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Medikamententests ohne Rücksicht auf Verluste. Die amerikanische Journalistin Sonia Shah deckt die skrupellosen Machenschaften der weltweiten Pharmaindustrie auf. Hervorragend recherchiert und ohne zu polemisieren, beleuchtet die Autorin die dunkle Seite des Gesundheitsmarktes. Um Geld zu sparen, werden die erforderlichen Testreihen in Ländern der Dritten Welt durchgeführt. Die Testpatienten sind ahnungslos oder werden nur unzureichend informiert, und die Behörden vor Ort drücken für Zuwendungen der Pharmafirmen beide Augen zu. Jeder Tag zählt bei der Einführung von neuen Medikamenten und nur…mehr

Produktbeschreibung
Medikamententests ohne Rücksicht auf Verluste. Die amerikanische Journalistin Sonia Shah deckt die skrupellosen Machenschaften der weltweiten Pharmaindustrie auf. Hervorragend recherchiert und ohne zu polemisieren, beleuchtet die Autorin die dunkle Seite des Gesundheitsmarktes. Um Geld zu sparen, werden die erforderlichen Testreihen in Ländern der Dritten Welt durchgeführt. Die Testpatienten sind ahnungslos oder werden nur unzureichend informiert, und die Behörden vor Ort drücken für Zuwendungen der Pharmafirmen beide Augen zu. Jeder Tag zählt bei der Einführung von neuen Medikamenten und nur wer schnell seine Zulassung bekommt, kann sich auf dem Markt behaupten. Am Menschen getestet! nimmt auch die Aktivitäten der deutschen Pharmaunternehmen in Dritte-Welt-Staaten kritisch unter die Lupe.
Autorenporträt
Sonia Shah verkörpert den Prototyp der investigativen Journalistin. Sie ist Autorin des Erfolgstitels »Crude: The Story of Oil«. Sie lebt in Boston, Massachusetts.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2008

Wirtschaftsbuch
Arznei-Versuche im Slum
Enthüllende Bücher über die Pharma-Industrie sind selten. Das hat Gründe: Schwer zu ermitteln sind die Methoden einer bis heute häufig korrupt agierenden Branche. Lang ist der Arm der Arzneimittelhersteller – und gut versichert muss sein, wer kritisch schreibt und Schlachten vor Gericht riskiert. Gut recherchiert haben muss der Autor sowieso, in mühsam Details aufsammelnd.
Die in New York geborene Immigranten-Tochter, Sonia Shah, hat all das gewusst, und sie hat sich trotzdem mit der Pharma-Industrie angelegt. Am Menschen getestet heißt das Buch der mutigen Journalistin. Treffender beschreibt es der Originaltitel: The Body Hunters: Testing New Drugs on the World’s Poorest Patients, übersetzt: Die Körperjäger: Wie neue Medikamente an den ärmsten Patienten der Welt getestet werden.
Zunächst: Shah ist nicht generell gegen Versuche von neuen Medikamenten an Mensch und Tier – und das macht sie so glaubwürdig. Ihr Vater ist Arzt, sie selbst hat Neurowissenschaften studiert und sie befürwortet eine Erforschung innovativer Arzneien, wenn diese „korrekt und gerecht” ist. Medikamente werden üblicherweise ein bis zwei Jahre an Tieren wie Mäusen, Hunden und Affen ausprobiert und dann sechs bis acht Jahre an Probanten und Patienten getestet.
Doch regelmäßig seien neue Tests überflüssig oder gefährlich, meint Shah. Pharmakonzerne entwickelten viel zu häufig Medikamente, die Patienten nicht wirklich bräuchten. Es „sind nur wenig mehr als dreihundert der Tausende von in den Vereinigten Staaten erhältlichen Medikamente von wesentlicher Bedeutung für die öffentliche Gesundheit”, kritisiert Shah. Viele angeblich neue Mittel seien bloß leicht veränderte Kopien bestehender Präparate. Diese werden nach Zulassung teuer verkauft, anstatt dass Ärzte bestehende, günstige Alternativen nutzten. Für diese Kopien, sei es der x-te Cholesterin- oder Blutdrucksenker, werden neue Studien an Menschen gebraucht. Viele sind aus Shahs Sicht überflüssig.
Ausgiebig hat die Autorin recherchiert, wie unerwünschte Versuchsergebnisse außerdem von den Pharmakonzernen unterdrückt werden – wenn sie der Verkaufsabteilung eines Konzerns nicht passen. „Solche Studien werden in der Regel unterdrückt und die Forscher gefeuert.” Dann lasse die Firma die Daten einige Monate fallen und konzipiere die Studie neu – und dann kommt das Mittel später doch noch auf den Markt.
Ein anderes Vorgehen spießt Shah auch auf: Wenn alle Studien nicht beweisen, dass ein neues Mittel eine Krankheit lindert, dann verändert die Branche die Maßstäbe, ab wann jemand krank ist. Etwa den Wert, ab wann jemand offiziell Diabetes hat. Und ab wann er dann ein neues Mittel nehmen muss, das er ohne neu definierte Maßstäbe nicht bräuchte. „Wohlhabendere, gesündere Kunden werden trotz ihres vergleichsweise besseren Gesundheitszustands dazu ermuntert, Pillen einzuwerfen.” Die Ärzte spielten das Spiel mit. „Die Dollars der Pharma-Industrie sind in fast jeden Winkel der Medizin vorgedrungen.”
Shah ist die Tochter indischer Einwanderer, scharf kritisiert sie die Praxis, gefährliche Tests an „Versuchskaninchen” in ärmere Länder in Asien oder Afrika auszulagern. In Indien oder Südafrika würden viele ahnungslose Patienten missbraucht, Nebenwirkungen würden verschwiegen. „Durch ihren mangelnden Zugang zu Medikamenten wissen sie die im Rahmen von Studien kostenlos angebotenen Arzneimittel besonders zu schätzten – egal, wie experimentell diese sind.” Wer glaubt, Shah habe ein Buch über US-Konzerne geschrieben, der irrt. Sie beschreibt auch die Methoden deutscher Konzerne wie Bayer, Boehringer oder Grünenthal. Ihr gut recherchierter Bericht ist mutig, schonungslos offen und macht wütend. Kristina Läsker
Sonia Shah:
Am Menschen getestet!
Verlag Redline Wirtschaft,
München 2008,
304 Seiten, 34,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2008

