 1955 in Rom. Foto: akg-images / Electa

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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2012

Frischer Wind in den Wirbelsturm der Stimmen

Heute vor fünfzig Jahren starb der amerikanische Schriftsteller William Faulkner. Und pünktlich zu diesem Anlass erscheint sein Roman "Als ich im Sterben lag" in einer großartigen deutschen Neuübersetzung.

Zu den erstaunlichsten Seiten von William Faulkners Kunst gehört, dass sie die Fährnisse von einfachen, manchmal primitiven oder sogar ziemlich abstoßenden Charakteren ohne sichtbare Anstrengung in großes Epos verwandelt. Was, diese Leute sollte man mögen? Natürlich ist es der Autor selbst, der um die "armen Weißen" des amerikanischen Südens - heute sagen wir dazu white trash - diese grandiose Wortmusik veranstaltet, die so bibel- und mythengesättigt ist, wie man es sonst allenfalls bei T. S. Eliot erlebt. Doch fehlt Faulkners Romanen alles Akademische: Seine Menschen, wenn sie denn überhaupt lesen und schreiben können, sind schweigsame Bauern, in deren Zähigkeit sich Jahrhunderte von agrarischem Überlebenswillen abgelagert haben, so dass man sich diese Figuren zu allen Zeiten, in allen heißen Landstrichen der Erde vorstellen könnte.

Nehmen wir "Als ich im Sterben lag", ein schmales Meisterwerk aus dem Jahr 1930, das jetzt bei Rowohlt in neuer Übersetzung erschienen ist: Der Farmer Anse Bundren und seine fünf Kinder wollen die Leiche von Addie, der Ehefrau und Mutter, in die vierzig Meilen entfernte Kreisstadt Jefferson schaffen, damit sie dort, "bei ihren Leuten", begraben werden kann. Er habe ihr das Versprechen gegeben, wiederholt der alte Bundren, der sich bei der Gelegenheit gleich ein neues Gebiss verpassen lassen will, und da er ein frommer, störrischer Mann ist, nicht mit den Wassern des Geistes gesegnet, aber immer mit einem Bibelspruch auf den Lippen, muss die ganze Familie mit dem Maultierkarren los. Und das, wo ein schlimmes Unwetter heraufzieht. Addies Leichnam, um es mal vorsichtig auszudrücken, ist schon nicht mehr ganz frisch, als sich die Bundrens mit ihrer delikaten Fracht in Bewegung setzen.

"Ich nahm diese Familie", hat Faulkner später mit einer gewissen Schlitzohrigkeit gesagt, "und unterwarf sie den größten Katastrophen, die der Mensch erleiden kann, Flut und Feuer - das ist alles." In sechs Wochen habe er die Geschichte niedergeschrieben, ohne nur ein Wort zu ändern, so die Legende. Was nicht stimmt, wie das Manuskript beweist. Doch der Zeitrahmen kommt ungefähr hin, und Faulkner sah Anfang und Ende seines Romans offenbar so deutlich vor sich, dass er das Schreiben während der Nachtschicht im Kohlekraftwerk auf einer umgestülpten Schubkarre erledigen konnte.

Berühmt wurde "Als ich im Sterben lag" durch seine multiperspektivisch zersplitterte Erzählweise, ein Wasserzeichen der literarischen Moderne. Gerade dadurch, dass sie dem Leser manches vorenthält, aktiviert diese Methode seine Spekulationen, treibt die Phantasie in verschiedene Richtungen und lädt das Erzählte mit zusätzlicher Bedeutung auf. Fünfzehn Figuren teilen sich 59 Kapitel, die zwischen acht Seiten und einem einzigen Satz lang sind, jedes Kapitel ist mit dem Namen des Ich-Erzählers überschrieben.

Meistens erzählt Darl, der zweitälteste Sohn, dann der kleine Vardaman, dessen traumatische Reaktion auf den Tod der Mutter kaum einer in der Familie kapiert; selbst ein Monolog der toten Addie treibt herein, aber woher eigentlich? Dazu gibt es Versionen der Nachbarn, der bigotten Nachbarsfrau, all jener Figuren, deren Existenz Faulkner im Lauf seiner sechzehn Bücher umfassenden Geschichte des fiktiven Yoknapatawpha County (im vorliegenden Roman wird der Landstrich erstmals namentlich erwähnt) liebevoll ausmalte und sogar mit einer handgezeichneten Landkarte versorgte, damit es an der Realität dieser Gegend im nördlichen Mississippi keinen Zweifel geben konnte. Auf der Karte stand vermerkt: "Alleiniger Besitzer und Eigentümer: William Faulkner". Ein Bewunderer wie Gabriel García Márquez lernte daran, was eine mythische Landschaft ist, und erschuf sich mit dem kolumbianischen Karibiknest Macondo seine eigene.

