While JFK remains the subject of endless media attention and national fascination more than 40 years after his assassination, Dallek's book provides fresh revelations and perspective.
Robert Dallek has created a vivid portrait of a man who, because he knew how close he was to death, lived as much as he could - sometimes hurting others in the process. We meet a young Jackie, follow their courtship, and watch their marriage in publicand private. Dallek explores Kennedy's many infidelities, revealing some for the first time ever. 'An Unfinished Life' also gives us a brilliantly detailed portrait of the deep bond between Jack and Bobby, and of their enduringly complicated relationship with their father. Never shying away from Kennedy's weaknesses, Dallek also brilliantly explores his strengths. The result is a full portrait of a bold, brave, human Kennedy, once again a hero.
'An Unfinished Life' ist the book Americans have been waiting forty years to read.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Robert Dallek has created a vivid portrait of a man who, because he knew how close he was to death, lived as much as he could - sometimes hurting others in the process. We meet a young Jackie, follow their courtship, and watch their marriage in publicand private. Dallek explores Kennedy's many infidelities, revealing some for the first time ever. 'An Unfinished Life' also gives us a brilliantly detailed portrait of the deep bond between Jack and Bobby, and of their enduringly complicated relationship with their father. Never shying away from Kennedy's weaknesses, Dallek also brilliantly explores his strengths. The result is a full portrait of a bold, brave, human Kennedy, once again a hero.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2003Die Leiden des jungen Jack
Robert Dalleks Biographie von John F. Kennedy sucht nach dem Mann hinter den Mythen
John F. Kennedy wäre im Mai 86 Jahre alt geworden. Die Vorstellung vom greisen Kennedy hat Charme, weil sie so wunderbar kontrastiert mit dem Bild des ewig jungen Präsidenten, das sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Kennedy wurde lediglich 46 Jahre alt, und selbst die 40 Jahre seit seinem Tod wollen nicht ausreichen, um die Wahrnehmung von diesem Mann reifen zu lassen. Kennedy ist deshalb ein besonders schwieriger Fall für die Geschichtsschreibung, gerade auch weil der Mythos der größte Feind der Wahrheit ist. Und Mythen gibt es viele über diese politische Erscheinung – gesammelt und lawinenartig verbreitet in Biographien, Analysen, Zeitzeugenberichten. Amerika liebt Mythen, und Amerika liebt John F. Kennedy.
Im Dickicht von Geschriebenem und Abgeschriebenem hat der Bostoner Historiker Robert Dallek Holzfäller-Arbeit geleistet und vor allem zur Entmystifizierung Kennedys beigetragen. Dallek hat eine der besten Biographien über den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten geliefert, die auf dem Markt zu haben sind. Sein Buch ist eines der wichtigsten Schlüsseldokumente in der historischen Auseinandersetzung mit Kennedy. Weil es sich um einen amerikanischen Wissenschaftler handelt, ist das Buch auch sprachlich und dramaturgisch wohltuend komponiert und verzichtet auf allen akademischen Dünkel.
Vertuschte Leiden
Dallek hat lange vor der Veröffentlichung Furore gemacht mit seinen Entdeckungen im Kennedy-Archiv. Oder besser: Die Gralshüter des Mythos ließen Dallek gewähren – ihn und den Arzt Jeffrey Kelman, der zur Erläuterung und Begutachtung der Krankenakte des Präsidenten zu Rate gezogen wurde. Dies ist nämlich der historische Scoop Dalleks: Zum ersten Mal liegt ein umfangreiches Dossier über die beeindruckende Krankengeschichte Kennedys vor. Die vertuschten Leiden des jungen Jack und des späteren Präsidenten hätten schon in den 60er Jahren ausgereicht, um Zweifel an der Befähigung zum wichtigsten Polit-Job der Welt zu sähen. Kennedy litt: der Rücken (nein, keine Football-Verletzung), der Darm (chronische Kolitis), die Unterfunktion der Nebennierenrinde (er spritzte neben anderen Medikamenten regelmäßig Adrenalin). Er durchlebte Operationen, Kur-Aufenthalte, Erschöpfungen, gar Depressionen. Die Schmerzen waren so stark, dass er sich seine Strümpfe bisweilen nicht selbst anziehen konnte. Die Diagnose gibt der Kennedy-Maschine Nahrung, die alles Menschelnde und Intime gierig aufsaugt. Und weil zum Intimen auch das ausschweifende Sexualleben gehört, beschreibt Dallek das obsessive Jagdverhalten, die nie zu stillende Sucht nach schnellen, unromantischen und vor allem lieblosen Abenteuern mit Frauen. Dallek erweist sich jedoch als zu wohlmeinend, wenn er Kennedys Sexsucht mit der Krankengeschichte und der Furcht vor dem frühen Tod entschuldigt.
In den Kapiteln über die ersten Lebensabschnitte gibt der Autor Auskunft über die tatsächlichen Triebkräfte, die bei JFK die Persönlichkeit formten: Kennedy war es gewohnt, aus dem Vollen zu leben und als Mittelpunkt seiner Exzesse nur sich selbst zu kennen. Mutter Rose war kalt und katholisch, Vater Joe, ein machthungriger Filou, ebnete (oder kaufte) dem Sohn den Weg ins Oval Office. Beide Eltern gemeinsam machten aus dem kleinen John einen genialischen Politiker und einen zerrissenen, bindungsunfähigen Menschen.
Dallek hat aber vor allem eine politische Biographie geschrieben, weshalb das Amouröse und Diagnostische in Kennedys Leben zurücktritt hinter der Analyse eines politischen Genies. Erzogen als weltpolitischer Flaneur mit diplomatischem Geschick war Kennedy prädestiniert dafür, seine Präsidentschaft zu einem außenpolitischen Meisterwerk werden zu lassen. Berlin, die Kuba-Krise, der Umgang mit Sowjet-Führer Chruschtschow – Dallek erfasst mit Brillanz den gewaltigen Druck hinter den Entscheidungen des Präsidenten und führt in eine Zeit, ge-gen die ein Irak-Konflikt oder die Krise in Nahost als leichte Übungen erscheinen.
Besonders die viel zu wenig beachtete Vietnam-Politik Kennedys verdient nach Dalleks Recherchen neue Aufmerksamkeit. Der Autor belegt, dass der Präsident für eine zweite Amtszeit den Abzug der Militärberater und die Herauslösung des Landes aus dem amerikanischen Einflussbereich geplant hatte. Seinem Vizepräsidenten und den Schlüsselfiguren im Kabinett teilte er diese Überlegungen nicht mit – Kennedy fürchtete Probleme im Wahlkampf. Zu diesem Wahlkampf aber ist es nicht mehr gekommen. Lyndon B. Johnson setzte Kennedys Politik im Glauben fort, im Sinne des ermordeten Präsidenten zu handeln. So nahm eine der großen amerikanischen Tragödien ihren Lauf. Der Mythos Kennedy lebt von der Fantasie, was alles hätte geschehen können, wenn nichts geschehen wäre.
STEFAN KORNELIUS
ROBERT DALLEK: John F. Kennedy. Ein unvollendetes Leben. Aus dem Amerikanischen von Klaus Binder, Bernd Leineweber, Peter Torberg. DVA, München 2003. 760 Seiten, 39,90 Euro.
Auch er hatte eine Affäre mit einer Praktikantin im Weißen Haus – nur eine von vielen, wie John F. Kennedys Biograf Robert Dallek ausführlich belegt.
Foto: dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Robert Dalleks Biographie von John F. Kennedy sucht nach dem Mann hinter den Mythen
John F. Kennedy wäre im Mai 86 Jahre alt geworden. Die Vorstellung vom greisen Kennedy hat Charme, weil sie so wunderbar kontrastiert mit dem Bild des ewig jungen Präsidenten, das sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Kennedy wurde lediglich 46 Jahre alt, und selbst die 40 Jahre seit seinem Tod wollen nicht ausreichen, um die Wahrnehmung von diesem Mann reifen zu lassen. Kennedy ist deshalb ein besonders schwieriger Fall für die Geschichtsschreibung, gerade auch weil der Mythos der größte Feind der Wahrheit ist. Und Mythen gibt es viele über diese politische Erscheinung – gesammelt und lawinenartig verbreitet in Biographien, Analysen, Zeitzeugenberichten. Amerika liebt Mythen, und Amerika liebt John F. Kennedy.
Im Dickicht von Geschriebenem und Abgeschriebenem hat der Bostoner Historiker Robert Dallek Holzfäller-Arbeit geleistet und vor allem zur Entmystifizierung Kennedys beigetragen. Dallek hat eine der besten Biographien über den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten geliefert, die auf dem Markt zu haben sind. Sein Buch ist eines der wichtigsten Schlüsseldokumente in der historischen Auseinandersetzung mit Kennedy. Weil es sich um einen amerikanischen Wissenschaftler handelt, ist das Buch auch sprachlich und dramaturgisch wohltuend komponiert und verzichtet auf allen akademischen Dünkel.
Vertuschte Leiden
Dallek hat lange vor der Veröffentlichung Furore gemacht mit seinen Entdeckungen im Kennedy-Archiv. Oder besser: Die Gralshüter des Mythos ließen Dallek gewähren – ihn und den Arzt Jeffrey Kelman, der zur Erläuterung und Begutachtung der Krankenakte des Präsidenten zu Rate gezogen wurde. Dies ist nämlich der historische Scoop Dalleks: Zum ersten Mal liegt ein umfangreiches Dossier über die beeindruckende Krankengeschichte Kennedys vor. Die vertuschten Leiden des jungen Jack und des späteren Präsidenten hätten schon in den 60er Jahren ausgereicht, um Zweifel an der Befähigung zum wichtigsten Polit-Job der Welt zu sähen. Kennedy litt: der Rücken (nein, keine Football-Verletzung), der Darm (chronische Kolitis), die Unterfunktion der Nebennierenrinde (er spritzte neben anderen Medikamenten regelmäßig Adrenalin). Er durchlebte Operationen, Kur-Aufenthalte, Erschöpfungen, gar Depressionen. Die Schmerzen waren so stark, dass er sich seine Strümpfe bisweilen nicht selbst anziehen konnte. Die Diagnose gibt der Kennedy-Maschine Nahrung, die alles Menschelnde und Intime gierig aufsaugt. Und weil zum Intimen auch das ausschweifende Sexualleben gehört, beschreibt Dallek das obsessive Jagdverhalten, die nie zu stillende Sucht nach schnellen, unromantischen und vor allem lieblosen Abenteuern mit Frauen. Dallek erweist sich jedoch als zu wohlmeinend, wenn er Kennedys Sexsucht mit der Krankengeschichte und der Furcht vor dem frühen Tod entschuldigt.
