Wer Antonio Dal Masetto kennt, wird von diesem Buch überrascht sein. Es ist anders. Diese Erzählung spielt in Italien, genauer in Norditalien, in der kleinen Stadt Tarni am See - unschwer als Intra am Lago Maggiore zu erkennen, wo der Autor lebte, bis er zwölf Jahre alt war.Es geht um die Geschichte der 80-jährigen Agata, die 1911 geboren wurde. Sie erzählt ihr Leben vom Beginn bis zur großen Fahrt in die 'Neue Welt', nach Argentinien. Sie erzählt von ihrer Kindheit in ärmlichen Verhältnissen, von ihrem Vater, der sich mit verschiedenen Jobs durchschlägt. Sie erzählt, wie man sie nach dem frühen Tod der Mutter in ein Klosterinternat steckt, wie sie leidet und schließlich nach Hause flüchtet. Sie erzählt von Kinderstreichen, von Freuden und Freundschaften, davon, wie sie ihren Vater, der Witwer ist, mit einer jungen Frau 'verkuppelt', die zunächst vor allem ihr selber gefällt, sie erzählt vom ersten Tanz und wie sie Mario, ihren künftigen Mann, kennen und lieben lernt.Es sind auchdie Jahre des faschistischen Regimes, das in der Erzählung ganz allmählich Gestalt annimmt, parallel zur schärfer werdenden Wahrnehmung der Erzählerin. Das Bild einer ganzen Region und einer ganzen Epoche Italiens ersteht vor den Augen der Leserinnen und Leser.Eine wunderschön erzählte Lebensgeschichte, ganz aus der Perspektive der jungen Frau, die die Mutter des Autors sein könnte.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Antonio Dal Masetto sorgt mit seinem bereits 1990 in Argentinien erschienenen und erst jetzt auf Deutsch vorliegenden Roman für eine Überraschung, die Uwe Stolzmann aber nicht so recht glücklich macht. Der Autor wurde 1938 in Italien geboren und wanderte mit seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien aus, teilt der Rezensent mit. Er ist vor allem als Verfasser von sozialkritischen und politischen Krimis bekannt, das vorliegende Werk aber stellt uns die alte Agata vor, die sich an ihr Leben am Lago Maggiore zurückerinnert, erklärt Stolzmann. Alles andere als eine "Postkartenidylle", reminisziert die alte Frau, die durchaus die Mutter des Autors sein könnte, über eine Kindheit in Armut, harte Arbeit und erste Liebe und erinnert sich an den Einzug des Faschismus, der das Alltagsleben zunehmend verdüstert. Etwas langweilig findet der Rezensent, dass sämtliche Protagonisten zu den antifaschistischen Italienern gehören. Außerdem scheint ihm der ruhige Fluss der Lebenserzählung über "stillen Lesegenuss" und ein nostalgisches "so war das damals" nicht hinauszugehen, was Stolzmann offensichtlich ziemlich unbefriedigend findet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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