An den Pranger gestellt
Altbekannte Fälle: Die Pharmaindustrie testet ihre neuen Medikamente an den Ärmsten der Welt

John Le Carré ist kein schlechter Fürsprecher. Schon gar nicht, wenn er die Autorin in seinem Vorwort dafür rühmt, sich wie zuvor kein anderer auf "eine Konfrontation mit den Pharmariesen" eingelassen zu haben. Doch wirklich neu ist so gut wie nichts an Sonia Shahs Buch. Und das war auch schon bei der "amerikanischen" Erstveröffentlichung 2006 so. Die Fälle, die sie anführt, um zu belegen, "wie die Pharmaindustrie die Ärmsten der Welt für Medikamententests missbraucht", sind altbekannt. Sie hat sie überwiegend aus anderen Veröffentlichungen zusammengetragen. Außerdem wäre anlässlich der Übersetzung jetzt eine Aktualisierung vonnöten gewesen.

Was die Journalistin Shah eigentlich will, ist beim ersten Blick ins Buch klar: Sie möchte die Pharmaindustrie an den Pranger stellen. Dabei verurteilt sie sogar einige Grundprinzipien der Forschung. Jedes neue Medikament muss nach internationalem Standard eine mehrstufige Prüfung bestehen, die klinische Tests miteinschließt. Die Wirksamkeit eines Mittels wird dabei durch Placebos überprüft, was man durchaus ethisch hinterfragen kann: Einem schwerkranken Kind einen neuen Impfstoff zu verabreichen, einem anderen Kind ihn jedoch vorzuenthalten, nur um sicherzugehen, dass die Vakzine die gewünschte Wirkung zeigt, scheint unmenschlich. Doch wenn die Vakzine nicht wirkt? Es kann ja auch sein, dass das geimpfte Kind an der Behandlung mit dem unbekannten, bislang kaum am Menschen getesteten Impfstoff stirbt. Placebokontrollierte Studien müssen darum stets ethisch vertretbar sein, was sie leider nicht immer sind. Doch gibt es Alternativen? Die Autorin zeigt keine auf, schreibt aber zugleich über Medikamente wie Contergan, die auf den Markt gebracht wurden, ohne genügend getestet worden zu sein, und das, wie sie unterstellt, aus Profitgier.

Frau Shah verurteilt die Praxis der Pharmaindustrie, neue Medikamente zunehmend in der Dritten Welt zu testen. Dort also, wo man Kosten sparen kann und - angeblich - so gut wie niemand Fragen über Sinn oder Unsinn einer wissenschaftlichen Studie stellt. Dass es noch einen wichtigen Grund gibt, die Mittel an den Ärmsten der Welt zu testen, unterschlägt die Autorin immerhin nicht in ihrem Buch, auch wenn sie die Begründung nicht recht gelten lassen will: Man müsse "skifahren, wo es Schnee gibt", zitiert Frau Shah aus der Broschüre eines Pharmaunternehmens. Es meint nichts anderes, als dass nur dort klinisch geforscht werden kann, wo es genügend Patienten gibt.

Wie verwerflich placebokontrollierte Studien nach Meinung von Sonia Shah sein können, versucht sie anhand des Wirkstoffs Nitazoxanid zu zeigen. Er hilft gegen Kryptosporidiose, eine parasitäre Darmerkrankung, von der immungeschwächte Patienten betroffen sein können. Um den Nutzen des Wirkstoffs gegen die weitverbreiteten Durchfallkeime zu testen, ging das amerikanische Unternehmen Romark Laboratories auch nach Lusaka in Sambia. An der Studie nahmen 100 HIV-infizierte Kinder freiwillig teil. Ein Teil bekam Nitazoxanid, der Wirkstoff rettete vielen von ihnen das Leben. Ein anderer Teil erhielt nur ein Placebo, mehrere Kinder starben. Und das, schreibt Sonia Shah, obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon antiretrovirale Medikamente zur Behandlung von Aids gab. Sie helfen der Immunabwehr des Körpers, der somit die Kryptosporidien selbst bekämpfen kann. Ein weiteres Medikament für Aidspatienten sei demnach so unnötig wie die Studie in Lusaka gewesen, schreibt die Autorin und verschweigt, dass auch mehr als ein Jahrzehnt nach Entwicklung der antiretroviralen Medikamente noch immer nur etwa jeder dritte Aidskranke auf der Welt mit ihnen behandelt wird.

PETER-PHILIPP SCHMITT

Sonia Shah: Am Menschen getestet! Wie die Pharmaindustrie die Ärmsten der Welt für Medikamententests missbraucht. Verlag Redline Wirtschaft, München 2008. 304 S., 24,90 [Euro].

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