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Die Diskussion um die Sterbehilfe lässt die Gesellschaft nicht los. Viele sind verunsichert im Blick auf die ethische Beurteilung medizinischer Handlungen am Lebensende. Stephan Sahm ist als Palliativmediziner mit dem medizinischen Alltag vertraut und reflektiert ihn als Professor für Ethik in der Medizin. Auf diesem Hintergrund erläutert und begründet er seine Position und nennt klare Unterscheidungen: Die Herbeiführung des Todes, das Töten, ist kein Ziel der Medizin. Die Sterbenden begleiten zählt zu den humanen Pflichten - in der Sprache der Religion: zu den Werken der Barmherzigkeit. Doch…mehr

Produktbeschreibung
Die Diskussion um die Sterbehilfe lässt die Gesellschaft nicht los. Viele sind verunsichert im Blick auf die ethische Beurteilung medizinischer Handlungen am Lebensende. Stephan Sahm ist als Palliativmediziner mit dem medizinischen Alltag vertraut und reflektiert ihn als Professor für Ethik in der Medizin. Auf diesem Hintergrund erläutert und begründet er seine Position und nennt klare Unterscheidungen: Die Herbeiführung des Todes, das Töten, ist kein Ziel der Medizin. Die Sterbenden begleiten zählt zu den humanen Pflichten - in der Sprache der Religion: zu den Werken der Barmherzigkeit. Doch die bedarf der Klugheit, wenn es darum geht, ihre Position im gesellschaftlichen Streit zu formulieren. Es gilt, der Barmherzigkeit und der Achtung des Lebens in der säkularen Welt Gehör zu verschaffen, und mehr noch: sie im Alltag zu leben.
Autorenporträt
Stephan Sahm ist Professor für Medizinische Ethik an der Goethe-Universität, Frankfurt, und Chefarzt am Offenbacher Ketteler Krankenhaus mit dem Schwerpunkt Tumorbehandlung und Palliativmedizin. Er ist Mitglied vieler wissenschaftlicher Fachgesellschaften und Ethikkommissionen, u.a. der Päpstlichen Akademie für das Leben in Rom, und mehrfach als Experte zu Anhörungen des Deutschen Bundestags geladen; er publiziert regelmäßig zu den Problemen der Medizin- und Bioethik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Kim Björn Becker ist klar, dass die Gedanken zur Sterbehilfe, die der Medizinethiker und Arzt Stephan Sahm in seinem Buch äußert, Anlass zur Debatte geben. Becker findet das gut. Gewinnträchtig scheint ihm die Lektüre, da es dem Autor seiner Ansicht nach überzeugend gelingt, sowohl "sprachliche Unschärfen" (was ist Sterbebegleitung, was ärztlich assistierter Suizid?) in der Sterbehilfediskussion zu erkennen, als auch die ethischen Implikationen herauszuarbeiten. Vieles im Buch findet Becker auch unstrittig, so die Forderung nach einem eingehenden Dialog mit dem Patienten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2021

Mitleid ist kein Grund
Stephan Sahm nimmt Sterbehilfe ins Visier

Stephan Sahm, Professor für Medizinische Ethik an der Frankfurter Universität und Chefarzt am Offenbacher Ketteler-Krankenhaus (und auch regelmäßiger Mitarbeiter der F.A.Z.), beklagt in seinem Buch über die ethischen Herausforderungen der Palliativmedizin und -pflege zu Recht, dass bei der Rede von "indirekter" oder "passiver" Sterbehilfe zu viel im Verborgenen bleibe: Wann ist eine Handlung direkt, wo ist die Grenze zwischen aktiv und passiv? Dadurch entstünden Grauzonen, die mit einer klareren Terminologie vermieden werden können. Sahm folgt dagegen ärztlichem Wortgebrauch, wenn er Sterbebegleitung von ärztlich assistiertem Suizid unterscheidet. Und er legt überzeugend dar, dass es keinem Abbruch der Behandlung gleichkommt, wenn zum Beispiel im Rahmen der Krebsbehandlung ein neues Therapieziel verfolgt wird. Wenn also etwa eine Behandlung nicht mehr auf Heilung zielt, sondern auf die Linderung von Symptomen.

