"Ich sitze breitbeinig auf der Rückbank. Mein Vater steuert den Kombi, wie immer etwas zu schnell, die kurvige Straße hinauf zu unserem Haus. Es ist das letzte Gebäude im Ort, dann beginnt der Wald, in dem so viel passiert ist. Da habe ich zum ersten Mal geraucht, zum ersten Mal gefickt und einmal beinahe einen umgebracht."
Max ist seit kurzem Lehrer, aber das hat nichts daran geändert, dass er noch immer am liebsten lethargisch vor dem Fernseher herumhängt und Tierfilme schaut. Doch dann kommt der Anruf seiner Eltern: Er soll Haus und Hund hüten, während sie in Griechenland sind. Als er sich auf den Weg macht, ahnt er noch nicht, dass er von Süddeutschland weiter nach Kreta reisen wird, sich in New York den Geistern der Vergangenheit stellen muss und dass Jan und Maria wieder in sein Leben treten - zwischen den beiden konnte er sich schon vor 15 Jahren nicht entscheiden.
Max ist seit kurzem Lehrer, aber das hat nichts daran geändert, dass er noch immer am liebsten lethargisch vor dem Fernseher herumhängt und Tierfilme schaut. Doch dann kommt der Anruf seiner Eltern: Er soll Haus und Hund hüten, während sie in Griechenland sind. Als er sich auf den Weg macht, ahnt er noch nicht, dass er von Süddeutschland weiter nach Kreta reisen wird, sich in New York den Geistern der Vergangenheit stellen muss und dass Jan und Maria wieder in sein Leben treten - zwischen den beiden konnte er sich schon vor 15 Jahren nicht entscheiden.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Alles in allem ist Fabian Hirschmanns Debütroman "Am Ende schmeißen wir mit Gold" ein recht klassischer Coming-of-Age-Roman, dessen Protagonist Max sich an den "spiegelglatten Oberflächen eines allgegenwärtigen Wohlstands" reibt, die nur notdürftig die Abgründe darunter verbergen, berichtet Morten Freidel. Max hütet das Haus seiner Eltern und wird von der ehemals vertrauten Umgebung in die Erinnerungen an seine Jugendzeit gedrängt, bis sich eine Katastrophe ereignet - welche, möchte der Rezensent nicht verraten - und er erst seinen Eltern nach Griechenland nachreist und anschließend nach New York, das Hirschmann wie eine Variante Gotham Citys beschreibt, fasst Freidel zusammen. Es ließen sich bestimmt einige Details im Aufbau des Romans kritisieren, meint der Rezensent, aber weil die der Spannung keinen Abbruch tun, will Freidel lieber Hirschmanns Mut, sich "der Schönheit und Melancholie von Erinnerungen anzunehmen", loben.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2014Du musst dich dem Gangster stellen
Per Flugticket zu den Geistern der Vergangenheit: Fabian Hischmanns Debüt "Am Ende schmeißen wir mit Gold"
Zwischen den Seminaren am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sagte Fabian Hischmann, dessen Debütroman "Am Ende schmeißen wir mit Gold" in diesem Jahr für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, einmal: "Irgendwann geht es nur noch um Trotz." Irgendwann habe man einfach genug davon gehört, davon, was die Zutaten eines angeblich gelungenen Romans seien und was man unbedingt noch besser machen sollte. Das sei der Moment, in dem man mit dem Schreiben anfangen könne.
Und auch wenn man es mit biographischen Deutungen nicht übertreiben soll, spiegelt diese Aussage in gewisser Weise den Inhalt seines Romans: Der Protagonist Max reist in ein verschlafenes Schwarzwalddorf, um auf das Haus seiner Eltern aufzupassen. Es sind Sommerferien, vorläufig ist die Kette blauer Tage ungebrochen, und die Auszeit vom Lehrerberuf lässt sich genauso gut auf dem elterlichen Sofa vor dem Fernseher nehmen wie auf der eigenen Wohnzimmercouch. Während sich Max' Eltern von Meeresluft umwehen lassen, umgibt er sich mit dem Bildschirmflimmern von Tierdokumentationen und schwelgt in Erinnerungen an ehemalige Jugendfreunde, die er später auch persönlich antrifft. Von Beginn an ist "Am Ende schmeißen wir mit Gold" eine Reise in die Vergangenheit, der Abgleich von Erinnerungen mit der Realität.
Dass dieser Abgleich zwar herrlich melancholisch, aber nie sentimental wirkt, ist Hischmanns Sprache zu verdanken, den kargen, fast spröden Sätzen, die zugleich latent bösartig und ziemlich schlagfertig daherkommen. In der Danksagung am Ende des Buchs fällt der Name Bret Easton Ellis, und tatsächlich gibt es Parallelen. Wofür lieben die Leser Ellis eigentlich? Doch wohl dafür, dass er - vor allem mit seinem Roman "American Psycho" - aufdecken konnte, wie viel Bösartigkeit sich hinter den spiegelglatten Oberflächen eines allgegegenwärtigen Wohlstands verbirgt und wie viel Dreck auch eine angeblich voll funktionsfähige Gesellschaft anhäuft.
