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Ein Pornodarsteller erzählt von seinem letzten Job als Leibwächter einer suizidgefährdeten Milliardärstochter; der Besucher eines Pferderennens wird im beiläufigen Gespräch mit einem Nebenstehenden Zeuge des Augenblicks, in dem ein Mord geplant wird; ein an Depressionen leidender Schriftsteller setzt seine Medikamente ab, um seine Forschungsarbeit über den Schmerz zu vervollkommnen; ein Geist schildert minutiös die Umstände seines Todes und erinnert sich in allen quälenden Einzelheiten an die Zeit »als ich sterblich war« . . . Mord, Verführung, ungewollter Sex, Geistererscheinungen, Lüge und…mehr

Produktbeschreibung
Ein Pornodarsteller erzählt von seinem letzten Job als Leibwächter einer suizidgefährdeten Milliardärstochter; der Besucher eines Pferderennens wird im beiläufigen Gespräch mit einem Nebenstehenden Zeuge des Augenblicks, in dem ein Mord geplant wird; ein an Depressionen leidender Schriftsteller setzt seine Medikamente ab, um seine Forschungsarbeit über den Schmerz zu vervollkommnen; ein Geist schildert minutiös die Umstände seines Todes und erinnert sich in allen quälenden Einzelheiten an die Zeit »als ich sterblich war« . . .
Mord, Verführung, ungewollter Sex, Geistererscheinungen, Lüge und Betrug - in zwölf dichten Geschichten hat der Autor diese dem begeisterten Marias-Leser wohlvertrauten Themen meisterhaft verwoben.

Javier Marias, 1951 in Madrid geboren, gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des heutigen Spaniens. Seit seinem Welterfolg 'Mein Herz so weiß' (1992, dt. 1996) ist er mit zahlreichen international wichtigen Preisen geehrt worden, u. a. 1995 mit dem Premio Rómulo Gallegos, 1996 mit dem Prix Femina Étranger, 1997 mit dem International IMPAC Dublin Literary Award und dem Nelly-Sachs-Preis für sein Gesamtwerk sowie 1998 mit dem Mondello-Literaturpreis der Stadt Palermo. Sein umfangreiches Werk wurde inzwischen in 26 Sprachen übersetzt.

Autorenporträt
Marías, Javier
Javier Marías, 1951 in Madrid geboren, gilt als einer der interessantesten Schriftsteller des heutigen Spaniens. Seit seinem Welterfolg 'Mein Herz so weiß' (1992, dt. 1996) ist er mit zahlreichen international wichtigen Preisen geehrt worden, u. a.: 1995 Premio Rómulo Gallegos, 1996 Prix Femina Étranger, 1997 International IMPAC Dublin Literary Award, Nelly-Sachs-Preis, 1998 Premio Letterario Internazionale Mondello der Stadt Palermo, 2000 Premio Internazionale Ennio Flaiano, Premio Grinzane Cavour sowie Premio Internazionale Alberto Moravia. Sein umfangreiches Werk wurde inzwischen in 32 Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.1999

Mein Text so kurz
Keine Lust, keine Zeit: Javier Marías erzählt / Von Florian Illies

Von Javier Marías, dem vielgerühmten spanischen Romancier, ist in diesem Frühjahr ein merkwürdiges Buch erschienen. Dabei hatte der Verlag wahrscheinlich gedacht, er habe alles richtig gemacht: Der Titel "Als ich sterblich war" nimmt das dumpfe Shakespeare-Pathos der erfolgreichen Bücher "Mein Herz so weiß" und "Morgen in der Schlacht denk an mich" auf, die Fotografie auf dem Titelbild, Horst P. Horsts legendäres Schnürkorsagenbild von hinten, verkörpert den geschlechterübergreifenden Grundkonsens von Sinnlichkeit - und ist offenbar eine erste zarte Wiedergutmachung des Stuttgarter Verlages an seinem Bestsellerautor, der in den Jahren zuvor jeweils mit dem häßlichsten Schutzumschlag des an häßlichen Schutzumschlägen nicht armen Programms bei Klett-Cotta eingewickelt wurde. Diesmal also: Meine Korsage so weiß oder: Morgen in der Vertreterversammlung denk an mich.

