Ein atmosphärischer Kriminalroman, der zwischen einem einsamen piemontesischen Bergdorf und der lärmenden Kino- und Politikmetropole Rom spielt: «Longo ist einer der fabelhaftesten Schriftsteller Italiens.» Die Welt
In einem verlassenen Alpendorf wird ein Filmproduzent und Bruder eines ehemaligen Democrazia-Cristiana-Politikers tot in seinem Jaguar aufgefunden. Seine Frau, eine frühere Schauspielerin, in die eine ganze Generation verliebt war, ist spurlos verschwunden. Für die Ermittlungen muss sich Commissario Arcadipane, eigentlich Turiner, in dem einsamen Bergdorf, das aus einer Handvoll Häuser besteht, niederlassen. Dort warten misstrauische Bewohner und ein Rätsel auf ihn, das ihm Kopfzerbrechen bereitet.
Ein zu komplizierter Fall, um nicht seinen alten Freund und Mentor Corso Bramard um Hilfe zu bitten sowie die ebenso undisziplinierte wie unverzichtbare Isa Mancini. Beide befinden sich gerade in einer schwierigen Phase ihres Lebens. Möchten sie gemeinsam die Wahrheit ans Licht bringen, wird es nötig sein, in alten Geheimnissen und neuen Machenschaften zu wühlen und ein komplexes Geflecht aus politischen Intrigen zu entwirren. Und am Samstag wird abgerechnet.
«Viel mehr als ein Krimi, aber nie weniger. Davide Longo gehört zu den spannendsten italienischen Schriftstellern.» FAZ
In einem verlassenen Alpendorf wird ein Filmproduzent und Bruder eines ehemaligen Democrazia-Cristiana-Politikers tot in seinem Jaguar aufgefunden. Seine Frau, eine frühere Schauspielerin, in die eine ganze Generation verliebt war, ist spurlos verschwunden. Für die Ermittlungen muss sich Commissario Arcadipane, eigentlich Turiner, in dem einsamen Bergdorf, das aus einer Handvoll Häuser besteht, niederlassen. Dort warten misstrauische Bewohner und ein Rätsel auf ihn, das ihm Kopfzerbrechen bereitet.
Ein zu komplizierter Fall, um nicht seinen alten Freund und Mentor Corso Bramard um Hilfe zu bitten sowie die ebenso undisziplinierte wie unverzichtbare Isa Mancini. Beide befinden sich gerade in einer schwierigen Phase ihres Lebens. Möchten sie gemeinsam die Wahrheit ans Licht bringen, wird es nötig sein, in alten Geheimnissen und neuen Machenschaften zu wühlen und ein komplexes Geflecht aus politischen Intrigen zu entwirren. Und am Samstag wird abgerechnet.
«Viel mehr als ein Krimi, aber nie weniger. Davide Longo gehört zu den spannendsten italienischen Schriftstellern.» FAZ
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Geduld sollte man mitbringen für dieses Buch, meint Rezensent Hannes Hintermeier, aber wenn man es tut, kann man mit ihm viel Lesefreude haben. Es handelt sich um das vierte Buch Davide Longos um das Ermittlerduo Bramard und Arcadipane, die es diesmal in ein 37-Seelen-Nest im Piemont verschlägt. Der Tote ist der Ehemann einer einst bekannten Schauspielerin, lesen wir, die für ihre mysteriösen Blicke bekannt war und nun ihrerseits verschwunden ist. Um diesen Fall herum konstruiert Longo, berichtet Hintermeier, jede Menge weitere Mysterien, die unter anderem mit heidnischen Fruchtbarkeitsriten und französischen Fortsetzungsromanen zu tun haben, zudem gestaltet sich auch das Privatleben Arcadipanes nicht unkompliziert. Das hier ist keine Spannungsliteratur angelsächsischen Zuschnitts, stellt der Rezensent klar, Cliffhanger etwa finden sich keine im Buch, vielmehr setzt der Autor auf Melancholie und auch auf ein bisschen Pathos, insgesamt gelingen ihm dabei eindrückliche Figurenporträts. Hintermeiers Fazit: nicht quick and dirty, sondern gediegen und komplex, wer auf so etwas steht, wird mit dem Buch glücklich.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.08.2024Der gefrorene Blick
Davide Longo schreibt Krimis mit großartig cineastischer Atmosphäre. In „Am
Samstag wird abgerechnet“ geht es um den Fall eines verschwundenen Stars.
Es dauert lange bis zur Abrechnung am Samstag, die im Titel angekündigt wird, Jahre und Jahrzehnte, eine Zeit voller Unterdrückung und Täuschung, verhohlenem Sehnen und unterdrücktem Hass. Eine Zeit, in der Persönliches gewaltige gesellschaftliche und politische Effekte entwickelt und die, wie sich am Ende herausstellt, skandiert wird vom Blick einer Frau – eines Stars des italienischen Kinos der Sechziger.
Seit zehn Jahren schreibt Davide Longo, neben zahlreichen anderen Werken, auch Kriminalromane über eine kleine Polizeitruppe aus Turin um den Commissario Vincenzo Arcadipane. Der vorliegende ist bereits der vierte (nach „Der Fall Bramard“, „Die jungen Bestien“, „Schlichte Wut“). Es geht in diesen Büchern um die Leiden der Ermittler – was die Arbeit angeht und ihr privates Leben, ihre Traumata.
Gleich zu Beginn wird Arcadipane mit seinem treuen Vize Pedrelli (und dem dreibeinigen Hund Trepet) in die Berge des Piemont geschickt, in das kleine Dorf Clot. Als Pedrelli den Chef ganz in der Frühe mit dem Dienstwagen, einem amarantroten Peugeot, abholt, muss dieser auf dem Weg zum Auto einer Lady im Morgenmantel helfen, einen Welpen einzufangen, der ihr davonsauste. Es ist der Hund ihres Bruders, sie soll auf ihn aufpassen und ist damit voll überfordert. Der Commissario schultert den Hund und trägt ihn zu ihrer Wohnung, der Hund scheint zufrieden zu sein – und Arcadipane spürt etwas Warmes, Klebriges seinen Rücken hinablaufen.
Den Zehner, den die Frau zum Dank anbietet, weist der Commissario zurück, auch das Unterhemd und Hemd des toten Gatten, das er haben könnte. Im Wagen fragt Pedrelli dann, ob er die Heizung niedriger stellen dürfe: „Eine Katze muss auf die Kühlerhaube gepinkelt haben. Sie spüren die Wärme des Motors, aber dann wird man den Gestank nicht mehr los …“
Arcadipane ist geschieden, bringt jeden Monat der Ex die Unterhaltszahlung persönlich vorbei, kann sich aber nicht merken, an welchem Tag die Tochter die nächste Prüfung hat. Seine neue Frau ist gehbehindert, eine Psychotherapeutin. Bei der Arbeit schiebt er, wenn Konzentration erfordert wird, ein Sucai – ein Lakritzbonbon – in den Mund, und davon den benötigten Vorrat zu beschaffen, ist nicht immer leicht.
In Clot wurde der Filmproduzent Terenzio Fuci in seinem Jaguar erdrosselt aufgefunden, seine Frau ist verschwunden, womöglich entführt, ein Filmstar der Sechziger, deren Filme die Firma ihres Mannes produziert hatte. Fuci hatte diese Anna Mattalia 1962 zum ersten Mal in Clot gesehen, sich in sie verliebt und sie nach Rom in die Filmwelt geholt, wo sie unter dem Namen Vera Ladich Karriere machte – es war eine Liebe, die Protektion und Abschirmung bedeutete, eine amour fou, deren wahre Dimension erst langsam deutlich wird. Mademoiselle le look wird Vera genannt, weil sie in jedem ihrer Filme für Sekunden ihren Blick direkt in die Kamera richtet. „Es war Godard, der sie Mademoiselle le look nannte, in einem Interview, in dem er ihr vorschlug, da die Filme, in denen sie auftrete, eine schlechte Kopie der seinen seien, mit dem zu arbeiten, der diese Art Kino erfunden hat.“
Vera Ladich ist eine erfundene Figur, und sie entspricht perfekt dem manchmal bitteren, manchmal komischen Pathos, mit dem dieses Buch erzählt wird – man tut also gut daran, es von Anfang an nicht als genretreues Krimistück zu lesen, sondern in der Dimension eines spätmittelalterlichen Weltgerichtsspiels, zwischen religiöser Metaphorik und Mystik. Zu den rätselhaften Worten, die Vera Ladich in den Blick-Momenten spricht, gehören „dann wird mir das Böse kein Leid antun können ...“ und „die Liebe, die ich euch entgegenbringe ...“.
Die leidenden Ermittler dieses Buches sind ältere Männer, die Frauen an ihrer Seite, ebenfalls im Polizeidienst, kommen sehr viel besser mit den Miseren des Lebens zurecht. Eine von ihnen hat ein punkiges Outfit wie Stieg Larssons Lisbeth Salander, sie ist lesbisch und schwanger. Dann holt Arcadipane noch Cosmo Bramard zu Hilfe, seinen legendären Vorgänger bei der Turiner Kripo, nun pensioniert, dessen Frau Opfer eines Serienmörders wurde. Seitdem sind die Wege, auf denen er die Klärung eines Falls sucht, sehr abseitig geworden, er studiert die Fresken der Dorfkirche – eine Madonna mit Salamander! –, mysteriöse patriarchalische Rituale des Dorfes, die die Nachkommenschaft regeln, einen Fortsetzungsroman des vorigen Jahrhunderts. In der Nähe des Dorfes ragt bedrohlich ein Staudamm auf, gegen Ende will der Regen nicht mehr aufhören.
Es sind alte Geschichten, die in die Ermittlungen in diesem Buch hineinstoßen und diese auf absurde Weise umlenken. Sodass „dieses Verbrechen und das Verschwinden von Vera Ladich das Ergebnis von Partien sind, die an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und mit verschiedenen Karten gespielt werden“. Als käme jede Karte von einem anderen Spieltisch. Eine Atmosphäre, die an die frühen Stummfilm-Serials erinnert, von Louis Feuillade oder von Fritz Lang, mit ihren größenwahnsinnigen Verbrechern und geschlossenen Schauplätzen – in diesem Buch gibt es eine Heilanstalt oder den extravaganten Landsitz eines schwulen Filmemachers, dem der strenge Ernst Pier Paolo Pasolinis abgeht, oder ein unterirdisches Gemach, dem Tod geweiht.
Der Größenwahnsinn ist in diesem Buch politisch motiviert, er reicht in die Sechziger und Siebziger, als die Democrazia Cristiana die Gesellschaft bestimmten – ein gläubiger Kapitalismus. Reinigung ist das große Projekt, alttestamentarisch und katastrophal. Das eschatologische Moment, das oft Kriminalromane antreibt, fehlt bei Longo, der Begriff des Endes, des Abschlusses ist hier nicht mehr wichtig. Arcadipane erinnert sich mal an eine tote Frau, die am Ufer des Po gefunden wurde, ihr Blick ist leer und aufmerksam. „Das Leben war weitergegangen, in seiner Bescheidenheit, aber dieser Blick nicht. Seitdem er bei der Polizei ist, war das einer der fünf Momente, da er begriff, dass seine Arbeit nicht, wie die Leute meinen, das Ende eines Lebens betrifft, sondern den Augenblick, in dem jemand es für immer eingefroren hat. Etwas, das mehr mit dem Ausbruch des Vesuvs in Pompeji zu tun hat als …“ In diesem Augenblick bricht der Commissario seine Überlegungen ab.
Der Größenwahnsinn
ist in diesem Buch
politisch motiviert
Davide Longo: Am Samstag wird abgerechnet. Kriminalroman. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner und Felix Mayer. Rowohlt, Hamburg 2024. 558 Seiten, 26 Euro.
Der Autor Davide Longo, 1971 geboren, lebt in Turin, wo er an einem Literaturinstitut unterrichtet.
Foto: Paolo Giagheddu
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Davide Longo schreibt Krimis mit großartig cineastischer Atmosphäre. In „Am
Samstag wird abgerechnet“ geht es um den Fall eines verschwundenen Stars.