"Als ich im Sterben lag" zeichnet nicht nur psychologische Grundmuster und sprachliche Ticks der Sprecher nach, der Roman baut auch in Kollektivarbeit eine Geschichte zusammen, die nie zu einer gemeinsamen wird, weil sie für jeden - und für jeden auf andere Weise - von Wissenslücken und bedrückenden Geheimnissen durchsetzt ist. Scham, Schuld und Schweigen hüllen die Bundrens ein, jeder kämpft für sich allein, und jeder hat sein eigenes Motiv, die Wahnsinnsreise zu unternehmen. Dewey Dell etwa, die Tochter, will in Jefferson eine Abtreibung vornehmen lassen. Das stille Kraftzentrum des Romans ist die Mutter, die ihren Mann nicht mehr geliebt und sich auf eine Affäre mit dem Prediger eingelassen hat (dem Vater des dritten Sohns). Sie eint und trennt die Familie zugleich, im Leben wie im Sterben.

Es ist nicht allgemein bekannt, wie grell, komisch und verrückt Faulkner sein kann: Hier nimmt er eine Leiche, tut sie in den Sarg, den Cash, der Älteste, hingebungsvoll geschreinert hat, wirft die ganze Fuhre in den angeschwollenen Fluss (bald treiben die Maultiere kieloben, und der tapfere Schreiner kann nicht schwimmen), lässt die ramponierte Kiste irgendwie herauszerren, auch das Schreinerwerkzeug wird aus dem Wasser gefischt, und weiter geht die Fahrt, während der Leichnam allmählich streng zu riechen beginnt und Bussarde über dem Bundren-Clan kreisen. Mag sein, dass die groteske Stümperei manchen an griechische Tragödie erinnert, wie unsere Altvordern einmal schrieben, aber zur Verfilmung würde man sich die Coen-Brüder wünschen. Aber genug; wir müssen von der Übersetzung reden.

Maria Carlsson verblüfft uns gleich in der ersten Zeile. Dort schreibt sie "obgleich" statt "obwohl", und man fragt sich, warum sie nicht "obschon" geschrieben hat. Über diesen drei Varianten könnte man irre werden, wenn man wollte. Was haben wir für eine schöne, reiche Sprache! Beim Weiterlesen wird klar, dass sich die Übersetzerin über alles Gedanken gemacht hat. Sie will den Text zum Beispiel lakonisch halten, also steht dort der Genitiv "des Pferds", nicht "des Pferdes", "des Kleids", nicht "des Kleides", bei manchen Figuren auch "sag ich" oder "sie gehn", aber nicht bei allen. Arte povera in der Sprache, um der Knappheit des Englischen gerecht zu werden.

Andererseits, so darf man vermuten, mag Maria Carlsson keine Marotten, und weil sie ein halbes Jahrhundert lang bewundernswert John Updike übersetzt hat, muss sie niemandem mehr etwas beweisen. Sie weiß, dass Faulkners Rhetorik nur mit Krampf vollständig ins Deutsche zu retten wäre, und würde man das wollen? Man müsste viel Heidegger hineinpumpen, um Faulkners bäuerliche Meditationen von Sein und Zeit nachzubuchstabieren. Also sucht die Übersetzerin nach Texttreue, die sich vertreten lässt, und wahrscheinlich hat sie einen Sinn für Ebenmaß, den sie ungern betrügen würde. Glücklicherweise versucht sie nicht, das Südstaaten-Idiom der Figuren ins Berlinerische oder Bayerische oder Kölsch zu überführen. Hat es in literarischen Übersetzungen alles schon gegeben.

Das Ergebnis ist eine brillante Neuübertragung, ein Faulkner für die kommenden Jahrzehnte. Maria Carlsson schafft um größtmöglicher Schönheit willen größtmögliche Ordnung bei größtmöglicher Genauigkeit, und wer das mit einem abgegriffenen Übersetzerlob als "angemessen" bezeichnen wollte, täte ihr unrecht: Das ist nicht "angemessen", als wäre dafür eine Gussform zur Hand. Darauf muss man selbst kommen. Und dann auch in der Lage sein, es zu verwirklichen.

PAUL INGENDAAY

William Faulkner: "Als ich im Sterben lag". Roman.

