This pioneering and celebrated work was the first, and remains the standard, account of the economic history of the huge area known as West Africa. It fills a large gap in African studies, provides newcomers with a stimulating point of entry into the subject, and contributes to our understanding of wider issues of global underdevelopment.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.2020Rebellen hätten geplündert, aber die Kasse ist voll
Afrikaner wirtschaften längst auf eigene Rechnung: A. G. Hopkins zieht die Bilanz eines boomenden Forschungsfeldes
Nach langen Jahren der Baisse feiert die Wirtschaftsgeschichte Afrikas eine Renaissance. Das hat mit dem Aufstieg der sogenannten Global Economic History zu tun. Überdies regten die beträchtlichen Wachstumsraten vieler afrikanischer Länder seit der Jahrtausendwende, die einige Beobachter gar von einem Boomkontinent schwärmen ließen, Fragen nach historischer Einordnung an. In der rasch wachsenden Literatur zum Kapitalismus bleibt der Kontinent freilich noch weitgehend außen vor. Die "neue Wirtschaftsgeschichte Afrikas", wie sie zuweilen genannt wird, ist geprägt von quantitativen Methoden sowie der Suche nach bisher ungenutzten Quellen.
Auch die Wirtschaftswissenschaften selbst interessieren sich seit einiger Zeit für Afrika und bemühen vermehrt historische Perspektiven. Besonders großen Einfluss entfalteten die Studien der Ökonomen Daron Acemoglu und James Robinson, die darlegten, dass das heutige Einkommensniveau in afrikanischen Ländern noch immer durch die Sterberaten von europäischen Siedlern vor weit mehr als hundert Jahren geprägt sei. Gerade in den von tropischen Krankheiten geprägten Regionen des Kontinents hätten Kolonialherren alles leergeplündert und sich dann abgesetzt - mit bis heute spürbaren Folgen. Und in einem breit rezipierten Aufsatz stellten Nathan Nunn und Leonard Wantchekon die Behauptung auf, dass Afrikaner, deren Vorfahren Opfer von Sklavenjagden und Versklavung waren, ihren Mitmenschen heute weniger Vertrauen entgegenbrächten.
Scharfe Kritik aus der Historikerzunft ließ nicht lange auf sich warten. Den Ökonomen kreidete man wieder einmal einen unkritischen Umgang mit historischen Daten an. Vor allem aber machten sich derartige Ansätze, so der Vorwurf, einer unzulässigen "Komprimierung der Geschichte" schuldig. Wer Entwicklungen des achtzehnten Jahrhunderts mit gegenwärtigen Zuständen korreliere und dabei die komplexe Historie dazwischen ignoriere, argumentiere letztlich ahistorisch. A. G. Hopkins, der Doyen der Wirtschaftsgeschichtsschreibung zu Afrika, bezichtigte in diesem Zusammenhang seine wirtschaftswissenschaftlichen Kollegen, sie hätten die Geschichte "gekapert".
Dieses Diktum wog umso schwerer, als Hopkins, der auch grundlegende Werke zur Geschichte der Globalisierung, des britischen Imperialismus und des amerikanischen Weltreiches vorlegte, sowohl bei den Historikern als auch den Ökonomen großen Respekt genießt. Denn wenn es in der Wirtschaftsgeschichtsschreibung zu Afrika einen Klassiker gibt, dann ist es die von Hopkins 1973 publizierte Wirtschaftsgeschichte Westafrikas. Nun ist die Studie nach nahezu einem halben Jahrhundert neu aufgelegt worden, ergänzt durch ein langes Vorwort des Autors. Er schildert dort die historiographischen Entwicklungen "nach Hopkins" und entfaltet ein Panorama gegenwärtiger Debatten ("An Economic History of West Africa". Second Edition. Routledge, London 2019. 400 S., 28 Abb., br., 42,99 britische Pfund.)
Diese Tour de Force durch fünfzig Jahre Historiographie bezeugt, dass die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit der Ökonomie Afrikas trotz zwischenzeitlicher "Krisen" immer ein innovatives Feld war, selbst wenn es phasenweise als unmodisch galt. Zu den Aspekten, die in Auseinandersetzung mit dem Buch von Hopkins besonders intensiv debattiert und auch empirisch untersucht wurden, gehört die Frage nach der Handlungsmächtigkeit von afrikanischen Akteuren in Transaktionen mit Europäern. Hopkins hatte die These aufgestellt, dass nicht die Kolonisierung durch die europäischen Mächte, sondern der Aufstieg des "legitimen" Handels, soll heißen: des Handels mit Waren, seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert die Wasserscheide in der Wirtschaftsgeschichte Westafrikas gewesen sei. In der Tat: Erstmals produzierten auch Kleinbauern und Gummizapfer für den Verkauf auf überseeischen Märkten.
Zugleich gelang es, anders als von Hopkins vermutet, doch wesentlich mehr Vertretern der alten Handels- und Herrschereliten, ihren Anteil am Markt und der politischen Macht aufrechtzuerhalten oder gar auszubauen. Auch betont die jüngere Forschung, dass nicht allein die Transformation des Atlantikhandels zu ökonomischem Wandel in Westafrika geführt habe. Eine wesentliche Rolle spielte überdies ein substantielles Wachstum in der Produktion für lokale und regionale Märkte, etwa bei den Baumwolltextilien. Und schließlich ging die gestiegene Warenproduktion einher mit einer intensiveren Nutzung von Sklavenarbeit.
Das größte Bedauern von Hopkins bezieht sich auf seine Beobachtung, dass die Rekonstruktion der vorkolonialen Wirtschaftsgeschichte nicht eben weit vorangekommen sei. Zu mühsam erschienen wegen der Quellenlage entsprechende Forschungen, zumal angesichts des "Präsentismus" der Geschichtsschreibung zu Afrika, die ihren Daseinszweck verstärkt in der Politikberatung suche. Versöhnlich zeigt sich der Altmeister bezüglich des Verhältnisses zwischen Historikern und Ökonomen. Die Gräben könnten überwunden werden. Dafür reiche die Einsicht, dass umfassende Probleme vielfältiger Lösungen bedürften.
ANDREAS ECKERT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Afrikaner wirtschaften längst auf eigene Rechnung: A. G. Hopkins zieht die Bilanz eines boomenden Forschungsfeldes
Nach langen Jahren der Baisse feiert die Wirtschaftsgeschichte Afrikas eine Renaissance. Das hat mit dem Aufstieg der sogenannten Global Economic History zu tun. Überdies regten die beträchtlichen Wachstumsraten vieler afrikanischer Länder seit der Jahrtausendwende, die einige Beobachter gar von einem Boomkontinent schwärmen ließen, Fragen nach historischer Einordnung an. In der rasch wachsenden Literatur zum Kapitalismus bleibt der Kontinent freilich noch weitgehend außen vor. Die "neue Wirtschaftsgeschichte Afrikas", wie sie zuweilen genannt wird, ist geprägt von quantitativen Methoden sowie der Suche nach bisher ungenutzten Quellen.
Auch die Wirtschaftswissenschaften selbst interessieren sich seit einiger Zeit für Afrika und bemühen vermehrt historische Perspektiven. Besonders großen Einfluss entfalteten die Studien der Ökonomen Daron Acemoglu und James Robinson, die darlegten, dass das heutige Einkommensniveau in afrikanischen Ländern noch immer durch die Sterberaten von europäischen Siedlern vor weit mehr als hundert Jahren geprägt sei. Gerade in den von tropischen Krankheiten geprägten Regionen des Kontinents hätten Kolonialherren alles leergeplündert und sich dann abgesetzt - mit bis heute spürbaren Folgen. Und in einem breit rezipierten Aufsatz stellten Nathan Nunn und Leonard Wantchekon die Behauptung auf, dass Afrikaner, deren Vorfahren Opfer von Sklavenjagden und Versklavung waren, ihren Mitmenschen heute weniger Vertrauen entgegenbrächten.
