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Können Muslime den Koran heute neu verstehen? Kann der Koran dann noch als offenbartes Gotteswort gelten? In der Türkei gibt es inzwischen islamische Theologen, die sich der Herausforderung der historischen Kritik ernsthaft stellen. Sie nehmen Fragestellungen und Methoden westlicher Philosophie auf und führen sie islamisch weiter. Der philosophisch-theologische Neuansatz wird hier zum ersten Mal in zentralen Texten dokumentiert und erschlossen.

Produktbeschreibung
Können Muslime den Koran heute neu verstehen? Kann der Koran dann noch als offenbartes Gotteswort gelten? In der Türkei gibt es inzwischen islamische Theologen, die sich der Herausforderung der historischen Kritik ernsthaft stellen. Sie nehmen Fragestellungen und Methoden westlicher Philosophie auf und führen sie islamisch weiter. Der philosophisch-theologische Neuansatz wird hier zum ersten Mal in zentralen Texten dokumentiert und erschlossen.
Autorenporträt
Felix Körner (geb. 1963) hat in München, London, Bamberg und Freiburg i. Ü. Philosophie, katholische Theologie, Islamwissenschaften und Turkologie studiert. Promotion über türkische Koranauslegung. Er ist Mitglied der Ankaraner Jesuitenkommunität.

Die türkischen Theologen sind Ömer Özsoy (1963-), Mehmet Paçaci (1959-), Burhanettin Tatar (1965-), Yasar Nuri Öztürk (1945-).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2007

Die Schule von Ankara
Ein Sammelband: Neue Ansätze zur Koranauslegung in der Türkei / Von Rainer Hermann

Päpste bleiben in Erinnerung mit dem, was sie getan haben. Einige Monate identifizierte die Welt Benedikt XVI. mit dessen Vorlesung in Regensburg. Seit Ende November ist er freilich auch der Papst, der die Türkei besucht und zu einem Ausgleich zwischen den Zivilisationen beigetragen hat. Beim gegenwärtigen Misstrauen wäre dies in keinem anderen Land mit muslimischer Bevölkerung möglich gewesen. In Ankara konferierte er mit dem Leiter der Religionsbehörde, Bardakoglu, in Istanbul hielt er neben dem Mufti Çagrici in der Blauen Moschee zum Gebet inne.

Der ehemalige Professor Ratzinger sprach mit dem Professor für islamisches Recht Bardakoglu und dem Professor für islamische Philosophie Çagrici. Bardakoglu hatte den Papst nach dessen Regensburger Vorlesung als erster Theologe der islamischen Welt scharf angegriffen, und Çagrici war einer der 38 Theologen, die Mitte Oktober an den Papst einen Brief geschrieben hatten, in dem sie die umstrittenen Passagen kommentierten und einen Dialog anboten. Bardakoglu und Çagrici sind die führenden Vertreter des türkischen Islam, sie zählen auch zu den Reformtheologen der Türkei. Deren Zentrum ist die Theologische Fakultät Ankara. Dort bildete sich eine Denkrichtung mit Mut zu neuem Denken heraus, das auch westliche Ansätze aufnimmt. Starken Einfluss hatten der in Chicago lehrende pakistanische Denker Fazlur Rahman und der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer. Fazlur Rahman forderte, aus dem Koran die ethischen Prinzipien zu destillieren und dieses Destillat in jeder Zeit neu aufzugießen. Gadamer lieferte den Ankaraner Theologen das hermeneutische Werkzeug, den alten Text im neuen Kontext der Gegenwart zu lesen.

In diesem Sammelband stellt Felix Körner die wichtigsten Vertreter der "Ankaraner Schule" vor. Dazu wählte er Aufsätze von Ömer Özsoy und Mehmet Paçaci, Burhanettin Tatar und Yasar Nuri Öztürk aus, übersetzte und kommentierte sie. Ihr Denken sei bedeutsam für die gesamte islamische Welt, auch wenn sie zunächst Anerkennung auf dem Balkan und in Zentralasien findet, weniger in der arabischen Welt und in Iran. Ausgangspunkt für Özsoy ist, dass der Koran nicht in der Begrifflichkeit der Gegenwart spreche und nicht die Probleme der Gegenwart behandle. Zwischen koranischer Verkündigung und der Außenwelt gebe es keine "Eins-zu-eins-Beziehung". Für Özsoy ist der Koran kein Text, den man einfach aufschlage, um die heutigen Fragen zu beantworten. Den Koran charakterisiert er als eine geschichtliche Form des transzendenten göttlichen Worts. Jede Koranstelle sei gesprochenes Wort. Um es zu verstehen, müsse man auch den außertextlichen Kontext verstehen.

Paçaci wiederum beschäftigt sich mit der Bibel und nachbiblischen Traditionen, um den Koran zu verstehen. Er setzt sich mit der historisch-kritischen Hermeneutik des evangelischen Theologen Johann Salomo Semler (gestorben 1791) auseinander, der zwischen Gottes Wort und der Heiligen Schrift unterschied. Paçaci kommt zum Ergebnis, dass es für den Koran Offenbarungsanlässe in Raum und Zeit gegeben habe. Heute gelte es, hinter der Geschichtlichkeit des Worts die dahinter verborgenen ethisch-religiösen Prinzipien zu entdecken und sie für die Gegenwart nutzbar zu machen. Paçaci setzt Hermeneutik und Idschtihad gleich, also die selbständige Auslegung des Korans, die die islamische Theologie im 12. Jahrhundert für beendet erklärt hatte.

Der Band zeigt, dass auch islamische Theologie intellektuell anspruchsvoll und kreativ sein kann und nicht nur, wie in weiten Teilen der arabischen Welt, Altbekanntes ohne Berücksichtigung des Heute wiederkäut. Kein anderer nichtmuslimischer Wissenschaftler verfolgt den Diskurs der islamischen Theologen der Türkei so nah und kenntnisreich wie der deutsche Jesuit Körner. Das Mitglied der Ankaraner Jesuitenkommunität hatte sich bereits in seiner Promotion mit türkischen Theorien der Koranauslegung beschäftigt. Vorlesungen hält er an der islamischen Theologischen Fakultät Ankaras und an der renommierten Orta Dogu Teknik Üniversitesi (ODTÜ). Mit diesem Buch eröffnet er erstmals einem größeren Publikum einen Blick auf die theologische Diskussion in der Türkei, die bestätigt, dass dem Land beim Dialog zwischen Christen und Muslimen eine besondere Rolle zukommt.

Alter Text - neuer Kontext. Koranhermeneutik in der Türkei heute. Ausgewählte Texte, übersetzt und kommentiert von Felix Körner SJ. Herder Verlag (Freiburg, Basel, Wien) 2006, 248 Seiten, 13 Euro.

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