Es dauert lange bis zur Abrechnung am Samstag, die im Titel angekündigt wird, Jahre und Jahrzehnte, eine Zeit voller Unterdrückung und Täuschung, verhohlenem Sehnen und unterdrücktem Hass. Eine Zeit, in der Persönliches gewaltige gesellschaftliche und politische Effekte entwickelt und die, wie sich am Ende herausstellt, skandiert wird vom Blick einer Frau – eines Stars des italienischen Kinos der Sechziger.
Seit zehn Jahren schreibt Davide Longo, neben zahlreichen anderen Werken, auch Kriminalromane über eine kleine Polizeitruppe aus Turin um den Commissario Vincenzo Arcadipane. Der vorliegende ist bereits der vierte (nach „Der Fall Bramard“, „Die jungen Bestien“, „Schlichte Wut“). Es geht in diesen Büchern um die Leiden der Ermittler – was die Arbeit angeht und ihr privates Leben, ihre Traumata.
Gleich zu Beginn wird Arcadipane mit seinem treuen Vize Pedrelli (und dem dreibeinigen Hund Trepet) in die Berge des Piemont geschickt, in das kleine Dorf Clot. Als Pedrelli den Chef ganz in der Frühe mit dem Dienstwagen, einem amarantroten Peugeot, abholt, muss dieser auf dem Weg zum Auto einer Lady im Morgenmantel helfen, einen Welpen einzufangen, der ihr davonsauste. Es ist der Hund ihres Bruders, sie soll auf ihn aufpassen und ist damit voll überfordert. Der Commissario schultert den Hund und trägt ihn zu ihrer Wohnung, der Hund scheint zufrieden zu sein – und Arcadipane spürt etwas Warmes, Klebriges seinen Rücken hinablaufen.
Den Zehner, den die Frau zum Dank anbietet, weist der Commissario zurück, auch das Unterhemd und Hemd des toten Gatten, das er haben könnte. Im Wagen fragt Pedrelli dann, ob er die Heizung niedriger stellen dürfe: „Eine Katze muss auf die Kühlerhaube gepinkelt haben. Sie spüren die Wärme des Motors, aber dann wird man den Gestank nicht mehr los …“
Arcadipane ist geschieden, bringt jeden Monat der Ex die Unterhaltszahlung persönlich vorbei, kann sich aber nicht merken, an welchem Tag die Tochter die nächste Prüfung hat. Seine neue Frau ist gehbehindert, eine Psychotherapeutin. Bei der Arbeit schiebt er, wenn Konzentration erfordert wird, ein Sucai – ein Lakritzbonbon – in den Mund, und davon den benötigten Vorrat zu beschaffen, ist nicht immer leicht.
In Clot wurde der Filmproduzent Terenzio Fuci in seinem Jaguar erdrosselt aufgefunden, seine Frau ist verschwunden, womöglich entführt, ein Filmstar der Sechziger, deren Filme die Firma ihres Mannes produziert hatte. Fuci hatte diese Anna Mattalia 1962 zum ersten Mal in Clot gesehen, sich in sie verliebt und sie nach Rom in die Filmwelt geholt, wo sie unter dem Namen Vera Ladich Karriere machte – es war eine Liebe, die Protektion und Abschirmung bedeutete, eine amour fou, deren wahre Dimension erst langsam deutlich wird. Mademoiselle le look wird Vera genannt, weil sie in jedem ihrer Filme für Sekunden ihren Blick direkt in die Kamera richtet. „Es war Godard, der sie Mademoiselle le look nannte, in einem Interview, in dem er ihr vorschlug, da die Filme, in denen sie auftrete, eine schlechte Kopie der seinen seien, mit dem zu arbeiten, der diese Art Kino erfunden hat.“
Vera Ladich ist eine erfundene Figur, und sie entspricht perfekt dem manchmal bitteren, manchmal komischen Pathos, mit dem dieses Buch erzählt wird – man tut also gut daran, es von Anfang an nicht als genretreues Krimistück zu lesen, sondern in der Dimension eines spätmittelalterlichen Weltgerichtsspiels, zwischen religiöser Metaphorik und Mystik. Zu den rätselhaften Worten, die Vera Ladich in den Blick-Momenten spricht, gehören „dann wird mir das Böse kein Leid antun können ...“ und „die Liebe, die ich euch entgegenbringe ...“.