Aus dem Englischen von Maria Carlsson. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012. 256 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das doppelte Erscheinen von William Faulkners 1930 erschienenen Roman "As I Lay Dying" auf Deutsch nutzt Angela Schader zu einer vergleichenden Untersuchung der Neuübersetzung durch Maria Carlsson mit der Wiederauflage der 1961 publizierten Übersetzung von Albert Hess und Peter Schünemann. Die besondere Herausforderung in Faulkners Roman besteht in der Vielfalt der Sprechweisen der Protagonisten, der die deutschen Fassungen auf unterschiedliche Weise Rechnung tragen, wie die Rezensentin betont. Carlsson setzt vor allem auf "sprachliche Eleganz", der aber mitunter die Differenzierung der einzelnen Figuren zum Opfer fällt und die manchmal auch einfach zu "brav" rüberkommt, wie Schader kritisiert. In der Fassung von 1961 dagegen findet sie die Versuche, die Figuren in Regionalidiom sprechen zu lassen und auch inneren Monologen mit sparsamer Interpunktion gerecht zu werden, recht überzeugend, auch wenn manches etwas angestaubt wirkt. Übertragungsfehler wurden in der Neuübersetzung zwar ausgebügelt, dafür haben sich auch neue Schnitzer eingeschlichen, so die Rezensentin, die es aber grundsätzlich erfreulich findet, dass der amerikanische Autor zu seinem 50. Todestag mit gleich zwei deutschen Ausgaben seines Romans geehrt wird.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.03.2014

NEUE TASCHENBÜCHER
Ziegelhart gebacken – Faulkners
Kurzepos „Als ich im Sterben lag“
William Faulkner bietet 15 Personen auf, um diese tragikomische Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen. Dabei ist der wichtigste Protagonist in seinem Kurzepos nicht die Familie Bundren. Nicht Vater Anse. Nicht seine fünf Kinder. Und auch nicht seine tote Frau Addie, die zu Lebzeiten Anse das Versprechen abgerungen hat, bei ihrer Familie im 40 Kilometer entfernten Jefferson beerdigt zu werden. Weshalb sich die krummgebuckelte, dickschädelige, holzgesichtige Farmersfamilie ja überhaupt erst aufmacht vom Land in die Stadt, mit einem Maultiergespann, darauf festgezurrt der Holzsarg. Der alles entscheidende Akteur von „Als ich im Sterben lag“ ist – die Natur.
  Faulkner baut das Unwetter, in das der Leichenzug gerät und das die Bundrens restlos aus dem Gleichgewicht bringt, gemächlich auf. Er lässt am Anfang (und dann wieder am Ende) die Sonne scheinen, flirrend und heiß. Wir lesen eine Sommer-und-Südstaaten-Geschichte, die Hitze hat das Land und seine Bewohner „ziegelhart gebacken“. Erst vor der sengenden Kulisse entfaltet dann der um Mitternacht einsetzende Regen seine Kraft. Keineswegs kommt er zufällig. Sukzessive hat Faulkner Andeutung auf Andeutung geschichtet. „Sieht nach Regen aus“, heißt es zuerst, dann, schon etwas bedrohlicher: „Solche Wolken trügen nicht.“ Schließlich: „Das Licht ist kupferfarben, unheilvoll fürs Auge.“ Würde man Vergleichbares in der deutschsprachigen Literatur suchen, man müsste Stifter nennen.
  Der Regen lässt den Fluss über die Ufer treten und spült alles weg. Nicht nur die Brücke und die Maultiere, sondern auch den Sinn und den Verstand. Der zahnlückige Anse handelt zusehends irrational, das gebrochene Bein des ältesten Sohnes Cash wird einzementiert, Darl, der zweitälteste, dreht wirklich durch: „Ja ja ja ja ja ja.“ Selbst der Text wird geflutet. Der Bericht des kleinen Vardaman strömt ohne Punkt und Komma dahin, dann erhebt auch die Verstorbene ihre Stimme. „Als ich im Sterben lag“, 1930 erschienen, ist von archaischer Wucht.  FLORIAN WELLE
William Faulkner: Als ich im Sterben lag. Aus dem Englischen von Maria Carlsson. Rowohlt Verlag, Reinbek 2014.
246 Seiten, 9,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"William Faulkner darf als eines der sieben stilistischen Weltwunder des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden." -- Neue Zürcher Zeitung

"Faulkner selbst bezeichnete Als ich im Sterben lag als sein bestes Werk. Es hat tatsächlich etwas Zeitlos-Mythisches." -- Helmut Böttiger, Deutschlandradio Kultur

"Eine brillante Neuübertragung, ein Faulkner für die kommenden Jahrzehnte." -- Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Man liest und staunt und lacht und weint." -- Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung

"Ebenso atemberaubend wie das Geschehen ist Faulkners Sprache." -- Dresdner Neueste Nachrichten

"Ein Held der literarischen Moderne." -- Die Welt
Ein Held der literarischen Moderne. Die Welt