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Amoretten flattern auf Lichtpunkte zu, leicht bekleidet und Honig schleckend. Ihr Ziel: Verlieben machen. Als Gallionsfiguren der Liebe sind sie vielgestaltig: Zierde, Wagnis, Personifikation von Hoffnung. Zugleich bergen ihre Pfeile Gefahr durch Ablenkung, Täuschung, Manipulation. Im Spannungsfeld von Sehnsucht und Zerstörung bahnen sie Schneisen durch Wissen und Nichtwissen.Die Gedichte verfangen sich in einem Geflecht aus antiken Mythen, menschlicher Anatomie, Archäologie und Popkultur. Sie bewegen sich nah am Körper entlang, umspielen Hirnhäute, dehnen sie zu Sprachräumen, in denen über…mehr

Produktbeschreibung
Amoretten flattern auf Lichtpunkte zu, leicht bekleidet und Honig schleckend. Ihr Ziel: Verlieben machen. Als Gallionsfiguren der Liebe sind sie vielgestaltig: Zierde, Wagnis, Personifikation von Hoffnung. Zugleich bergen ihre Pfeile Gefahr durch Ablenkung, Täuschung, Manipulation. Im Spannungsfeld von Sehnsucht und Zerstörung bahnen sie Schneisen durch Wissen und Nichtwissen.Die Gedichte verfangen sich in einem Geflecht aus antiken Mythen, menschlicher Anatomie, Archäologie und Popkultur. Sie bewegen sich nah am Körper entlang, umspielen Hirnhäute, dehnen sie zu Sprachräumen, in denen über Herkunft und Bewusstseinsbildung nachgedacht wird. Ovids Metamorphosen treffen auf Sappho, Genetikforschung und Botticellis Venus. Mit Bezugnahme auf klassische Gedichtformen wie Sonette und Terzette, gebrochen und neu arrangiert, aber auch in einem lyrischen Lexikon, hinterfragen sie den Musenbegriff aus heutiger Perspektive, modifizieren Zuschreibungen über Frauen und die Natur, verdrehen den male gaze und female gaze der Kunstgeschichte, verrücken und erobern sich Grenzen und Begriffe aus weiblicher Perspektive. Dabei wird sowohl klassisch philosophischen Fragen über das Menschsein nachgegangen als auch gegenwärtigen Themen wie Klimawandel, Feminismus und neuen digitalen Sprechformen.
Autorenporträt
Lara Rüter wurde 1990 in Hannover geboren. Sie studierte Kulturwissenschaften in Hildesheim und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie war Preisträgerin für Lyrik beim 26. Open Mike. 2020 erhielt sie den Caroline-Schlegel-Förderpreis für Essayistik, 2021 den Wolfgang-Weihrauch-Förderpreis beim Literarischen März. Sie lebt in Leipzig. 'amoretten' in netzen ist ihre erste eigenständige Buchpublikation.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2024

Mit enter öffnet sie, klick klack
Lara Rüters erster Gedichtband strotzt vor poetischer Energie

Liebesgedichte lassen sich nicht vollständig neu erfinden, aber ständig verwandeln und wenden. Lara Rüters Lyrikdebüt "amoretten in netzen" gelingen atemraubend schöne Liebesgedicht-Metamorphosen. Am spektakulärsten in ihrem Eingangszyklus, der mit seinem ersten Vers einen eigenwilligen Handlungsort setzt: "es klickt, hier, auf der scherbe, ein fang geht ins netz. oder das navi / spinnt." Dieser Vers gewinnt seine poetische Energie aus einzelnen Wörtern, die durch die digitale Kultur ambivalent geworden sind: "Klicken" mag einst ein Geräusch bezeichnet haben. Nun beschreibt es auch eine alltägliche Fingerspitzentechnik, mit der wir taktil das Analoge mit dem Digitalen verschränken und ganze Branchen am Laufen halten. Oder in Atem. Wer ins Netz geht, hat sich nicht unbedingt in Fischereiutensilien oder Arachniden-Wohnstätten verheddert. Während umgekehrt der Bildschirm bei Rüter eben nichts anderes als eine (rechteckig zugeschnittene) "Scherbe" darstellt, auf der sich nach dem Vorbild altgriechischer Ostraka das Schicksal unseres Lebens und Liebens entscheidet. Sofort steht einem vor Augen, wie das Navi ein Netz spinnt, das sich als Koordinatensystem über die Landschaft legt. Oder wird es doch verrückt, weil es den Fang nicht angemessen verarbeiten kann?

So entsteht im ersten Zyklus eine gleichermaßen sinnliche wie abstrakte Vorstellungswelt, in die sich die einzelnen Figuren einfügen. Die "lovey doveys", als heftig Liebende, die ihr Verliebtsein offen ausstellen. Oder die Figurine: "will die figurine ihren körper knacken, plustert sie / sich auf, und mit enter öffnet sie, klick klack." Oder auch der literarische Großmeister sowohl der Metamorphosen als auch der Liebeskunst: Ovid. Er bandelt sofort mit dem Ich dieses Zyklus an: "ich geh den technischen weg, aber spür ihn kaum. hab ovid / an der hand, lehn mich voll rein. ernte romantische blicke. das ist alles". Um dann die Hüllen fallen zu lassen: "ovid liegt nackt, hier, auf der scherbe. erwartet sappho oder so, seine brüste / fließen seitlich ab. so schutzlos. so sexy." Rüter greift auf die Antike zurück, weil sie bei Autoren wie Ovid und Sappho, aber auch bei Venus und Eros die Grundelemente auch unserer aktuellen Liebeskommunikation ausmacht.