Vieles von dem, was Sahm schreibt, dürfte in der aktuellen Debatte um die Sterbehilfe unstrittig sein. Seinem Plädoyer für eine möglichst umfassende palliative Behandlung Schwerstkranker am Lebensende wird kaum jemand widersprechen wollen. Gleiches gilt für die Forderung, dass die Entscheidung über eine Änderung des Therapieziels wann immer möglich "im Dialog" mit dem Patienten oder dessen Vertretern getroffen werden müsse. Auch dass es für jede Form der Behandlung einen Schlusspunkt geben muss, begründet Sahm überzeugend. Medizin besteht für ihn nicht in erster Linie darin, blind Lebenszeit herauszuschinden, sie muss erreichte Lebensqualität in Rechnung stellen.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte im Februar 2020 die etwa fünf Jahre zuvor vom Bundestag getroffene Regelung der Sterbehilfe für nichtig. Paragraph 217 des Strafgesetzbuchs hatte den auf Wiederholung angelegten assistierten Suizid verboten und so nicht nur den Sterbehilfe-Vereinen den Boden entzogen, sondern auch einzelnen Medizinern die Möglichkeit der Suizidassistenz versperrt. Für die Karlsruher Richter war aber in erster Linie von Belang, dass das von ihnen verworfene Gesetz das Selbstbestimmungsrecht der Sterbewilligen auf unzulässige Weise eingeschränkt habe.

Sahm sieht in dem Karlsruher Urteil eine "Heroisierung des Suizids" und eine Fetischisierung der Selbstbestimmung. Er leitet seine Ablehnung der Sterbehilfe aus dem Grundsatz ab, dass die Existenz eines Menschen seiner Nicht-Existenz immer vorzuziehen sei. Wer Sterbewilligen Hilfe beim Suizid anbiete, suggeriert für Sahm eine soziale Akzeptanz des vorzeitigen Todes, die diesem Grundsatz zuwiderlaufe. Zudem macht sich in seinen Augen jeder den Suizidwunsch des Sterbewilligen zu eigen, der an dessen Erfüllung mitwirkt - eine Behauptung, über die man bestimmt streiten kann. Für Sahm ist allein schon das Angebot der Sterbehilfe geeignet, die Freiheit der Suizidwilligen einzuschränken - weil viele von ihnen, wie er es darstellt, sich wünschen, dass der Helfer das Bestreben in der Sache unterstützt. "Der Suizid ist ein Akt, der ein Freiheitswesen zerstört", darauf läuft es bei Sahm hinaus.

Der Leser muss hier selbst entscheiden, ob er diesem Gedankengang zu folgen gewillt ist oder nicht. Gleiches gilt für die Ansicht, dass Mitleid mit dem Kranken keine Rechtfertigung für Sterbehilfe sein könne - schon deshalb nicht, weil sich das Leid eines Menschen nie von außen abschätzen lasse. Das ist zweifellos richtig. Doch wie passt es zur unmittelbar folgenden Feststellung, dass Sterbehilfe durch Palliativmedizin ersetzt werden könne - und zwar, weil die moderne Medizin "Leidenszustände in allen Fällen lindern" könne, sodass "keinesfalls von einer Unerträglichkeit gesprochen werden" kann? Hier ist über die Erträglichkeit von Schmerzen von außen geurteilt.

Man muss mit Sahms Position nicht übereinstimmen, um seinen Gedanken mit Gewinn zu folgen. Sprachliche Unschärfen der Debatte über Sterbehilfe werden von Sahm zielsicher aufgespürt. Aber dass durch sie absichtlich eine "Grauzone herbeigeredet" würde, die der Liberalisierung der Sterbehilfe Vorschub leisten soll, das würde der Rezensent nicht unterschreiben. KIM BJÖRN BECKER

Stephan Sahm: "An der Seite des Lebens". Ethische Herausforderungen in Palliativmedizin und -pflege.

Echter Verlag, Würzburg 2021. 112 S., geb., 9,90 Euro.

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