Bei Hischmann ist davon die Sprache geblieben, eine kühle Sachlichkeit, erkennbar geprägt vom diesem dunkleren Teil der Popliteratur. "Damals", heißt es einmal über den Hochphase des Hip-Hop in den neunziger Jahren, "hießen Freunde Homies, und Jan Phillip Eißfeld war noch kein Sänger. Wir schrieben schlechte Texte und ,rappten' sie später in Freisprechanlagen im Neubaugebiet von Villingen-Schwenningen oder auf Anrufbeantworter. An den Wochenenden soffen wir auf Grillhütten-Partys. Ein Mädchen stolperte aus dem Wald, die Vans-Slipper mit Kotze besprenkelt. Sie rief: ,Ich habe meine Unschuld verloren.' Ihr fahles Gesicht zuckte seltsam im Schein des Lagerfeuers, und irgendein Älterer, einer von denen, die den Absprung verpasst hatten, antwortete: ,Dann geh sie suchen.' Alle lachten, auch wir."
Insgesamt aber ist "Am Ende schmeißen wir mit Gold" eher ein klassischer Coming-of-Age-Roman, und inhaltlich gibt es mehr Parallelen zum "Fänger im Roggen" als zu Bret Easton Ellis. Max' Reise in den Schwarzwald beginnt wie eine sanfte und etwas unangenehme Initiation in die Erwachsenenwelt, bis er hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlägt. Nachdem ihn die Katastrophe ereilt hat, flüchtet er aus dem Familienheim, reist nach Griechenland, wo seine Eltern ihren Urlaub verbrachten, und von dort aus weiter nach New York. Je mehr sich die Verbindungen zu seiner Heimat lösen, desto konsequenter wühlt Max in seiner Vergangenheit. In Griechenland lernt er Hannah kennen und erfährt die Geschichte seiner Eltern und deren Prägung durch die (Liebes-)Ideale der Achtundsechziger. Immer häufiger wird er von einer Jugenderinnerung heimgesucht, der Begegnung mit einem Gangster in den Straßen von New York, die Hischmann beschreibt wie Gotham City in düstersten Stunden. Schließlich bucht er ein Flugticket und stellt sich diesem Geist seiner Vergangenheit.
An dieser Stelle könnte man fragen, ob es wirklich einer konkreten Gegenfigur bedarf, um Erinnerungen zu verarbeiten, und ob sie Patrick heißen muss wie Patrick Bateman aus "American Psycho". Man könnte fragen, ob es ein regelmäßiges "Peng!" braucht, um das sich anbahnende Desaster im ersten Teil des Romans metaphorisch anzudeuten (auf dem Buchcover macht es sich allerdings gut); ja, ob es überhaupt eine solche Katastrophe geben muss. Genauso gut aber ließe sich antworten, dass die Personalisierung von Erfahrungen notwendig ist, um sie greifbar zu machen, und dass es Hischmann nun mal um die Poetik von Erinnerungen geht, mit denen wir uns bekanntlich dann am intensivsten beschäftigen, wenn uns das Leben dazu zwingt: wo die Realität in sich zusammenfällt, beginnt die Vergangenheit zu leuchten. Und vielleicht war ja auch ein bisschen Trotz im Spiel.
Am Ende ist das nicht so wichtig, denn bekanntlich ist in Romanen alles erlaubt, solange sie nicht langweilen. Und das wird dieser Debütroman, den man für seinen Mut loben muss, sich der Schönheit und Melancholie von Erinnerungen anzunehmen, nie.
MORTEN FREIDEL
Fabian Hischmann: "Am Ende schmeißen wir mit Gold". Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2014. 256 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Per Flugticket zu den Geistern der Vergangenheit: Fabian Hischmanns Debüt "Am Ende schmeißen wir mit Gold"
Zwischen den Seminaren am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sagte Fabian Hischmann, dessen Debütroman "Am Ende schmeißen wir mit Gold" in diesem Jahr für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, einmal: "Irgendwann geht es nur noch um Trotz." Irgendwann habe man einfach genug davon gehört, davon, was die Zutaten eines angeblich gelungenen Romans seien und was man unbedingt noch besser machen sollte. Das sei der Moment, in dem man mit dem Schreiben anfangen könne.
Und auch wenn man es mit biographischen Deutungen nicht übertreiben soll, spiegelt diese Aussage in gewisser Weise den Inhalt seines Romans: Der Protagonist Max reist in ein verschlafenes Schwarzwalddorf, um auf das Haus seiner Eltern aufzupassen. Es sind Sommerferien, vorläufig ist die Kette blauer Tage ungebrochen, und die Auszeit vom Lehrerberuf lässt sich genauso gut auf dem elterlichen Sofa vor dem Fernseher nehmen wie auf der eigenen Wohnzimmercouch. Während sich Max' Eltern von Meeresluft umwehen lassen, umgibt er sich mit dem Bildschirmflimmern von Tierdokumentationen und schwelgt in Erinnerungen an ehemalige Jugendfreunde, die er später auch persönlich antrifft. Von Beginn an ist "Am Ende schmeißen wir mit Gold" eine Reise in die Vergangenheit, der Abgleich von Erinnerungen mit der Realität.
