Das Leben einfacher Bauern im 16. Jahrhundert – eindrucksvoller Auftaktband
„Am Fluss der Zeiten“ ist der Auftakt eines historischen Mehrteilers, der im 16. Jahrhundert angesiedelt ist. Er basiert auf einer wahren Geschichte mit Personen, die damals gelebt haben. Das besondere daran ist, dass
es die Vorfahren der Autorin waren, sie lebten auf dem Hof Kalmule, den es auch heute noch gibt,…mehrDas Leben einfacher Bauern im 16. Jahrhundert – eindrucksvoller Auftaktband
„Am Fluss der Zeiten“ ist der Auftakt eines historischen Mehrteilers, der im 16. Jahrhundert angesiedelt ist. Er basiert auf einer wahren Geschichte mit Personen, die damals gelebt haben. Das besondere daran ist, dass es die Vorfahren der Autorin waren, sie lebten auf dem Hof Kalmule, den es auch heute noch gibt, jedoch hat dieser mit Ulrike Renks Familie nichts mehr zu tun. Fiktionale Momente mischen sich mit den sorgfältig recherchierten Verhältnissen der damaligen Zeit.
Zunächst möchte ich auf die Personenliste am Ende des Buches hinweisen, gegliedert nach den einzelnen Höfen, der Burg Kakesbeck, dem Haus Senden und der Domkurie Münster. Gerade anfangs ist es sehr hilfreich, hier immer mal wieder nachzuschauen und auch das Glossar danach war für mich unverzichtbar.
Elze lebt mit ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester Nele, ihren drei Brüdern sowie ihrer Vaterschwester Stine auf Hof Kalmule und seit ihr ältester Bruder Drees seine Käthe geehelicht hat, lebt auch sie hier. Sie sind Eigenbehörige – der Begriff war mir fremd. Sie waren unfrei, sie standen in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Grundherrn mit allen Pflichten, die sie dadurch hatten. Auch so manch andere Benennungen und Ausdrücke, die diesen Roman so authentisch machen, waren mir nicht geläufig und so habe ich auch erfahren, dass eine Hofübernahme, für welche Zahlung – und das nicht zu knapp - geleistet werden musste, als Auffahrt bezeichnet wurde. Im Prolog erfahren wird, dass Drees auf Hof Kalmule auffahren will, sein Vater ist alt und angeschlagen und wird aufs Altenteil gehen. Den ersten Seiten ist auch zu entnehmen, dass Amtmann Valcke die siebzehnjährige Elze zum Gesindedienst nach Münster verplichtet. Drees Einwand, dass sie auf dem Hof gebraucht wird, lässt Valcke nicht gelten, er duldet keinen Widerspruch. Bis dahin mag es noch ein Weilchen dauern, denn nach dem kurzen Prolog gehen wir ein Jahr zurück. Die Bauern sind mitten in der Ernte, die Trockenheit hat die Böden hart gemacht und nun ist der Damm gebrochen, die Stever steigt, auch der Kleuterbach tritt über die Ufer, das Wasser kommt in die Höfe. Wir sind mittendrin im ganz normalen Alltag der einfachen Leute und ihres arbeitsreichen Daseins. Alle müssen mit anpacken, alles wird verwertet, sie sind weitgehend Selbstversorger.
Vom Sommer 1551 bis ins Frühjahr 1553 begleiten wir Elze und die ihren ein Stück ihres Weges. Es sind Tage voller Arbeit, so mancher Schicksalsschlag in der Familie ist schwer zu verkraften, auch spielt der Aberglaube mit hinein. Die Reformationsbewegung, die Zeit der Widertäufer und deren Auswirkungen sind Thema, aus Stines Sicht lässt uns die Autorin daran teilhaben. Das Bild vom finsteren Mittelalter drängt sich mir unweigerlich auf. Auch war das Wissen der Kräuterfrauen sehr gefragt, lesen und schreiben konnten die wenigsten, geheiratet wird nicht nur aus Sympathie und doch spielen auch Zuneigung und die ersten zarten Bande eine Rolle.
Ulrike Renk hat das Leben der einfachen Bauern gut eingefangen. Sie lässt Geschichte lebendig werden, sie nimmt ihre Leser mit auf eine Reise ins fünfhundert Jahre zurückliegende Gestern. Der Auftaktband der Trilogie um Hof Kalmule macht Lust auf mehr – ich bin auf die Fortsetzung gespannt.