Auch war wohl von den Nachttischen der Republik zum Verlag die Kunde gedrungen, daß sich zwar viele Leser von Marías zu Gängen durch die undurchdringlichen Schächte der Erinnerung und des Sehnervs verführen ließen - aber nur die wenigsten, ausdauerndsten kamen an. Da war es nicht mehr weit bis zu diesem Kurzstrecken-Marías. Zwölf Geschichten von 1991 bis 1995, mit den bekannten Themen: Liebe, Ritter, Tod und Teufel. Man ahnt, was die Hoffnung war: Die Rezensenten sollten schreiben - und die Leser dann denken: "Hier ist der große Romancier als Meister der kleinen Form zu entdecken." Doch nichts davon. Dieser Band mit Erzählungen ist eine Enttäuschung.

In unangehmer Ehrlichkeit schildert uns der Autor im Vorwort, wie es dazu kam. Alle Texte, so erklärt Marías hier, waren Auftragsarbeiten: "Drei Seiten hier, zehn Seiten da, etwas über vierzig dort, die Anforderungen sind sehr unterschiedlich, und man versucht ihnen, so gut es geht, gerecht zu werden." Ein ernüchternderes Bild des erfolgreichen Schriftstellers als Verwalter seiner Imagination und Buchhalter seiner Erinnerung hat man selten lesen können. Meist sei ihm, so schreibt Marías, das Thema vorgegeben worden, der Umfang ohnehin, einmal wurden ihm, wie bei einem Stegreifdichter, sogar die zentralen Begriffe (Meer, Ungeheuer, Tier) genannt. Das nennt er zwar, in einer Fußnote, "eine chinesische Folter", doch er unterläßt den Hinweis, warum man sich als Leser für eine ganz und gar verquere Geschichte interessieren soll, der man auf jeder Zeile die chinesischen Qualen des Autors ansieht.

Natürlich kann man es keinem Autor vorwerfen, sich aus Gründen des Broterwerbs und der spezifisch spanischen Tradition den Wünschen der Zeitungsredakteure zu beugen. Doch es mag sich beim deutschen Leser nicht die rechte Ernsthaftigkeit einstellen, wenn er lesen muß, daß etwa die Erzählung "Geringere Skrupel" ohne größere Skrupel für dieses Buch "erweitert wurde (in diesem Fall um etwa fünfzehn Prozent)". Aber diese Irritation mag auch mit der Tatsache zusammenhängen, daß man mit der Form der Literatur als Dienstleistung, die in Spanien auch für die größten Dichter des Landes gang und gäbe ist, wenig vertraut ist. Wer sich an solcherlei Dingen störe, der habe, so schreibt Marías vorsorglich an den deutschen Leser, "puristische Klischees" im Kopf. Nun ja.

Marías' Romane zeichnet ein ganz spezifischer Rhythmus aus, das Pendel der Erzählung hat eine besonders lange Flugbahn, die Bücher haben Sinnlichkeit, Spannung, Bildung. Vor allem haben sie ein Geheimnis. So lange wird hier der Bogen gespannt, ohne daß der Pfeil abgeschossen wird, daß man sich irgendwann vergißt und nur noch für die Muskelkraft interessiert, die das Spannen ermöglicht, und für die träge Seelenruhe, die das Loslassen verhindert. In seinen Erzählungen jedoch, "drei Seiten hier, zehn Seiten da", hat Marías für solche Prozeduren keine Zeit mehr. Hier wird geschossen, daß einem die Pfeile um die Ohren zischen.

