Die Untersuchung befaßt sich erstmals mit der vollständigen Oxforder Abschrift der lateinisch-althochdeutschen Tatianbilingue, die der zweitumfangreichste überlieferte Textzeuge eines der wichtigsten Denkmäler der althochdeutschen Literatur ist. Die Abschrift wurde um 1600 nach einer verschollenen Vorlage angefertigt und von dem niederländischen Gelehrten Franciscus Junius bearbeitet, kommentiert und mit volkssprachigen Paralleltexten versehen. Bisher war ungeachtet einiger Bemühungen nicht geklärt, ob die Vorlage des Oxforder Textzeugen ein unmittelbarer Abkömmling des Sankt Galler Originals der Bilingue (Cod. Sang. 56) war oder womöglich einem eigenständigen Überlieferungszweig entstammte. Durch die Untersuchung aller aufweisbaren Variantentypen des althochdeutschen und des lateinischen Textes, vor allem durch die besondere Berücksichtigung des Bearbeitungsverfahrens des Franciscus Junius, wird die Frage so weit wie möglich beantwortet. Dabei tritt der Gelehrte Franciscus Junius im Umfeld späthumanistischer Bemühungen um die Volkssprachen besonders hervor.