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Hinterm Stubenofen, im Freien, gar im Café oder Eisenbahnabteil - auf Spurensuche nach den Entstehungsorten der Weltliteratur. Gelehrte Stubenhocker träumen sich in die weite Welt hinaus. Rasende Reisende in Sachen Literatur wünschen sich dagegen zurück in die still verstaubten Winkel. Zwischen diesen beiden Schreibtisch-Sehnsüchten lesen und schreiben, leben und lieben Poetinnen wie Philosophen. Mal ist das Kämmerlein erfüllt von Dantes Liebestränen, mal ist es tüchtig verqualmt wie bei Immanuel Kant oder Friedrich Schiller. Virginia Woolf fordert das Zimmer für sich allein, die…mehr

Produktbeschreibung
Hinterm Stubenofen, im Freien, gar im Café oder Eisenbahnabteil - auf Spurensuche nach den Entstehungsorten der Weltliteratur.
Gelehrte Stubenhocker träumen sich in die weite Welt hinaus. Rasende Reisende in Sachen Literatur wünschen sich dagegen zurück in die still verstaubten Winkel. Zwischen diesen beiden Schreibtisch-Sehnsüchten lesen und schreiben, leben und lieben Poetinnen wie Philosophen. Mal ist das Kämmerlein erfüllt von Dantes Liebestränen, mal ist es tüchtig verqualmt wie bei Immanuel Kant oder Friedrich Schiller. Virginia Woolf fordert das Zimmer für sich allein, die Märchen-Brüder Grimm nur eines zu zweit. Für Friederike Mayröcker ist Chaos unabdingbar. Und wer wie Truman Capote zur seltsamen Gattung der "horizontalen Autoren" gehört, braucht einfach nur ein Bett.
Orte des Schreibens erzählen seit der Antike von Höhen und Tiefen: von göttlichen Eingebungen auf mythischen Bergen, von kratzenden Federn in klösterlicher Stille, von Luxus-Salons oder armseligen Dachkammern. Die Räume laden ein zur Phantasie, zur musealen Andacht oder zur neuen virtuellen Verwirrung im Computer-Zeitalter.
Begleiten Sie Severin Perrig auf eine aufregende Entdeckungsreise durch die Schreibstätten berühmter Dichter und Denkerinnen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Severin Perrig, 1961, studierte Germanistik, Geschichte und Ethnologie in Marburg und Zürich. Er war u.a. Dozent für Deutsche Literatur an der tschechischen Universität Ostrava. Zahlreiche Publikationen, u.a. "Stimmen, Slams und Schachtel-Bücher: Eine Geschichte des Vorlesens", "Archäologie der Märchen". Er lebt und arbeitet als Dozent und Autor in Luzern und Zürich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Neugierig und interessiert hat Rezensent Hans-Jürgen Schings mit Severin Perrigs neuem Buch "Am Schreibtisch großer Dichter und Denkerinnen" in die Arbeitszimmer von Homer bis Virginia Woolf oder Alice Munro geschaut. Der Kritiker erfährt etwa, dass Rousseau die Arbeit im Freien vorzog, Goethe sich vor allzu großer Bequemlichkeit scheute, während die Brüder Goncourt sich von dem "orientalischen Plunder" in Flauberts Arbeitszimmer gestört fühlten. Von diesem gut recherchierten, materialreichen und heiteren "literarischen Immobilienmarkt" ist der Rezensent derart begeistert, dass er gern über die ein oder andere verunglückte Formulierung hinwegschaut.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2012

Wohne, wie du schreibst
Severin Perrig erzählt von Dichter-Arbeitszimmern

Mehl, und nicht die Mühle: Mit Lichtenbergs Diktum lässt sich gut spotten über literaturwissenschaftliche Literaturflüchtlinge, die ihr Heil überall suchen, in der Theorie und in Medien, Umfeldern und Biographien, nur nicht im Text. Ein besonders beliebter Fluchtort ist die (dazu geschaffene?) Kulturgeschichte; sie ist weiträumig und voller aparter Forschungslücken, liberal, denn ihre Ansprüche reichen nur so weit, wie der Nutzer es will, und einfallsreich, gibt es hier doch keinen altmodischen "Forschungsstand", sondern lauter Neuigkeiten.

