Das ehemalige Reichsstift St. Emmeram in Regensburg besaß einst eine prachtvolle liturgische Ausstattung, von der heute nur noch das im Bayerischen Nationalmuseum erhaltene Schatzbuch Zeugnis abgibt. Die meisten der hochwertigen Gold- und Silberschmiedeerzeugnisse wurden während der französischen
Besatzung säkularisiert, in der bayerischen Münze zerlegt und 1811 eingeschmolzen. Von diesem…mehrDas ehemalige Reichsstift St. Emmeram in Regensburg besaß einst eine prachtvolle liturgische Ausstattung, von der heute nur noch das im Bayerischen Nationalmuseum erhaltene Schatzbuch Zeugnis abgibt. Die meisten der hochwertigen Gold- und Silberschmiedeerzeugnisse wurden während der französischen Besatzung säkularisiert, in der bayerischen Münze zerlegt und 1811 eingeschmolzen. Von diesem Schicksal blieben allerdings die wertvollen Paramente verschont, die ebenfalls im Schatzbuch erwähnt werden und zum Teil bis heute erhalten sind. „Altarpracht“ dokumentiert zu ersten Mal seit der in der Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgten, umfangreichen Erfassung im Schatzbuch, den aktuellen Bestand der Textilien, erforscht die Provenienzgeschichte, Materialien und Verarbeitung in allen Details. Im Fokus steht dabei auch die Zweitverwertung der verwendeten Materialien und natürlich ihr liturgischer Gebrauch.
Zweitverwendungen sind nicht selten, sei es, dass alte Messgewänder auseinandergenommen und in neuer Form wieder zusammengenäht, oder kostbare Stoffe aus weltlich-zeremoniellem Zusammenhang als Parament weiterverwertet wurden. Insbesondere nach der französischen Revolution wurden enorme Mengen hochwertigster Stoffe aus Adelsroben auf den Markt geworfen und die Preise stürzten damals ins bodenlose, was den Kirchen neue Möglichkeiten erschloss.
Auch nach 1812 gab es bedeutende Stiftungen, wobei als Kuriosum sicher die beiden Kaseln gelten können, die Fürstin Margarethe von Thurn und Taxis um 1900 in avantgardistischem Design und Collagetechnik mit eigener Hand schuf.
Nach einleitenden, summarischen Kapiteln zur Geschichte des Stifts und der bedeutendsten Stifter der Paramente folgt der chronologische Katalog. Neben den fotografischen Abbildungen sind für Objekte des 18. Jahrhunderts als Vergleich die entsprechenden Seiten aus dem Schatzbuch gestellt, außerdem gibt es vereinzelt Detailvergrößerungen, die die komplizierten Sticktechniken dokumentieren. Insgesamt sind es 78 Positionen, die selber z. T. wieder kleinere und größere Konvolute umfassen, darunter auch Posamente und einige textile Klosterarbeiten. Die Steckbriefe enthalten ausführliche Angaben zu Art und Herkunft der Materialien und ihrer Verarbeitungstechniken, Datierungen, sowie der Provenienz- und Nutzungsgeschichte. Die schriftliche Quellenlage wird bibliografisch aufgearbeitet. Erstaunlich ist die oft bemerkenswerte Farbfrische der alten Textilien, die von hoher Wertschätzung und umsichtiger Handhabung zeugen.
Die noch nicht im Katalogteil abgebildeten Objekte aus dem Schatzbuch (Gold- und Silberschmiedearbeiten) sind in einem separaten Kapitel faksimiliert und es werden Versuche unternommen, die dargestellten liturgischen Geräte in einen kunsthistorischen Kontext zu stellen. Zum Teil lassen sich auch noch Stifter benennen. Im Anhang finden sich zwei transkribierte Archivalien aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die den Paramentenbestand in St. Emmeram zu diesem Zeitpunkt festhalten.
Der Band ist sehr hochwertig ausgestattet, mit einem stabilen Schuber und großzügigem Seitenlayout. Man spürt beim Lesen, dass den Herausgebern mehr an diesem Werk liegt als die rein wissenschaftliche Aufarbeitung des Bestandes. Es ist im übertragenen Sinn das „Schatzbuch des 21. Jahrhunderts“, das die Errungenschaften aber auch die Glaubenspraxis der früheren Generationen würdigt. Darüber hinaus belegt es in besonderer Weise den reichsfürstlichen Repräsentationsanspruch Emmeramer Fürstäbte und die Pracht sakraler Festkultur im 18. Jahrhundert.