Wenn Marías' Imagination Raum hat, wie in seinen Romanen, dann durchmißt sie ihn mit langen Schritten, macht hier ein Fenster auf, zerrt dort an einer verschlossenen Schranktür, schlägt am Ende den Teppich zurück, und man sieht das Blut auf dem Dielenboden, das auch Rotwein sein könnte. Hier beweist er sich als großer Schriftsteller unserer Zeit. Wenn Marías' Imagination jedoch Raumnot hat und Eile, wie in diesen Erzählungen, dann reißt sie, wie ein Einbrecher, alles aus den Schubladen. Auch die exzellente Titelerzählung "Als ich sterblich war", in der Marías auf engem Raum seine luzide Sicht auf den Überlebenskampf des Lebens und seine Banalität ausbreitet, wird dadurch in Mitleidenschaft gezogen, daß der Autor den Erzähler dieser Zeilen ans Licht zerrt: Es ist ein "Gespenst". Doch sobald es als solches benannt ist, verliert es alles Gespenstische. So wie hier wird leider ständig alles aufgedeckt, alles benannt. Javier Marías also schreibt etwa in der Erzählung "Lanzenblut": "Es war, als versuchte man eine Geschichte zu ergründen" - doch dann ist der Satz noch nicht zu Ende, sondern es geht weiter, als dürfe auch nicht der kleinste Gedanke unausgesprochen bleiben. Eine Geschichte also, so heißt es weiter, "deren hauptsächliche Elemente einem vorenthalten werden und von der man nur einzelne Gegebenheiten weiß". Die Sehnsucht des Lesers, daß ihm nun endlich einmal wenigstens eine einzige Gegebenheit vorenthalten würde, wächst dann ins Unermeßliche, wenn er in der Titelerzählung folgende Sätze lesen muß. "Ich legte mich vor den Fernseher und schaute Sendungen, Luisa brachte mir kalten Braten mit geraspeltem Ei, den sie im Geschäft gekauft hatte, bestimmt hatte sie keine Lust oder keine Zeit gehabt, mir Tortilla zu machen." Selten sah man so viel retardierendes Beiwerk auf so wenig Platz. Was soll man bitte sonst im Fernseher schauen, wenn nicht Sendungen, und warum darf man sich nicht selbst seinen Teil denken, wenn Luisa auf einmal keine Lust hat zu kochen?

Der Autor hat offenbar Lust und Zeit, dem Leser diese Aufgabe vollständig abzunehmen. Leider wurde ihm dabei auch von der Übersetzerin Elke Wehr geholfen. Oft zweifelt man, ob sich Marías im Spanischen wirklich so kompliziert ausgedrückt hat. Und nicht selten ist man sich sicher, daß er hoffentlich nie geschrieben hat: "Er wird mit dem Wagen gekommen sein, dachte ich von dem Arzt." Sie wird müde gewesen sein, denkt man da von der Übersetzerin. Auch einem Ungetüm wie dem folgenden hätte man gerne ein Korsett gewünscht, das so eng geschnürt ist, wie es das Titelbild verspricht: "Wir trennten uns einen Augenblick, Ruibérriz und ich, er ging zum Wagen, um mich abzuholen, sobald sie in ihren stiegen, es waren keine Leute, die Taxi fuhren" - und dann dies: "Als sie es taten, stieg ich in den unseren." Das "es", was sie taten, war nicht das Fahren, sondern das Einsteigen. Und so konnte er eigentlich nur in "unseren" Wagen steigen oder aber in "den unsrigen" - aber vielleicht gehören wir ja auch zu den Leuten, die Taxi fahren, wer weiß.

Auf jeden Fall gehören wir zu den Leuten, die Bezüge zwischen Frauen in weißen Korsagen auf Titelbildern zu dem Buchinhalt herzustellen versuchen. Doch nachdem uns auch die letzte Erzählung, "Keine Liebe mehr", diesbezüglich unbefriedigt hinterlassen hat, vielmehr erneut ein Gespenst namentlich auftrat, müssen wir wohl zum gröbsten Mittel greifen: der Unterstellung. Wir unterstellen also dem Verlag, daß der beauftragte Grafiker glaubte, er entwerfe das Titelbild für den neusten Roman von Marías, der im letzten Jahr in Spanien erschienen ist und den Titel trägt: "Dunkler Rücken der Zeit". Klar, daß man da als Klett-Cotta-Grafiker an Horst P. Horsts Bildnis eines Rückens denken muß. Aber vielleicht hatte der Grafiker auch bereits diese Erzählungen gelesen und wollte mit seinem Vorschlag nur seine Sehnsucht nach der Rückkehr des Romanciers Javier Marías dokumentieren, die in diesem Fall auch unsere ist - und die unsrige.

Javier Marías: "Als ich sterblich war". Erzählungen. Aus dem Spanischen übersetzt von Elke Wehr. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1999. 238 S., geb., 36 ,- DM.

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