In unserem Fall - Severin Perrigs "Am Schreibtisch großer Dichter und Denkerinnen" - sollte man freilich nicht lange die Stirn runzeln, so aufgeräumt, unprätentiös und materialfreudig kommt diese "Geschichte literarischer Arbeitsorte" daher. Wenn es so etwas wie einen umgestürzten Zettelkasten gibt, hier ist er zu besichtigen, und da er in jahrelanger Handarbeit erstellt und nicht im Handstreich ergoogelt wurde, befriedigt er die Neugier und spendet gute Laune. Auch wenn ein paar Sätze zu Bruch gegangen sind - "Aber wer hat und vermag schon all diese technischen Errungenschaften?" -, Wilhelm Raabe mit seinem modernen Namensvetter Paul verwechselt und das hässlich-notarielle "alttestamentarisch" nicht gescheut wird.

Der Leser gerät auf einen literarischen Immobilienmarkt der sehr gehobenen Art. Von Homer bis Virginia Woolf und Alice Munro, von der wandernden Textmanufaktur bis zum wohlgerüsteten Schreibplatz, von den erhabenen Ortlosigkeiten des Parnass bis zum luxuriösen Elfenbeinturm reicht Perrigs Angebot. Gern folgt man ihm auf seinen aufmerksamen und kenntnisreichen Besichtigungstouren. Dabei könnte man den Eindruck gewinnen, es gehe durchweg um eine Bestätigung von Pascals Befund, das Unglück der Menschen (und vielleicht der Dichter) rühre daher, dass sie nicht in ihrem Zimmer bleiben können. Wer so ausgeklügelt wohnt wie schreibende Intellektuelle, was kann dem schon anhaben?

Die Strategie zielt, wen verwundert es, auf den ländlichen locus amoenus oder, streng und klösterlich, auf Gehäuse der Abgeschiedenheit. Zu den größten Störenfrieden gehört deshalb - die Frau, was Perrig mit einem überraschenden, aber wohl einschlägigen Exkurs zur Blaubart-Sage und zum Blaubartzimmer vorführt. Doch auch die Gegentendenz kommt zur Geltung und ihre Parole: ins Freie! Rousseau und Faust sind ihre mehr oder weniger unwirschen Anwälte: "Weh! steck' ich in dem Kerker noch? Verfluchtes dumpfes Mauerloch". Es ist schön, dass mit Hilfe des Laptops die Freiluftliteratur auf eine Reanimation rechnen kann. Wie es scheint, kennt die Geschichte des Arbeitszimmers einen Rhythmus, der immer wieder die Richtung wechselt und bald nach innen, dann wieder nach draußen will.

Und noch einen Cantus firmus der literarischen Zimmerbewohner kann man ausmachen: Luxus ist verpönt. Damit trösten sich nicht nur arme Poeten in ihren Dachstübchen, die Jean Paul "Empor-Stuben" nennt. Man lese, wie mäkelnd die Brüder Goncourt Flauberts Arbeitsraum beschreiben: "Und hier und da, auf dem Kamin, auf den Tischen, in den Fächern der Bücherregale, an Armen baumelnd oder an der Wand hängend orientalischer Plunder: Amulette mit grüner Patina aus Ägypten, Pfeile, Waffen, Musikinstrumente, Holzbänke, auf denen die Stämme Afrikas zu schlafen, ihr Fleisch zu schneiden und zu sitzen pflegen, Kipferplatten, Glasperlenhalsbänder und zwei Mumienfüße. Dieses Interieur ist ganz der Mann . . ." Wohlwollend ist das nicht gemeint.

Demgegenüber Goethe, als er einen eleganten grünen Lehnstuhl angeschafft hat: "Ich werde ihn jedoch wenig oder gar nicht gebrauchen, denn alle Arten von Bequemlichkeit sind eigentlich ganz gegen meine Natur. Sie sehen in meinem Zimmer kein Sofa; ich sitze immer in meinem alten hölzernen Stuhl und habe erst seit einigen Wochen eine Art von Lehne für den Kopf anfügen lassen . . . Ausgenommen, daß man von Jugend auf daran gewöhnt sei, sind prächtige Zimmer und elegantes Hausgerät etwas für Leute, die keine Gedanken haben und haben mögen." Das Interieur ist wie der Mann. Will man diesen kennen, schadet es nicht, auch jenes kennenzulernen. Severin Perrig leistet dabei freundliche Hilfe.

HANS-JÜRGEN SCHINGS

Severin Perrig: "Am Schreibtisch großer Dichter und Denkerinnen". Geschichte literarischer Arbeitsorte.

Rüffer & Rub, Zürich 2011. 262 S., geb., 28,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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