Dass dieser Abgleich zwar herrlich melancholisch, aber nie sentimental wirkt, ist Hischmanns Sprache zu verdanken, den kargen, fast spröden Sätzen, die zugleich latent bösartig und ziemlich schlagfertig daherkommen. In der Danksagung am Ende des Buchs fällt der Name Bret Easton Ellis, und tatsächlich gibt es Parallelen. Wofür lieben die Leser Ellis eigentlich? Doch wohl dafür, dass er - vor allem mit seinem Roman "American Psycho" - aufdecken konnte, wie viel Bösartigkeit sich hinter den spiegelglatten Oberflächen eines allgegegenwärtigen Wohlstands verbirgt und wie viel Dreck auch eine angeblich voll funktionsfähige Gesellschaft anhäuft.
Bei Hischmann ist davon die Sprache geblieben, eine kühle Sachlichkeit, erkennbar geprägt vom diesem dunkleren Teil der Popliteratur. "Damals", heißt es einmal über den Hochphase des Hip-Hop in den neunziger Jahren, "hießen Freunde Homies, und Jan Phillip Eißfeld war noch kein Sänger. Wir schrieben schlechte Texte und ,rappten' sie später in Freisprechanlagen im Neubaugebiet von Villingen-Schwenningen oder auf Anrufbeantworter. An den Wochenenden soffen wir auf Grillhütten-Partys. Ein Mädchen stolperte aus dem Wald, die Vans-Slipper mit Kotze besprenkelt. Sie rief: ,Ich habe meine Unschuld verloren.' Ihr fahles Gesicht zuckte seltsam im Schein des Lagerfeuers, und irgendein Älterer, einer von denen, die den Absprung verpasst hatten, antwortete: ,Dann geh sie suchen.' Alle lachten, auch wir."
Insgesamt aber ist "Am Ende schmeißen wir mit Gold" eher ein klassischer Coming-of-Age-Roman, und inhaltlich gibt es mehr Parallelen zum "Fänger im Roggen" als zu Bret Easton Ellis. Max' Reise in den Schwarzwald beginnt wie eine sanfte und etwas unangenehme Initiation in die Erwachsenenwelt, bis er hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlägt. Nachdem ihn die Katastrophe ereilt hat, flüchtet er aus dem Familienheim, reist nach Griechenland, wo seine Eltern ihren Urlaub verbrachten, und von dort aus weiter nach New York. Je mehr sich die Verbindungen zu seiner Heimat lösen, desto konsequenter wühlt Max in seiner Vergangenheit. In Griechenland lernt er Hannah kennen und erfährt die Geschichte seiner Eltern und deren Prägung durch die (Liebes-)Ideale der Achtundsechziger. Immer häufiger wird er von einer Jugenderinnerung heimgesucht, der Begegnung mit einem Gangster in den Straßen von New York, die Hischmann beschreibt wie Gotham City in düstersten Stunden. Schließlich bucht er ein Flugticket und stellt sich diesem Geist seiner Vergangenheit.
An dieser Stelle könnte man fragen, ob es wirklich einer konkreten Gegenfigur bedarf, um Erinnerungen zu verarbeiten, und ob sie Patrick heißen muss wie Patrick Bateman aus "American Psycho". Man könnte fragen, ob es ein regelmäßiges "Peng!" braucht, um das sich anbahnende Desaster im ersten Teil des Romans metaphorisch anzudeuten (auf dem Buchcover macht es sich allerdings gut); ja, ob es überhaupt eine solche Katastrophe geben muss. Genauso gut aber ließe sich antworten, dass die Personalisierung von Erfahrungen notwendig ist, um sie greifbar zu machen, und dass es Hischmann nun mal um die Poetik von Erinnerungen geht, mit denen wir uns bekanntlich dann am intensivsten beschäftigen, wenn uns das Leben dazu zwingt: wo die Realität in sich zusammenfällt, beginnt die Vergangenheit zu leuchten. Und vielleicht war ja auch ein bisschen Trotz im Spiel.
Am Ende ist das nicht so wichtig, denn bekanntlich ist in Romanen alles erlaubt, solange sie nicht langweilen. Und das wird dieser Debütroman, den man für seinen Mut loben muss, sich der Schönheit und Melancholie von Erinnerungen anzunehmen, nie.
MORTEN FREIDEL
Fabian Hischmann: "Am Ende schmeißen wir mit Gold". Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2014. 256 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Hischmanns Roman ist eine dieser Aufbruchgeschichten, diesmal mit dem jungen Lehrer Max. So etwas muss schnell und schelmisch sein, und wenn Hischmann jetzt bereits mit Herrndorfs "Tschick" verglichen wird, weiß man, dass dies mit seiner ersten Erzählung auch gelungen ist." , Rheinische Post, 15.03.2014