In den Kapiteln über die ersten Lebensabschnitte gibt der Autor Auskunft über die tatsächlichen Triebkräfte, die bei JFK die Persönlichkeit formten: Kennedy war es gewohnt, aus dem Vollen zu leben und als Mittelpunkt seiner Exzesse nur sich selbst zu kennen. Mutter Rose war kalt und katholisch, Vater Joe, ein machthungriger Filou, ebnete (oder kaufte) dem Sohn den Weg ins Oval Office. Beide Eltern gemeinsam machten aus dem kleinen John einen genialischen Politiker und einen zerrissenen, bindungsunfähigen Menschen.
Dallek hat aber vor allem eine politische Biographie geschrieben, weshalb das Amouröse und Diagnostische in Kennedys Leben zurücktritt hinter der Analyse eines politischen Genies. Erzogen als weltpolitischer Flaneur mit diplomatischem Geschick war Kennedy prädestiniert dafür, seine Präsidentschaft zu einem außenpolitischen Meisterwerk werden zu lassen. Berlin, die Kuba-Krise, der Umgang mit Sowjet-Führer Chruschtschow – Dallek erfasst mit Brillanz den gewaltigen Druck hinter den Entscheidungen des Präsidenten und führt in eine Zeit, ge-gen die ein Irak-Konflikt oder die Krise in Nahost als leichte Übungen erscheinen.
Besonders die viel zu wenig beachtete Vietnam-Politik Kennedys verdient nach Dalleks Recherchen neue Aufmerksamkeit. Der Autor belegt, dass der Präsident für eine zweite Amtszeit den Abzug der Militärberater und die Herauslösung des Landes aus dem amerikanischen Einflussbereich geplant hatte. Seinem Vizepräsidenten und den Schlüsselfiguren im Kabinett teilte er diese Überlegungen nicht mit – Kennedy fürchtete Probleme im Wahlkampf. Zu diesem Wahlkampf aber ist es nicht mehr gekommen. Lyndon B. Johnson setzte Kennedys Politik im Glauben fort, im Sinne des ermordeten Präsidenten zu handeln. So nahm eine der großen amerikanischen Tragödien ihren Lauf. Der Mythos Kennedy lebt von der Fantasie, was alles hätte geschehen können, wenn nichts geschehen wäre.
STEFAN KORNELIUS
ROBERT DALLEK: John F. Kennedy. Ein unvollendetes Leben. Aus dem Amerikanischen von Klaus Binder, Bernd Leineweber, Peter Torberg. DVA, München 2003. 760 Seiten, 39,90 Euro.
Auch er hatte eine Affäre mit einer Praktikantin im Weißen Haus – nur eine von vielen, wie John F. Kennedys Biograf Robert Dallek ausführlich belegt.
Foto: dpa
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2003Der Fluch der Kennedys
Warum Amerikas erste Familie seit 150 Jahren von Tragödien verfolgt wird
Der Mann hatte rotbraune Haare, die unduldsam in die Höhe standen, und seine Augen blickten blau und widerspenstig ins Nichts, das sich grau vor ihm auftat. Er hatte das Elendsland hinter sich gelassen, in dem eine Million Iren an den Folgen der Hungersnot gestorben waren. Er war gekränkt worden, verletzt, erniedrigt. Und er war ehrgeizig. Jetzt stand er an Bord der "Washington Irving", neben sich die Frau, die er heiraten würde, und in der Tasche das Stofftuch, das getränkt war im Blut seiner Väter. Es war der 17. April 1849, als ein Matrose rief, es sei Land in Sicht. 150 Jahre später sollte hier, fast genau an dieser Stelle, der letzte der großen Dynastie, die Patrick Kennedy gegründet hatte, mit seinem Flugzeug im Meer versinken.
Die Geschichte bewegt sich in Kreisen, und weil der Mensch sie nicht versteht, versucht er, in diesen Kreisen einen Sinn zu sehen. Besonders gut darin sind die Amerikaner; vielleicht liegt es daran, daß der amerikanische Raum so weit ist und so leer und offen für Sinn.
Edward Klein jedenfalls, der für sein Buch "The Kennedy Curse" einen Vorschuß von 500 000 Dollar bekam und damit schon kurz nach Erscheinen auf Platz sechs der Bestsellerliste der "New York Times" liegt, dieser Edward Klein ist definitiv jemand, der sich darauf versteht, die Kreise im Sand der Geschichte aufzuspüren; Kreise, so sagen manche, die er womöglich selbst gelegt hat, um sie dann zu interpretieren.
Klein, der früher Außenpolitik-Chef von "Newsweek" war und dann lange Jahre Chefredakteur des "New York Times Magazine", ist eine Art postmoderner Fährtensucher, der sehr geschickt mit Worten wie Schuld, Leid und Rache jongliert. Er hat das Wort vom Fluch, der auf den Kennedys liegt, nicht erfunden; aber noch niemand vor ihm hat sich so tief in die Widersprüche dieser Familie hineingegraben wie der, wie er oft genug anmerkt, enge Freund von Jackie Kennedy Onassis. Was er erzählt, ist ein Drama von antikem Ausmaß. Eine amerikanische Tragödie.
Wobei das nun viel grandioser klingt als das kleine Erdbeben, mit dem Klein sein Buch beginnt. Aber wenn die Amerikaner die Mythologen unserer Tage sind, wenn sie der Demokratie ihre Könige und Königinnen geben, der säkularisierten Welt ihren Götterhimmel und dem Fernsehzeitalter seine Tragödien, dann kann der letzte Akt in der Geschichte vom Aufstieg und Fall des Hauses Kennedy eben damit beginnen, wie ein gutaussehender junger Mann in einem Hotelzimmer sitzt und ins Telefon brüllt: "Mir reicht es! Das muß aufhören. Sonst bleibt uns nur noch die Scheidung."
Das war am 14. Juli 1999. John F. Kennedy jr. saß im Stanhope Hotel in seiner Suite, für die er 2000 Dollar pro Nacht bezahlte, und erzählte einem Freund, wie seine Ehe mit Carolyn Bessette sauer geworden war. Zwei Tage später waren beide tot. Die letzten Opfer, so Edward Klein, des Fluchs der Kennedys.
Es sind vor allem die unbekannten Details aus dem Leben von JFKs Sohn, die das Buch in Amerika so kontrovers und so erfolgreich machen. John-John, wie sie ihn gerne nannten, sei zum Zeitpunkt seines Todes beruflich und privat in einer tiefen Krise gewesen. Die Schuld von mindestens vier Generationen auf seinen Schultern; und dann noch eine Frau an seiner Seite, die in hochhackigen Schuhen durch den Sand stakste, zwei Stunden zu spät für ihre eigene Hochzeit.
Überhaupt Carolyn: Carolyn habe Kokain genommen, Carolyn habe ihren Mann mit einem Calvin-Klein-Unterwäschemodel betrogen, Carolyn habe ihren Mann geschlagen, Carolyn habe die Aufmerksamkeit der Medien nicht ausgehalten, Carolyn habe John-Johns Magazin "George" ruiniert, Carolyn habe ihren Mann stundenlang am Flugplatz warten lassen, weil sie sich noch in Manhattan die Nägel lackieren lassen mußte, weshalb die beiden in John-Johns kleinem Flugzeug erst starten konnten, als es schon dunkel war. Eine Pediküre und der Tod des Glamourpaares: Drastischer läßt sich Kleins These nicht formulieren. "Der Fluch der Kennedys", schreibt er, "resultiert aus dem zerstörerischen Zusammenprall der Allmachtsphantasien der Familie mit der kalten, harten Wirklichkeit."
Für Kennedys, so formuliert Klein die Familienphilosophie, gelten eben andere Regeln als für den Rest der Menschheit. Eigentlich gibt es sogar nur eine Regel: Du mußt gewinnen. Du mußt gewinnen, weil du alles kannst. Weil die Welt dir gehört.
Und so stieg John-John trotz seiner Fußverletzung, seiner mangelnden Erfahrung und des trüben Wetters in sein Flugzeug und forderte die Götter heraus; und wie seine Tante Kathleen und sein Onkel Joseph bezahlte er seinen Fliegerhochmut mit dem Leben. Die eine geriet 1948 mit ihrem Liebhaber Peter Fitzwilliam in einen Gewittersturm, nachdem sie den Zorn ihrer tiefkatholischen Mutter heraufbeschworen hatte, indem sie einen Anglikaner geheiratet hatte; der andere starb 1944, als sein Bomber auf dem Weg zu einer heroischen, selbstmörderischen Geheimmission über England explodierte. Er wollte, das legt Klein nahe, seinen jüngeren Bruder John übertrumpfen, der schon als Kriegsheld gefeiert wurde. Als ihn ein Mechaniker davor warnte zu starten, antwortete Joseph: "Niemand in meiner Familie braucht eine Versicherung."
Der Fluch, der die Kennedys seit 150 Jahren verfolgt, das will Klein zeigen, ist nichts Übersinnliches. Der Fluch der Kennedys reicht in die Familiengeschichte.
Das Schicksal, das sie herausfordern, durch ihren Ehrgeiz, durch ihren Machttrieb, durch ihre Ambition, ist ein weltliches. Es ist das Wesen der amerikanischen Zivilmythologie, das Weltliche im Lichte der Fügung zu sehen. Das tragische Ende des letzten Hoffnungsträgers dieser getriebenen Familie bildet so in doppelter Hinsicht nur die Oberfläche für eine exemplarische Studie von Hybris und Katastrophe, die tief hinabreicht in den Grund des amerikanischen Selbstverständnisses.
Die eine Oberfläche ist das Leben und Sterben von John-John, das beides im Schein der Öffentlichkeit geschah, die fast ein Eigentumsrecht an diesem Menschen reklamieren konnte im Tausch für Macht und Ruhm. Klein treibt diesen postmodernen Faust-Handel noch voran, indem er einige spektakuläre Enthüllungen bietet, für deren zweifelhafte Quellenlage er in Amerika erheblichen Widerspruch erntete. So soll John-John bis zum Ende seines Lebens das Medikament Ritalin genommen haben, das ihm gegen das bei ihm diagnostizierte Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) helfen sollte; so soll seine Mutter Jackie ihn nicht nur davon abgehalten haben, sich an der Yale Drama School zu bewerben, um Schauspieler zu werden, was sein größter Wunsch gewesen sei, Jackie sei auch dagegen gewesen, daß er in den Journalismus gehe; und schließlich soll es der Plan des jungen John F. Kennedy gewesen sein, in die Politik zu wechseln, genauer: sich 2002 für den Gouverneurssitz von New York zu bewerben, wo er dann gegen Hillary Clinton hätte antreten müssen. Womit endgültig klargeworden wäre, was für Edward Klein dieser Urfluch der Kennedys ist: der Schatten des Vaters.
Und das ist die andere Oberfläche, von der man hinabsteigt, wenn man dem Schuldstrudel der Kennedys folgt. Generation für Generation hinab durch das dunkle zwanzigste in das andersdunkle neunzehnte Jahrhundert - eine umgekehrte Reise vom, wenn man Klein folgt, Endpunkt der Strafe bis zum Anfang der Schuld; aus dem Schatten der Väter bis zur Kränkung der Vorväter; von der amerikanischen Ostküste bis ins kartoffelstinkende Irland. Eine Reise auch bis zu dem Punkt, an dem sich Anfang und Ende des amerikanischen Traumes treffen.
Es sind andere Kreise, die sich hier schließen. Der 22. November zum Beispiel, der Tag, an dem der 35jährige Patrick Kennedy 1858 an den Folgen der Cholera starb; der Tag auch, an dem 105 Jahre später jener Kennedy starb, der den Aufstieg seiner Familie durch Armut, Handel, Bestechung, Betrug, Reichtum und Macht vollendet hatte und der mächtigste Mann Amerikas wurde. Kreise sind das, die bis in jüngste Zeit viele Tote und Tragödien beschreiben; Kreise, die durchschnitten werden von jenem Kennedy, der als eine Art Scharnier des Schicksals funktionierte: JFKs Vater Joseph, Botschafter, Ehebrecher, Alkoholschmuggler, Propagandist einer Zusammenarbeit mit Hitler-Deutschland, viertreichster Mann Amerikas und kalter Patriarch. In ihm waren noch die Kränkungen Irlands präsent; in ihm spiegeln sich Größe und Gefährdung des amerikanischen Immigrantenmythos.
Denn die Verletzung, die am Anfang des Kennedy-Fluchs steht, ist eine Erfahrung, die tief eingegraben ist in der amerikanischen Geschichte - sie ist geradezu die Gründungswunde dieses Landes. Der Schmerz der Emigration, kombiniert mit dem Drang nach Erfolg. Versprechen und Strafe. Klein unternimmt einen relativ gewagten Versuch, aus psychoanalytischer Sicht diese sozusagen kollektive narzißtische Kränkung bis ins Irland der Hungersnot zurückzuverfolgen; und alle weiteren Taten der sexhungrigen, strahlenden, dynamischen und dabei innerlich schwachen und verunsicherten Kennedy-Alpha-Männchen lassen sich mehr oder weniger aus dem Umstand erklären, daß die Flucht aus Irland ihre Stärke als Mann untergraben hatte. (Einen anderen Aspekt dieses Kennedy-Doppelspiels beschreibt Robert Dallek in seiner kürzlich erschienenen Biographie "An Unfinished Life": JFKs lebenslang verschwiegene Gesundheitsprobleme und sein stets jugendliches Image.)
In der Ehe von Joseph Kennedy und Rose Fitzgerald vereinigten sich dann die beiden wohl mächtigsten irischstämmigen Familien Bostons - das Erbe, das diese kalten, distanzierten, bedingungslosen Eltern ihren Kindern hinterließen, sollte für die meisten von ihnen zu schwer sein. Außer Joseph jr. und Kathleen sterben Robert und JFK eines gewaltsamen Todes (Klein beschreibt ausführlich, wie JFK darauf beharrt, im offenen Auto und ohne Motorradeskorte neben dem Wagen durch Dallas zu fahren), ihr Bruder Edward fährt in Chappaquiddick von der Brücke und tötet seine Beifahrerin. "Meine Mutter hat mich nie in den Arm genommen und mich gehalten", zitiert Klein JFK. "Nie! Nie!"
Drogen, Alkoholismus, Krankheit, Unfälle, Vergewaltigungen - die Verurteilung des Kennedy-Verwandten Michael Skakel im letzten Jahr wegen des lange zurückliegenden Mordes an einem 15jährigen Mädchen ist nur der letzte Fall im tragischen Magnetismus, den diese Familie ausübt.
Und so verstiegen Kleins Beharren auf seiner recht umweglosen Erklärung manchmal wirkt - im Grunde Amerikas eine Kränkung zu orten, das ist in diesen Tagen, da alle Welt eine so klare wie billige Meinung über Art und Wesen des amerikanischen Menschen parat hat, ein nicht ganz unwichtiger Aspekt im Assoziationspuzzle dieses Landes. Es ist das alte Geheimnis Amerikas, und auch heute wirkt es weiter, von der Empörung über Donald Rumsfelds Formulierung vom "Alten Europa" bis zum prometheischen Fluch, der sich im Blackout von New York erfüllt: Amerika ist der Spiegel, Amerika ist der Abgrund, in den wir alle blicken.
GEORG DIEZ.
Edward Klein: The Kennedy Curse. St. Martin's Press 2003. 264 Seiten. 24,95 Dollar.
Robert Dallek: An Unifinished Life. Little, Brown and Company 2003. 838 Seiten. 30 Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warum Amerikas erste Familie seit 150 Jahren von Tragödien verfolgt wird
Der Mann hatte rotbraune Haare, die unduldsam in die Höhe standen, und seine Augen blickten blau und widerspenstig ins Nichts, das sich grau vor ihm auftat. Er hatte das Elendsland hinter sich gelassen, in dem eine Million Iren an den Folgen der Hungersnot gestorben waren. Er war gekränkt worden, verletzt, erniedrigt. Und er war ehrgeizig. Jetzt stand er an Bord der "Washington Irving", neben sich die Frau, die er heiraten würde, und in der Tasche das Stofftuch, das getränkt war im Blut seiner Väter. Es war der 17. April 1849, als ein Matrose rief, es sei Land in Sicht. 150 Jahre später sollte hier, fast genau an dieser Stelle, der letzte der großen Dynastie, die Patrick Kennedy gegründet hatte, mit seinem Flugzeug im Meer versinken.
Die Geschichte bewegt sich in Kreisen, und weil der Mensch sie nicht versteht, versucht er, in diesen Kreisen einen Sinn zu sehen. Besonders gut darin sind die Amerikaner; vielleicht liegt es daran, daß der amerikanische Raum so weit ist und so leer und offen für Sinn.
Edward Klein jedenfalls, der für sein Buch "The Kennedy Curse" einen Vorschuß von 500 000 Dollar bekam und damit schon kurz nach Erscheinen auf Platz sechs der Bestsellerliste der "New York Times" liegt, dieser Edward Klein ist definitiv jemand, der sich darauf versteht, die Kreise im Sand der Geschichte aufzuspüren; Kreise, so sagen manche, die er womöglich selbst gelegt hat, um sie dann zu interpretieren.
Klein, der früher Außenpolitik-Chef von "Newsweek" war und dann lange Jahre Chefredakteur des "New York Times Magazine", ist eine Art postmoderner Fährtensucher, der sehr geschickt mit Worten wie Schuld, Leid und Rache jongliert. Er hat das Wort vom Fluch, der auf den Kennedys liegt, nicht erfunden; aber noch niemand vor ihm hat sich so tief in die Widersprüche dieser Familie hineingegraben wie der, wie er oft genug anmerkt, enge Freund von Jackie Kennedy Onassis. Was er erzählt, ist ein Drama von antikem Ausmaß. Eine amerikanische Tragödie.
Wobei das nun viel grandioser klingt als das kleine Erdbeben, mit dem Klein sein Buch beginnt. Aber wenn die Amerikaner die Mythologen unserer Tage sind, wenn sie der Demokratie ihre Könige und Königinnen geben, der säkularisierten Welt ihren Götterhimmel und dem Fernsehzeitalter seine Tragödien, dann kann der letzte Akt in der Geschichte vom Aufstieg und Fall des Hauses Kennedy eben damit beginnen, wie ein gutaussehender junger Mann in einem Hotelzimmer sitzt und ins Telefon brüllt: "Mir reicht es! Das muß aufhören. Sonst bleibt uns nur noch die Scheidung."
Das war am 14. Juli 1999. John F. Kennedy jr. saß im Stanhope Hotel in seiner Suite, für die er 2000 Dollar pro Nacht bezahlte, und erzählte einem Freund, wie seine Ehe mit Carolyn Bessette sauer geworden war. Zwei Tage später waren beide tot. Die letzten Opfer, so Edward Klein, des Fluchs der Kennedys.
Es sind vor allem die unbekannten Details aus dem Leben von JFKs Sohn, die das Buch in Amerika so kontrovers und so erfolgreich machen. John-John, wie sie ihn gerne nannten, sei zum Zeitpunkt seines Todes beruflich und privat in einer tiefen Krise gewesen. Die Schuld von mindestens vier Generationen auf seinen Schultern; und dann noch eine Frau an seiner Seite, die in hochhackigen Schuhen durch den Sand stakste, zwei Stunden zu spät für ihre eigene Hochzeit.
Überhaupt Carolyn: Carolyn habe Kokain genommen, Carolyn habe ihren Mann mit einem Calvin-Klein-Unterwäschemodel betrogen, Carolyn habe ihren Mann geschlagen, Carolyn habe die Aufmerksamkeit der Medien nicht ausgehalten, Carolyn habe John-Johns Magazin "George" ruiniert, Carolyn habe ihren Mann stundenlang am Flugplatz warten lassen, weil sie sich noch in Manhattan die Nägel lackieren lassen mußte, weshalb die beiden in John-Johns kleinem Flugzeug erst starten konnten, als es schon dunkel war. Eine Pediküre und der Tod des Glamourpaares: Drastischer läßt sich Kleins These nicht formulieren. "Der Fluch der Kennedys", schreibt er, "resultiert aus dem zerstörerischen Zusammenprall der Allmachtsphantasien der Familie mit der kalten, harten Wirklichkeit."
Für Kennedys, so formuliert Klein die Familienphilosophie, gelten eben andere Regeln als für den Rest der Menschheit. Eigentlich gibt es sogar nur eine Regel: Du mußt gewinnen. Du mußt gewinnen, weil du alles kannst. Weil die Welt dir gehört.
Und so stieg John-John trotz seiner Fußverletzung, seiner mangelnden Erfahrung und des trüben Wetters in sein Flugzeug und forderte die Götter heraus; und wie seine Tante Kathleen und sein Onkel Joseph bezahlte er seinen Fliegerhochmut mit dem Leben. Die eine geriet 1948 mit ihrem Liebhaber Peter Fitzwilliam in einen Gewittersturm, nachdem sie den Zorn ihrer tiefkatholischen Mutter heraufbeschworen hatte, indem sie einen Anglikaner geheiratet hatte; der andere starb 1944, als sein Bomber auf dem Weg zu einer heroischen, selbstmörderischen Geheimmission über England explodierte. Er wollte, das legt Klein nahe, seinen jüngeren Bruder John übertrumpfen, der schon als Kriegsheld gefeiert wurde. Als ihn ein Mechaniker davor warnte zu starten, antwortete Joseph: "Niemand in meiner Familie braucht eine Versicherung."
Der Fluch, der die Kennedys seit 150 Jahren verfolgt, das will Klein zeigen, ist nichts Übersinnliches. Der Fluch der Kennedys reicht in die Familiengeschichte.
Das Schicksal, das sie herausfordern, durch ihren Ehrgeiz, durch ihren Machttrieb, durch ihre Ambition, ist ein weltliches. Es ist das Wesen der amerikanischen Zivilmythologie, das Weltliche im Lichte der Fügung zu sehen. Das tragische Ende des letzten Hoffnungsträgers dieser getriebenen Familie bildet so in doppelter Hinsicht nur die Oberfläche für eine exemplarische Studie von Hybris und Katastrophe, die tief hinabreicht in den Grund des amerikanischen Selbstverständnisses.
Die eine Oberfläche ist das Leben und Sterben von John-John, das beides im Schein der Öffentlichkeit geschah, die fast ein Eigentumsrecht an diesem Menschen reklamieren konnte im Tausch für Macht und Ruhm. Klein treibt diesen postmodernen Faust-Handel noch voran, indem er einige spektakuläre Enthüllungen bietet, für deren zweifelhafte Quellenlage er in Amerika erheblichen Widerspruch erntete. So soll John-John bis zum Ende seines Lebens das Medikament Ritalin genommen haben, das ihm gegen das bei ihm diagnostizierte Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) helfen sollte; so soll seine Mutter Jackie ihn nicht nur davon abgehalten haben, sich an der Yale Drama School zu bewerben, um Schauspieler zu werden, was sein größter Wunsch gewesen sei, Jackie sei auch dagegen gewesen, daß er in den Journalismus gehe; und schließlich soll es der Plan des jungen John F. Kennedy gewesen sein, in die Politik zu wechseln, genauer: sich 2002 für den Gouverneurssitz von New York zu bewerben, wo er dann gegen Hillary Clinton hätte antreten müssen. Womit endgültig klargeworden wäre, was für Edward Klein dieser Urfluch der Kennedys ist: der Schatten des Vaters.
Und das ist die andere Oberfläche, von der man hinabsteigt, wenn man dem Schuldstrudel der Kennedys folgt. Generation für Generation hinab durch das dunkle zwanzigste in das andersdunkle neunzehnte Jahrhundert - eine umgekehrte Reise vom, wenn man Klein folgt, Endpunkt der Strafe bis zum Anfang der Schuld; aus dem Schatten der Väter bis zur Kränkung der Vorväter; von der amerikanischen Ostküste bis ins kartoffelstinkende Irland. Eine Reise auch bis zu dem Punkt, an dem sich Anfang und Ende des amerikanischen Traumes treffen.
Es sind andere Kreise, die sich hier schließen. Der 22. November zum Beispiel, der Tag, an dem der 35jährige Patrick Kennedy 1858 an den Folgen der Cholera starb; der Tag auch, an dem 105 Jahre später jener Kennedy starb, der den Aufstieg seiner Familie durch Armut, Handel, Bestechung, Betrug, Reichtum und Macht vollendet hatte und der mächtigste Mann Amerikas wurde. Kreise sind das, die bis in jüngste Zeit viele Tote und Tragödien beschreiben; Kreise, die durchschnitten werden von jenem Kennedy, der als eine Art Scharnier des Schicksals funktionierte: JFKs Vater Joseph, Botschafter, Ehebrecher, Alkoholschmuggler, Propagandist einer Zusammenarbeit mit Hitler-Deutschland, viertreichster Mann Amerikas und kalter Patriarch. In ihm waren noch die Kränkungen Irlands präsent; in ihm spiegeln sich Größe und Gefährdung des amerikanischen Immigrantenmythos.
Denn die Verletzung, die am Anfang des Kennedy-Fluchs steht, ist eine Erfahrung, die tief eingegraben ist in der amerikanischen Geschichte - sie ist geradezu die Gründungswunde dieses Landes. Der Schmerz der Emigration, kombiniert mit dem Drang nach Erfolg. Versprechen und Strafe. Klein unternimmt einen relativ gewagten Versuch, aus psychoanalytischer Sicht diese sozusagen kollektive narzißtische Kränkung bis ins Irland der Hungersnot zurückzuverfolgen; und alle weiteren Taten der sexhungrigen, strahlenden, dynamischen und dabei innerlich schwachen und verunsicherten Kennedy-Alpha-Männchen lassen sich mehr oder weniger aus dem Umstand erklären, daß die Flucht aus Irland ihre Stärke als Mann untergraben hatte. (Einen anderen Aspekt dieses Kennedy-Doppelspiels beschreibt Robert Dallek in seiner kürzlich erschienenen Biographie "An Unfinished Life": JFKs lebenslang verschwiegene Gesundheitsprobleme und sein stets jugendliches Image.)
In der Ehe von Joseph Kennedy und Rose Fitzgerald vereinigten sich dann die beiden wohl mächtigsten irischstämmigen Familien Bostons - das Erbe, das diese kalten, distanzierten, bedingungslosen Eltern ihren Kindern hinterließen, sollte für die meisten von ihnen zu schwer sein. Außer Joseph jr. und Kathleen sterben Robert und JFK eines gewaltsamen Todes (Klein beschreibt ausführlich, wie JFK darauf beharrt, im offenen Auto und ohne Motorradeskorte neben dem Wagen durch Dallas zu fahren), ihr Bruder Edward fährt in Chappaquiddick von der Brücke und tötet seine Beifahrerin. "Meine Mutter hat mich nie in den Arm genommen und mich gehalten", zitiert Klein JFK. "Nie! Nie!"
Drogen, Alkoholismus, Krankheit, Unfälle, Vergewaltigungen - die Verurteilung des Kennedy-Verwandten Michael Skakel im letzten Jahr wegen des lange zurückliegenden Mordes an einem 15jährigen Mädchen ist nur der letzte Fall im tragischen Magnetismus, den diese Familie ausübt.
Und so verstiegen Kleins Beharren auf seiner recht umweglosen Erklärung manchmal wirkt - im Grunde Amerikas eine Kränkung zu orten, das ist in diesen Tagen, da alle Welt eine so klare wie billige Meinung über Art und Wesen des amerikanischen Menschen parat hat, ein nicht ganz unwichtiger Aspekt im Assoziationspuzzle dieses Landes. Es ist das alte Geheimnis Amerikas, und auch heute wirkt es weiter, von der Empörung über Donald Rumsfelds Formulierung vom "Alten Europa" bis zum prometheischen Fluch, der sich im Blackout von New York erfüllt: Amerika ist der Spiegel, Amerika ist der Abgrund, in den wir alle blicken.
GEORG DIEZ.
Edward Klein: The Kennedy Curse. St. Martin's Press 2003. 264 Seiten. 24,95 Dollar.
Robert Dallek: An Unifinished Life. Little, Brown and Company 2003. 838 Seiten. 30 Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Comprehensive, judicious, evenhanded, original. An Unfinished Life has the sober judgment and nuanced accuracy that make it ring true in all the controversial and tricky parts."-Jack Newfield, Los Angeles Times