Abwechslungsreich erzählter Thriller mit Mystery-Elementen
Die junge Mack ist ganz unten angekommen. In Gedanken von ihrer grausamen Vergangenheit verfolgt, vegetiert sie nun in einer Obdachlosenunterkunft vor sich hin. Alles, was ihr noch geblieben ist, ist auf ein kleines Bündel an
Habseligkeiten zusammengeschrumpft. Als sie auch noch das verliert, sieht sie sich gezwungen das dubiose Angebot…mehrAbwechslungsreich erzählter Thriller mit Mystery-Elementen
Die junge Mack ist ganz unten angekommen. In Gedanken von ihrer grausamen Vergangenheit verfolgt, vegetiert sie nun in einer Obdachlosenunterkunft vor sich hin. Alles, was ihr noch geblieben ist, ist auf ein kleines Bündel an Habseligkeiten zusammengeschrumpft. Als sie auch noch das verliert, sieht sie sich gezwungen das dubiose Angebot der Managerin der Unterkunft anzunehmen. Das besteht aus einem rätselhaften Versteckspiel. Da dem Gewinner 50.000 Dollar Preisgeld winken, lässt sie sich darauf ein.
Im Zuge der als Challenge angepriesenen Aufgabe, die Mack in diesem Thriller bewältigen muss, hat sie sich eine Woche lang in einem 30-minütigen Zeitfenster zu Beginn eines jeden Tages im Park zu verstecken, um bis zur Abenddämmerung dort zu bleiben. Denn wer entdeckt wird, ist raus. Mit dem verlassenen Vergnügungspark hat Kiersten White eine passende schauerliche Kulisse für ihren an die erfolgreiche Netflix-Serie Squid Game erinnernden Roman gefunden. Ergänzt wird die stimmungsvolle Location vom eigenartigen Verhalten der Veranstalter des Versteckspiels sowie der lokalen Bevölkerung.
Obwohl sich Kiersten White bemüht hat, ihre Gruppe aus 14 verschiedenen Kandidaten des mysteriösen Wettbewerbs abwechslungsreich zusammenzustellen, sind die meisten davon ziemlich blass geblieben. Obgleich das Spiel nicht gleich beginnt, sondern erst der Weg dorthin beschrieben wird, an den sich ein gemeinsames Essen im Diner und ein Besuch im Spa anschließen, sind mir davon neben den dreien, die kein Smartphone besitzen, nur Vergangenheit und Beruf von Rosiee in Erinnerung geblieben. Die ist Silberschmiedin und wird seit vier Jahren von ihrem Ex verfolgt. Die verbleibenden zehn sind Variationen von Influencern, die von einer Karriere in den sozialen Medien in unterschiedlicher Form träumen und deren größtes Problem erst der fehlende Handy-Empfang ist. Da ist es mir nicht leicht gefallen den einen vom anderen zu unterscheiden. Bestätigt habe ich mich darin gefühlt, indem Kiersten White damit kokettiert hat, dass sich auch Protagonistin Mack nicht die Namen von allen merken kann. Als gelungener hätte ich "Amazement Park" empfunden, wenn die Autorin die Größe der Gruppe beschränkt und den einzelnen Mitgliedern ähnlich starke Hintergrundgeschichten wie die von Rosiee zugestanden hätte statt deren Austauschbarkeit zu betonen.
Von den schwachen Charakterisierungen blasser Nebenfiguren heben sich Mack, Veteranin Ava und der ruhige LeGrand deutlich ab. Dabei hat Mack schon in der Obdachlosenunterkunft ihr Geschick im Verstecken unter Beweis gestellt und sympathische Züge im Umgang mit einem dort unter dem Dachbalken hausenden Vogel gezeigt. LeGrand, der ein unsicherer, Frauen zwanghaft meidender junger Mann ist, hat bereits in der Anreise per Bus ein besonderes Talent an den Tag gelegt, unsichtbar zu bleiben, indem er übersehen wird. Ava, die wegen einer zweiten Teilnehmerin gleichen Namens in Macks Gedanken Buzz-Cut Ava heißt, hat Verletzungen im Krieg davongetragen. Obwohl sie ein Bein nachzieht, scheint die muskulöse Veteranin Mack die fitteste Kandidatin zu sein, die so wie sie selbst mit den traumatischen Erlebnissen ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat. Wenn Ava sich nicht sicher fühlt, kann sie nicht schlafen. Dadurch fällt ihr als erstes auf, dass die Teilnehmer von den Veranstaltern hinters Licht geführt werden, da sie auf der Busfahrt zum Park deren Wasser mit einem Betäubungsmittel versetzt haben.
"Amazement Park" ist von der abwechslungsreichen Erzählweise von Kiersten White geprägt. Zunächst wird der Thriller nur aus Sicht von Protagonistin Mack geschildert, in seinem weiteren Verlauf kommen aber unterschiedliche Blickwinkel anderer Teilnehmer, des Veranstalters sowie der einheimischen Bevölkerung hinzu. In an ein Intermezzo erinnernden Kapiteln werden von der Autorin zusätzliche Zeitebenen in den Roman integriert, indem in Gestalt von alten Tagebucheinträgen und früher verfassten Briefen nach und nach die gesamte Historie des Parks enthüllt wird, die bis ins Jahr 1925 zurückreicht.
Nach der ruhig gehaltenen, recht ausführlich geratenen Einleitung, die etwa das erste Fünftel des Buchs umfasst und gekonnt mit den durch die zur Serie Squid Game vorliegenden Parallelen geschürten Erwartungshaltungen spielt, hat Kiersten White das Tempo in "Amazement Park" deutlich angezogen. Die enge Taktung der Ereignisse hat mir auch während der vielen Stunden, die die Kandidaten regungslos in ihren Verstecken im Park auszuharren haben, kaum eine Pause vergönnt. Nebenher fließt soziale Kritik mit ein, die zwar ein wenig arg mit dem Vorschlaghammer daherkommt, ihre Wirkung bei mir jedoch mit ihrer bis zur letzten, drastischen Konsequenz auserzählten Geschichte nicht verfehlt hat. Da der Thriller ziemlich abrupt endet, hätte ich mir gewünscht, dass die Autorin dabei offen gebliebene Fragen in einem Epilog artigen, zeitlich später angesiedelten Kapitel beantwortet hätte.