Wenn harte Arbeit anfängt, romantisiert zu werden, dann ist der Höhepunkt ihrer Bedeutung für die Gesellschaft meist überschritten. Uns beeindruckt heute die formvollendete Funktionalität der Alten Mühlen, die ein besonders schönes und ästhetisch ansprechendes Beispiel landschaftsgebundener und landschaftsgerechter anonymer Architektur bilden, ebenso, wie uns die alten Geräte aus Holz und Stein zum Teil fast schon als Kunstobjekte anmuten können. Viele intakte Mühlen bestehen immer noch in Landschaften, deren Unterentwicklung sie notgedrungen vor der Abreiß- und Modernisierungswut bewahrt hat.Gerhard Trumler zeigt eine Welt, die unter die Räder gekommen ist. Unter die Räder der Technisierung und Motorisierung. Eine Welt die vielleicht nur mehr einen kurzen Moment, einen stillen Augenblick noch existiert. Trumlers Photographien schildern die Melancholie des Verfalls und der Schönheit solch alten Bauten und Geräte; sie sind aber auch ein Aufruf an uns alle, zu retten, was noch zu retten ist, wiederzubeleben, wo es noch möglich ist.Diese Buch stellt ein Kompendium dar, worin alle bekannten Alten Mühlen Österreichs dokumentiert sind, welche vom Autor in den Jahren 2012 bis 2014 aufgefunden wurden.Es ist dies die umfangreichste Zusammenstellung aller Alten Mühlen auf diesem Gebiet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2015Es klappert keine Mühle mehr
Jeder wusste, dass man sie brauchte. Ohne Müller keine Mühle, ohne Mehl kein Brot. Und doch: Man fürchtete sich ein wenig vor diesen Männern, sie waren häufig Außenseiter der dörflichen Gemeinschaft. Steckten mit dem Teufel oder den Hexen unter einer Decke, so hieß es, allemal waren sie schwer zu durchschauen, vielleicht sogar verschlagen. Bis in die Neuzeit hinein galt das Gewerbe des Müllers als anrüchig und unehrlich. Und das nur, weil die Mühlen oft an Bächen und Flüssen außerhalb der Siedlungen standen- und damit weit weg von den Blicken der Kirche und Obrigkeit. Gerhard Trumler, Doyen der österreichischen Fotografie, kann über derlei Klischees nur lächeln. Über etliche Jahre hinweg war er alten Mühlen auf der Spur und hat dabei erfahren, was Müller wirklich zu leisten hatten. In der Abgeschiedenheit ihres Arbeitsplatzes waren sie über ihr eigens Handwerk hinaus zugleich Baumeister, Tischler, Schmiede und Zimmerleute. "Alte Mühlen in Österreich" nennt Gerhard Trumler seinen jüngsten Bildband. Darin dokumentiert er ein Stück Kulturgeschichte, das allmählich in Vergessenheit gerät. "Alles verschwindet. Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch etwas sehen wollen!" Paul Cézannes Credo wurde zum Motto von Trumlers Recherchen, die er zudem auf Sägen, Schmieden und Stampfen ausgedehnt hat. Er habe lange und beharrlich suchen müssen, um in Österreich Reste der einstigen Müllerherrlichkeit aufzuspüren, erklärt der achtundsiebzig Jahre alte Fotograf in seinem Vorwort. Viele der früheren Produktionsstätten sind heute stillgelegt und dem Verfall preisgegeben. Flechten kriechen über die Mühlräder, in den Mahlstuben hausen Ratten und Mäuse, Rost nistet in den Dieselmotoren und überzieht die Sägeblätter. Die Fotos sind eine melancholische Hommage auf ein fast ausgestorbenes Handwerk. Wer sich auf die subtilen Bilder einlässt, wird allerdings bemerken, dass einige der morschen Gemäuer neu zu leben beginnen. Immer wieder einmal sind Menschen in die Mühlen, Schmieden oder Sägen eingezogen, die dafür sorgen, dass das Erbe ihrer Vorfahren nicht vollends den Bach hinuntergeht. Und so wird Trumlers Band zum vorsichtigen Manifest: Noch ist nicht alles verloren - und vielleicht auch zum Auslöser eines romantischen Plans.
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"Alte Mühlen in Österreich - Mühlen, Sägen, Schmieden, Stampfen" von Gerhard Trumler. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2015. 224 Seiten, 880 Fotos. Gebunden, 44 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jeder wusste, dass man sie brauchte. Ohne Müller keine Mühle, ohne Mehl kein Brot. Und doch: Man fürchtete sich ein wenig vor diesen Männern, sie waren häufig Außenseiter der dörflichen Gemeinschaft. Steckten mit dem Teufel oder den Hexen unter einer Decke, so hieß es, allemal waren sie schwer zu durchschauen, vielleicht sogar verschlagen. Bis in die Neuzeit hinein galt das Gewerbe des Müllers als anrüchig und unehrlich. Und das nur, weil die Mühlen oft an Bächen und Flüssen außerhalb der Siedlungen standen- und damit weit weg von den Blicken der Kirche und Obrigkeit. Gerhard Trumler, Doyen der österreichischen Fotografie, kann über derlei Klischees nur lächeln. Über etliche Jahre hinweg war er alten Mühlen auf der Spur und hat dabei erfahren, was Müller wirklich zu leisten hatten. In der Abgeschiedenheit ihres Arbeitsplatzes waren sie über ihr eigens Handwerk hinaus zugleich Baumeister, Tischler, Schmiede und Zimmerleute. "Alte Mühlen in Österreich" nennt Gerhard Trumler seinen jüngsten Bildband. Darin dokumentiert er ein Stück Kulturgeschichte, das allmählich in Vergessenheit gerät. "Alles verschwindet. Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch etwas sehen wollen!" Paul Cézannes Credo wurde zum Motto von Trumlers Recherchen, die er zudem auf Sägen, Schmieden und Stampfen ausgedehnt hat. Er habe lange und beharrlich suchen müssen, um in Österreich Reste der einstigen Müllerherrlichkeit aufzuspüren, erklärt der achtundsiebzig Jahre alte Fotograf in seinem Vorwort. Viele der früheren Produktionsstätten sind heute stillgelegt und dem Verfall preisgegeben. Flechten kriechen über die Mühlräder, in den Mahlstuben hausen Ratten und Mäuse, Rost nistet in den Dieselmotoren und überzieht die Sägeblätter. Die Fotos sind eine melancholische Hommage auf ein fast ausgestorbenes Handwerk. Wer sich auf die subtilen Bilder einlässt, wird allerdings bemerken, dass einige der morschen Gemäuer neu zu leben beginnen. Immer wieder einmal sind Menschen in die Mühlen, Schmieden oder Sägen eingezogen, die dafür sorgen, dass das Erbe ihrer Vorfahren nicht vollends den Bach hinuntergeht. Und so wird Trumlers Band zum vorsichtigen Manifest: Noch ist nicht alles verloren - und vielleicht auch zum Auslöser eines romantischen Plans.
aber
"Alte Mühlen in Österreich - Mühlen, Sägen, Schmieden, Stampfen" von Gerhard Trumler. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2015. 224 Seiten, 880 Fotos. Gebunden, 44 Euro.
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