Die Liebe ihrerseits avanciert in "amoretten im netz" zur alles verbindenden, lebensaufwirbelnden Kraft. Ihr Gegenteil ist die "trennung, sie liebt ordnung." Rüter entwirft ein großes wissenspoetisches Umkodierungs-Wunderland, in dem es darum geht, "sich umzuwissen". Konzise setzt Rüter ihr liebesenzyklopädische Programm bis zum abschließenden "amorettenglossar" um. Dort heißt es unter dem ersten Lemma "achsenmärchen" poetologisch klar: "mit fantasie ein / ende vermeiden. etwas erfinden / und weiterspinnen. Gedanken, deren / rückwege sich versperren; happy- / end." Glück ist, ohne Ende weiterzuspinnen.

Lara Rüter, 1990 in Hannover geboren, in Leipzig lebend, hat mit ihrem Band einen in sich geschlossenen poetischen Kosmos erfunden, den sie - Vers um Vers - sorgsam und mit großer Präzision einrichtet. Kleinteilig mag einem diese Spracharbeit vorkommen, doch sie hat durchaus Großes im Blick. Der zweite Zyklus führt verschiedene Mutterfiguren ein: Drei Hirnhäute hat der Mensch, die jeweils den Ehrentitel "mater" führen: dura, archnoidea, pia mater - klingt nach den drei Grazien oder Moira, ist aber Medizin. Rüter entfaltet aus der medizinischen Schutzfunktion dieser drei Gewebe Muttergedichte und stellt sie in eine Reihe mit den drei übernatürlichen Frauenfiguren aus dem Thriller "The Three Mothers" von Dario Argento. Um beide dann über Fossilien wie den Kopffüßler "ammonoidea mater" als eine Galerie von Ursprungsfiguren vor Augen zu stellen.

Der dritte Zyklus ("sucht ihre zunge, findet trara") entwirft in Fortsetzung dieses genuin weiblichen Schreibens aus einem Fließ-, Energie- und Höhlenbild eine neomythologische Nymphenphantasie, in der sich alles um die weibliche Liebe dreht: "folg dem strom in die höhle, hört die zerstörung und leben. in wänden / kriecht, was mich finden wird, wärme. was zerstört, belebt doch auch." Extrem kleinteilig in seiner sprachlichen Fugung, große Aufmerksamkeit erfordernd, aber Silbe für Silbe eingängige Bilder erzeugend: "eine nymphe - lara - sucht ihre zunge, findet trara - ihr echo. ihr körper fällt vom ende in sich, wie schon zuvor, zuvor. nennt man das trance?" Oder eine wunderbar eingängige Überschreibung des Narziss-Echo-Mythos.

Zwei Facetten dieses Bandes müssen noch benannt werden: Der Zyklus "nini" betreibt ausgehend von Renoirs gleichnamigen Frauenbild poetischen Ikonoklasmus. Und "palm beach, venus vice" taucht in ein seriendurchtränktes Miami ein: "style aus fleisch, palmen wackeln, natur holt dich ein, wenn du liebst, herzlos." Mit Sätzen wie: "im spamordner findest du deine aura wieder. Rosé shine". Oder: "du weinst unweit von disneyland", entwirft Rüter ebenso feinsinnige wie voraussetzungsreiche Affektbilder. Um sich im letzten Gedicht, das den Ton des ersten Zyklus wieder aufnimmt, mit diesem Hinweis zur Kältelehre des Lebens zu verabschieden: "verlässt euch der mut, doveys, schlüpft in die kathedrale, sogleich / beenden sterne das flirren, steine die imitation, ist euer herz nun kalt." CHRISTIAN METZ

Lara Rüter: "amoretten in netzen". Gedichte.

Wunderhorn Verlag,

Heidelberg 2024.

85 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz hingerissen ist Kritiker Christian Metz von den klugen, vielschichtigen Gedichtzyklen in Lara Rüters Debüt, die die digitale Alltagswelt in aufregende Liebesbegegnungen verwandeln. Schon der erste Zyklus, wo "es klickt, hier, auf der scherbe" und "das navi/spinnt" begeistert Metz mit allen offen liegenden Interpretationsmöglichkeiten, vom digitalen Klick bis zum Bildschirm als Scherbe, die im Altgriechischen über das Schicksal entscheidet. Auch Ovid und Sappho tauchen auf, nicht nur als poetische Urahnen, sondern auch als Figuren, "seine brüste/fließen seitlich ab. so schutzlos. so sexy." Rüter hat hier ein umfassendes lyrisches Universum vorgelegt, kraftvoll, raffiniert und unbedingt lesenswert, lobt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH