Die Prosaerzählung von Herodot ist ein ständiger Dialog, in dem die Meinungen über ein Thema dem Adressaten, dem Zuhörer/Leser, entweder durch die Worte des Historikers oder durch die Stimme seiner Figuren dargelegt werden. Sein Werk basiert auf einer Art des Wissens, die mit dem Sehen, aber vor allem mit dem Hören zusammenhängt, denn die Erzählung dieses Historikers beruht auf bezeugten Informationen. Herodot schreibt nach: was er gehört hat, akoêi grápho (HDT, II: 123); was gesagt wird, tà dè legetai gráfo (HDT, IV: 195); was die Griechen sagen, katà tà legómena hyp'Hellénon egò gráfho (HDT, VI: 53). Im Gegenzug wird der Adressat, der seine Erzählung erhält, aufgefordert, ebenfalls seine Meinung zu äußern. Es ist dieser intensive Dialog zwischen Herodot, den Figuren seiner Historien und seinem Hörer-Leser, der die Wirkung einer Volksversammlung in einem demokratisch geführten politischen Gemeinwesen erzeugt. Herodot ist ein Erzähler im benjaminschen Sinne, denn er hat nicht dieAbsicht, eine Synthese für den Leser zu konstruieren. Im Gegenteil, sein Hörer-Leser wird ständig eingeladen oder sogar aufgefordert, über eine persönliche Meinung nachzudenken und sie zu formulieren.
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