Die leidenden Ermittler dieses Buches sind ältere Männer, die Frauen an ihrer Seite, ebenfalls im Polizeidienst, kommen sehr viel besser mit den Miseren des Lebens zurecht. Eine von ihnen hat ein punkiges Outfit wie Stieg Larssons Lisbeth Salander, sie ist lesbisch und schwanger. Dann holt Arcadipane noch Cosmo Bramard zu Hilfe, seinen legendären Vorgänger bei der Turiner Kripo, nun pensioniert, dessen Frau Opfer eines Serienmörders wurde. Seitdem sind die Wege, auf denen er die Klärung eines Falls sucht, sehr abseitig geworden, er studiert die Fresken der Dorfkirche – eine Madonna mit Salamander! –, mysteriöse patriarchalische Rituale des Dorfes, die die Nachkommenschaft regeln, einen Fortsetzungsroman des vorigen Jahrhunderts. In der Nähe des Dorfes ragt bedrohlich ein Staudamm auf, gegen Ende will der Regen nicht mehr aufhören.
Es sind alte Geschichten, die in die Ermittlungen in diesem Buch hineinstoßen und diese auf absurde Weise umlenken. Sodass „dieses Verbrechen und das Verschwinden von Vera Ladich das Ergebnis von Partien sind, die an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und mit verschiedenen Karten gespielt werden“. Als käme jede Karte von einem anderen Spieltisch. Eine Atmosphäre, die an die frühen Stummfilm-Serials erinnert, von Louis Feuillade oder von Fritz Lang, mit ihren größenwahnsinnigen Verbrechern und geschlossenen Schauplätzen – in diesem Buch gibt es eine Heilanstalt oder den extravaganten Landsitz eines schwulen Filmemachers, dem der strenge Ernst Pier Paolo Pasolinis abgeht, oder ein unterirdisches Gemach, dem Tod geweiht.
Der Größenwahnsinn ist in diesem Buch politisch motiviert, er reicht in die Sechziger und Siebziger, als die Democrazia Cristiana die Gesellschaft bestimmten – ein gläubiger Kapitalismus. Reinigung ist das große Projekt, alttestamentarisch und katastrophal. Das eschatologische Moment, das oft Kriminalromane antreibt, fehlt bei Longo, der Begriff des Endes, des Abschlusses ist hier nicht mehr wichtig. Arcadipane erinnert sich mal an eine tote Frau, die am Ufer des Po gefunden wurde, ihr Blick ist leer und aufmerksam. „Das Leben war weitergegangen, in seiner Bescheidenheit, aber dieser Blick nicht. Seitdem er bei der Polizei ist, war das einer der fünf Momente, da er begriff, dass seine Arbeit nicht, wie die Leute meinen, das Ende eines Lebens betrifft, sondern den Augenblick, in dem jemand es für immer eingefroren hat. Etwas, das mehr mit dem Ausbruch des Vesuvs in Pompeji zu tun hat als …“ In diesem Augenblick bricht der Commissario seine Überlegungen ab.
Der Größenwahnsinn
ist in diesem Buch
politisch motiviert
Davide Longo: Am Samstag wird abgerechnet. Kriminalroman. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner und Felix Mayer. Rowohlt, Hamburg 2024. 558 Seiten, 26 Euro.
Der Autor Davide Longo, 1971 geboren, lebt in Turin, wo er an einem Literaturinstitut unterrichtet.
Foto: Paolo Giagheddu
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Longo liebt die melancholische Menschenbeobachtung, gelegentlich das Pathos. Tatsächlich gelingen ihm Figuren, die im Gedächtnis bleiben, und Vergleiche, die das Übliche des Genres hinter sich lassen... Er will Boutique schreiben, nicht Industrie. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt. Hannes Hintermeier Frankfurter Allgemeine Zeitung 20241007