Ein Coming-of-Age Roman der besonderen Art. Sprachlich eine Genuss sondergleichen.
Bin ich mir, bin ich dir genug? Bin ich überhaupt jemandem genug?
Diese Fragen treiben David durch den Roman, er hat hohe Ansprüche an sich, an denen er laufend droht zu zerbrechen. Er sucht sich seine Zukunft,
immer von der Furcht begleitet, irgendetwas falsch zu machen, oder sein Umfeld zu enttäuschen,…mehrEin Coming-of-Age Roman der besonderen Art. Sprachlich eine Genuss sondergleichen.
Bin ich mir, bin ich dir genug? Bin ich überhaupt jemandem genug?
Diese Fragen treiben David durch den Roman, er hat hohe Ansprüche an sich, an denen er laufend droht zu zerbrechen. Er sucht sich seine Zukunft, immer von der Furcht begleitet, irgendetwas falsch zu machen, oder sein Umfeld zu enttäuschen, anstatt seinem Inneren zu folgen. Dabei verschließt er sich in seine eigene aufgetürmte Mauer, ist wortkarg anstatt auszusprechen, was ihn bedrückt, oder was er möchte. Er ist sehr sensibel mit einem hohen Sinn für Gerechtigkeit, liebt dank seinem Großvater die Natur, und wächst in einem behütenden Umfeld voller familiärer Liebe auf. Er ist ein guter, feiner Kerl, aber auf seiner Reise ins Erwachsenenleben ist es eine Odyssee durch Gefühle der verschiedensten Art. Wie kann man sich auch in der Welt zurecht, und den Platz im Leben finden, der einen aufnimmt, wenn man von den Launen anderer Menschen von einem Eck ins andere geworfen wird.
Seinen Namen verdankt David der gleichnamigen Skulptur von Michelangelo. Sein Vater ist Museumsleiter und ein glühender Anhänger dieses zeitlosen Werkes. Es strahlt Stärke aus, perfekte Proportionen, den Blick in die Ferne, auf den bevorstehenden Sieg gegen Goliath gerichtet. Wir kennen die biblische Geschichte, die Inspiration zur fünf Meter hohen Statue aus Marmor war. David fühlt sich dadurch angesprochen, möchte Stärke beweisen. Er scheint sich in dieser Kunstfigur manchmal zu sehr zu verrennen. Er sucht andere Wege. Als Kind zum Beispiel mit seinem Großvater im Wald. Oder zaghafte Anfänge als Bildhauer bei Bernhard, einem Freund seines Vaters. Mit den Mädchen klappt es auch nicht so recht, zu verschlossen sei er, seltsam. Aber wie soll er sich auch artikulieren, wenn er sich selbst nicht kennt.
Wir begleiten David durch verschiedene Stationen seines jungen Lebens, versucht sich letztendlich im Jus-Studium, lernt hart. Nebenbei boxt er, damit sein Körper seinem angedachten Namenspatron gerecht wird. Nach dem Tod seines Großvaters entdeckt David Briefe, die er seiner verstorbenen Schwester geschrieben hat. Ein gut gehütetes Geheimnis offenbart sich.
Es ist ein Coming-of-Age Roman der ganz besonderen Art. Die Autorin, selbst Bildhauerin, lässt uns an ihrer Liebe zur Kunst teilhaben und stellt die Möglichkeit bereit, in diese (für mich) unbekannte Welt zwischen Marmor und Meisel einzutauchen.
Die Sprache ist eine Wucht mit derart poetischen und wunderbaren Sätzen, jeder einzelne eine Kunstform für sich, die eingerahmt werden möchten. So wie Michelangelo bereits im rohen Stein das Werk sah, so befreit Minu Ghedina die Sprache von Ballast und lässt sie in ihrer eigenen Pracht erstrahlen. Manchmal, das muss ich zugeben, war es beinahe schon eine erschlagende literarische Kraft, die mich das Buch auskosten ließ – und auch dementsprechend langsam war der Leseprozess, bei dem ich mir tatsächlich von Zeit zu Zeit im Stillen gewünscht hatte, die Geschichte möchte sich straffen. Zum Glück tat sie das aber nicht, und so konnten diese wunderbaren Zeilen knappe 400 Seiten lang dazu dienen, den David zu formen, und das Leseherz zu beglücken. Das ist pure Kunst!
Ganz große Leseempfehlung und vielen Dank an den Verlag, für die Anfrage und das Bereitstellen des Leseexemplars. Es bekommt einen ganz besonderen Platz in meiner Bibliothek.