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Was bedeutet der Tod in der modernen Gesellschaft? Wie verändern sich die Einstellungen zum Sterben durch den technischen Fortschritt und die Lebensverhältnisse der Gegenwart? Für welche Formen des Sterbens setzen sich welche Gruppen ein - und mit welchen Argumenten? Solche Fragen werden in diesem interdisziplinären Band diskutiert. Vor allem Philosophen, aber auch Soziologen, Pflegewissenschaftler und Germanisten erörtern ein Thema, das jeden betrifft.
Inhaltsverzeichnis:
Inhalt
Ambivalenzen des Todes? Zur Einleitung
Soziologische Perspektiven
Werner Fuchs-Heinritz,
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Produktbeschreibung
Was bedeutet der Tod in der modernen Gesellschaft? Wie verändern sich die Einstellungen zum Sterben durch den technischen Fortschritt und die Lebensverhältnisse der Gegenwart? Für welche Formen des Sterbens setzen sich welche Gruppen ein - und mit welchen Argumenten? Solche Fragen werden in diesem interdisziplinären Band diskutiert. Vor allem Philosophen, aber auch Soziologen, Pflegewissenschaftler und Germanisten erörtern ein Thema, das jeden betrifft.

Inhaltsverzeichnis:
Inhalt
Ambivalenzen des Todes? Zur Einleitung
Soziologische Perspektiven

Werner Fuchs-Heinritz, Soziologisierung des Todes? Der
halbherzige Diskurs über das Lebensende

Peter Fuchs, ‘Media vita in morte sumus’ Zur Funktion
des Todes in der Hochmoderne -systemtheoretisch beobachtet

Reimer Gronemeyer, Von der Lebensplanung zur Sterbeplanung.
Eine Perspektive der kritischen Sozialforschung

Wirklichkeitsfelder

Martin W. Schnell, Das Lebensende im Zeichen der
Patientenverfügung. Anmerkungen aus Sicht der Pflegewissenschaft

Stefan Dreßke, Interaktionen zum Tode. Wie Sterben im
Hospiz orchestriert wird

Ludger Fittkau, Der Trend zur Urne im Wurzelwerk.
Bestattungskultur heute am Beispiel von Friedwäldern und Ruheforsten

Philosophische Perspektiven

Petra Gehring, Sterbepolitische Umbauversuche. Von der
Sterbehilfe zum assistierten Suizid

Rudi Visker, Gibt es einen Tod nach dem Leben?

Andreas Hetzel, Todesverdrängung? Stationen einer
Deutungsgeschichte

Marc Rölli, Metaphysik der Endlichkeit. Heideggers
Philosophieren im Schatten des Todes

Christian Grüny, ‘Nach Auschwitz’ - ein Motiv
zwischen Geschichte und Metaphysik

Leseprobe:

"Die Pflegekraft arbeitet konzentriert, der Patient kooperiert automatisch mit den Abläufen und das Alltagsgespräch ruht. Die Pflegekraft zieht dann ihre Handschuhe an und in prägnanten einstudierten Bewegungen, bei denen der Patient in der Regel weiß, welche Anforderungen gestellt werden, werden die Windelhose gewechselt, Genitalien und Gesäß gewaschen, Blasenkatheder überprüft und Verbände gewechselt. Das Überspielen degradierender Situationen nach dem Motto ‘als ob nichts wäre’ beruht auf einem Konsens, nach dem der Patient bereitwillig zu einer Sache gemacht wird. Etwas drastischer als bei einem normalen Wechsel der Windelhosen drückt Pfleger Herbert diese geteilte Vereinbarung am Beispiel einer Patientin mit einem übel riechenden Vaginalkarzinom aus, das verbunden werden muss:
Sie verfault bei lebendigem Leibe. Das ist so ein Bild, das möchte keiner gern haben. Das hat auch etwas mit unangenehmen Gerüchen zu tun, verfaultes Fleisch. Der Patient hat das 24 Stunden am Tag. [...] Ich versuche, das neutral zu betrachten. Ich ertappe mich dabei, dass ich die Arbeit rein funktional erledige. [...] Wenn sie dann eine Zigarette verlangt, um sich abzulenken, selbst während des Verbandwechsels, finde ich das in Ordnung. Sie weiß, ich muss da jetzt technisch etwas machen, ich komme nicht drum herum und sie versucht, sich abzulenken.
An diesem Beispiel lässt sich sehen, dass gerade die distanzierende Haltung einen Schutz für die Patientin darstellt, wenn sie genauso wie der Pfleger ihren Körper objektiviert und ihn übersieht. Diese Hinterbühne ist allerdings zeitlich befristet und wird nach Ende der Tätigkeit wieder verlassen: Pflegeutensilien werden beiseite geschafft, die Handschuhe abgestreift, Waschwasser und Waschlappen gewechselt. Die Zigarette kann dann wieder Anknüpfungspunkt für ein Gespräch sein, nachdem die Vorderbühne symbolisch wieder betreten wurde. Bisher ist die distanzierende Haltung als ‘Entlastung’ des Pflegepersonals und der Ärzte thematisiert worden, um sich vor der emotionalen Überforderung aufgrund der Nöte der Patienten zu schützen. Die Behandlung des Patienten als eine Sache würde dann allerdings den Patienten ‘depersonalisieren’. Dies ist sicherlich richtig, wenn keine Korrektur der Sachbezogenheit erfolgt und der Patient dauerhaft nicht mehr als Person angesprochen wird. Im Rahmen der konkreten Pflegetätigkeit aber entlastet eine distanzierte Haltung auch den Patienten davon, weitere Einbußen seines Selbstwertgefühls hinzunehmen. (Erinnert sei hier an die Krankenrolle, die den Patienten von der persönlichen Verantwortung für seine Krankheit entpflichtet." (aus: Wirklichkeisfelder, Interaktionen zum Tode, wie Sterben im Hospiz orchestriert wird, von S. Dresske)
Autorenporträt
Petra Gehring ist Professorin für Theoretische Philosophie an der Technischen Universität Darmstadt.