Scharfe Kritik aus der Historikerzunft ließ nicht lange auf sich warten. Den Ökonomen kreidete man wieder einmal einen unkritischen Umgang mit historischen Daten an. Vor allem aber machten sich derartige Ansätze, so der Vorwurf, einer unzulässigen "Komprimierung der Geschichte" schuldig. Wer Entwicklungen des achtzehnten Jahrhunderts mit gegenwärtigen Zuständen korreliere und dabei die komplexe Historie dazwischen ignoriere, argumentiere letztlich ahistorisch. A. G. Hopkins, der Doyen der Wirtschaftsgeschichtsschreibung zu Afrika, bezichtigte in diesem Zusammenhang seine wirtschaftswissenschaftlichen Kollegen, sie hätten die Geschichte "gekapert".
Dieses Diktum wog umso schwerer, als Hopkins, der auch grundlegende Werke zur Geschichte der Globalisierung, des britischen Imperialismus und des amerikanischen Weltreiches vorlegte, sowohl bei den Historikern als auch den Ökonomen großen Respekt genießt. Denn wenn es in der Wirtschaftsgeschichtsschreibung zu Afrika einen Klassiker gibt, dann ist es die von Hopkins 1973 publizierte Wirtschaftsgeschichte Westafrikas. Nun ist die Studie nach nahezu einem halben Jahrhundert neu aufgelegt worden, ergänzt durch ein langes Vorwort des Autors. Er schildert dort die historiographischen Entwicklungen "nach Hopkins" und entfaltet ein Panorama gegenwärtiger Debatten ("An Economic History of West Africa". Second Edition. Routledge, London 2019. 400 S., 28 Abb., br., 42,99 britische Pfund.)
Diese Tour de Force durch fünfzig Jahre Historiographie bezeugt, dass die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit der Ökonomie Afrikas trotz zwischenzeitlicher "Krisen" immer ein innovatives Feld war, selbst wenn es phasenweise als unmodisch galt. Zu den Aspekten, die in Auseinandersetzung mit dem Buch von Hopkins besonders intensiv debattiert und auch empirisch untersucht wurden, gehört die Frage nach der Handlungsmächtigkeit von afrikanischen Akteuren in Transaktionen mit Europäern. Hopkins hatte die These aufgestellt, dass nicht die Kolonisierung durch die europäischen Mächte, sondern der Aufstieg des "legitimen" Handels, soll heißen: des Handels mit Waren, seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert die Wasserscheide in der Wirtschaftsgeschichte Westafrikas gewesen sei. In der Tat: Erstmals produzierten auch Kleinbauern und Gummizapfer für den Verkauf auf überseeischen Märkten.
Zugleich gelang es, anders als von Hopkins vermutet, doch wesentlich mehr Vertretern der alten Handels- und Herrschereliten, ihren Anteil am Markt und der politischen Macht aufrechtzuerhalten oder gar auszubauen. Auch betont die jüngere Forschung, dass nicht allein die Transformation des Atlantikhandels zu ökonomischem Wandel in Westafrika geführt habe. Eine wesentliche Rolle spielte überdies ein substantielles Wachstum in der Produktion für lokale und regionale Märkte, etwa bei den Baumwolltextilien. Und schließlich ging die gestiegene Warenproduktion einher mit einer intensiveren Nutzung von Sklavenarbeit.
Das größte Bedauern von Hopkins bezieht sich auf seine Beobachtung, dass die Rekonstruktion der vorkolonialen Wirtschaftsgeschichte nicht eben weit vorangekommen sei. Zu mühsam erschienen wegen der Quellenlage entsprechende Forschungen, zumal angesichts des "Präsentismus" der Geschichtsschreibung zu Afrika, die ihren Daseinszweck verstärkt in der Politikberatung suche. Versöhnlich zeigt sich der Altmeister bezüglich des Verhältnisses zwischen Historikern und Ökonomen. Die Gräben könnten überwunden werden. Dafür reiche die Einsicht, dass umfassende Probleme vielfältiger Lösungen bedürften.
ANDREAS ECKERT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main