„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – das könnte über Christian Bärs Buch „ALS und andere Ansichtssachen“ stehen. Ich kannte den Verfasser und seinen preisgekrönten Blog [ madebyeyes ] vorher nicht, hatte aber einige flüchtige Berührungspunkte mit ALS, daher hatte ich an das Buch keine Erwartungen
und wurde positiv überrascht. Es ist ein überwiegend flapsig geschriebenes Buch und trotz einiger…mehr„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – das könnte über Christian Bärs Buch „ALS und andere Ansichtssachen“ stehen. Ich kannte den Verfasser und seinen preisgekrönten Blog [ madebyeyes ] vorher nicht, hatte aber einige flüchtige Berührungspunkte mit ALS, daher hatte ich an das Buch keine Erwartungen und wurde positiv überrascht. Es ist ein überwiegend flapsig geschriebenes Buch und trotz einiger Exkurse in Politik und Organisatorisches locker zu lesen. Die viele Selbstironie und der „Galgenhumor“ haben mich aber doch manchmal überrascht.
Aber von vorn.
Christian Bär ist 38 Jahre alt und gerade Vater geworden, als er 2016 die Diagnose ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) bekommt. Begonnen hatte seine Krankheit schon früher mit Muskelzucken („Mein rechter Bizeps fing an, unentwegt zu zucken und hat damit bis heute nicht mehr aufgehört. Stattdessen hatte er seine Nachbarn motiviert, es ihm doch gleichzutun, und so zuckte ein Jahr später so ziemlich alles. Bis zum All-you-can-zuck lag aber noch ein Jahr vor uns“) und Muskelschwäche („Sowohl mein rechtes Bein als auch mein rechter Arm funktionierten nicht so schnell wie ihre linken Pendants“). Als er es vor seinem Umfeld nicht mehr verbergen kann, drängen ihn seine Frau und seine Schwiegermutter, einen Arzt aufzusuchen. ALS lautet die Diagnose, eine Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren beträgt bei rapide fortschreitender Pflegebedürftigkeit lautet damit die Prognose. Der passionierte Sportler ist zunehmend auf Hilfe angewiesen, benötigt ab 2017 einen Rollstuhl, ein rollstuhlgerechtes Auto und verliert zunehmend Fähigkeiten wie sprechen. Bei der Kommunikation greift er auf einen Sprachcomputer zurück, den er Klaus nennt. Diesen steuert er mit den Augen, auch das Buch und sein preisgekrönter Blog entstanden so.
Christian Bär ist realistisch. Alle Medikamente, die im Zusammenhang mit ALS genannt werden, bringen keine Heilung, bestenfalls einen Aufschub. Er schreibt über Riluzol, das einzige in Deutschland zugelassene Medikament und über Edaravone, ein Mittel, das in Deutschland und der EU nicht zugelassen ist. Es kann verschrieben und verabreicht werden, „Die Kosten können auf Antrag von der Krankenkasse übernommen werden.“ – dieser Satz taucht einige Male im Buch auf und zeigt die immer wiederkehrende Willkürlichkeit, der Menschen mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen ausgesetzt sind. Natürlich schreibt Christian Bär auch sehr viel über das „Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz“ der alten Bundesregierung, das Menschen aus der ambulanten Intensivpflege in die vollstationäre Unterbringung zwingen wollte. Dieses „RISG“ hängt wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen.
Der sehr spezielle Humor des Verfassers ist sicher nicht jedermanns Sache, ebenso die Tatsache, dass er gefühlt in jeden Kapitel vom Thema abschweift und sich selbst dann zur Ordnung ruft. Aber eines ist klar: Christian Bär zeigt, dass er trotz seiner zunehmenden Hilfsbedürftigkeit das Positive im Leben sehen kann. „Nur weil ich altere und mich verändere, fühlt sich mein und unser Leben nicht weniger lebenswert an“, schreibt er. „Ich bin zum Ergebnis gekommen, dass ich insgesamt glücklich bin. [..] Mir geht dieses in Mode gekommene Dauergejammer ohnehin auf den Senkel.“ Bei den von ihm verwendeten Hilfsmitteln erwähnt er, dass der inzwischen verstorbene Bruno Schmidt von „ALS – Alle lieben Schmidt“ eine Liste erstellt hat. Da traf Christian Bär bei mir einen Nerv, denn ich durfte Bruno Schmidt kennenlernen und zwei Benefizläufe mit ihm bestreiten.
Das Buch besteht mehr oder weniger aus aneinandergereihten Blog-Beiträgen, die mit Augensteuerung geschrieben wurden. Keine Ahnung, ob es daher überhaupt ein Lektorat gab. Fakt ist, dass mir einige handwerkliche Fehler aufgefallen sind, Rechtschreibfehler, Wiederholungen und die schlichtweg falsche Aussage, „Die Pandemie ist überstanden […].“ Große Literatur ist es nicht, aber ich fand es informativ und unterhaltsam und vergebe vier Punkte.