A FINANCIAL TIMES BOOK OF THE YEAR 2020
How did we end up in a world where humans coexist with technologies we can no longer fully control or understand?
George Dyson plots an unexpected course through the past 300 years to reveal the hidden connections that underpin our digital age, ending with a premonition of what lies ahead.
From an eighteenth-century Russian voyage across the North Pacific, to the mirror signals that heralded the age of digital telecommunications and the invention of the vacuum tube, Analogia interweaves historical adventure with scientific insight in a deeply personal story that frames the pursuit - and cost - of the digital revolution in a captivating new light.
How did we end up in a world where humans coexist with technologies we can no longer fully control or understand?
George Dyson plots an unexpected course through the past 300 years to reveal the hidden connections that underpin our digital age, ending with a premonition of what lies ahead.
From an eighteenth-century Russian voyage across the North Pacific, to the mirror signals that heralded the age of digital telecommunications and the invention of the vacuum tube, Analogia interweaves historical adventure with scientific insight in a deeply personal story that frames the pursuit - and cost - of the digital revolution in a captivating new light.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2021Nach dem Algorithmus
George Dyson über alte und neue Technologien
Kommen wir noch mit? Erfassen wir, was daraus folgt, dass Forscher aus den Vereinigten Staaten und Australien gerade dokumentierten, Vorläufer menschlicher Embryonen ohne künstliche Befruchtung im Labor erzeugt zu haben? Können wir nachvollziehen, warum die Empfehlungs-Algorithmen von Netflix, Amazon oder Facebook genau das anraten, was sie uns auflisten? Und was sich daraus kollektiv ergibt?
Der Technik-Historiker George Dyson versucht sich mit seinem Buch "Analogia" an zwei gewaltigen Herausforderungen: Einerseits möchte er Leser mit einer technologischen Umgebung versöhnen, mit der sie häufig hadern und der sie manch fatale Entwicklung zuschreiben. Andererseits möchte er vorbereiten auf eine (schon beginnende) Ära, in der die Informationstechnologie ein Niveau erreicht, auf der sie nicht mehr zu durchschauen und deshalb auch nicht mehr zu kontrollieren sein wird.
Dyson knüpft damit an sein grandios erzähltes Buch "Turings Kathedrale" über die Ursprünge des digitalen Zeitalters an. Darin führte er nicht nur in die Biographien von Computer-Vordenkern wie John von Neumann, Alan Turing oder Nils Barricelli ein, sondern machte auch damit bekannt, wie sie auf ihre Ideen kamen, welche Rolle militärische Vorgaben spielten oder die außergewöhnliche Forscher-Enklave, die das Institute for Advanced Study in Princeton darstellt. Auch in "Analogia" nimmt Dyson den Leser mit dorthin, doch dieses Mal ist das dargestellte Panorama viel breiter. Der Autor holt historisch weiter aus und geht Jahrhunderte zurück, um episodenhaft das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Technik zu beschreiben.
Vier Zeiträume nimmt er besonders in den Blick: eine vorindustrielle Epoche, in der das Menschenmögliche buchstäblich begrenzt war durch das, was wir mit unseren Händen tun konnten. In der industriellen Epoche wurde es möglich, Maschinen maschinell zu reproduzieren. Es folgt eine dritte Epoche, die wir gegenwärtig "Digitalisierung" nennen und in der digitaler Code sich selbst kopieren kann - mit der Folge, dass bislang Organismen vorbehaltene Fähigkeiten wie Selbstreplikation und -reproduktion der Technik zugänglich geworden sind. Schließlich blickt Dyson voraus auf eine von ihm definierte und nahezu unbemerkt schon begonnene vierte Epoche, in der wir nach seiner Einschätzung langsam die Kontrolle verlieren. Er beschreibt sie so: "Angesichts eines zunehmenden Gefühls verlorengegangener Handlungsfähigkeit begannen die Menschen, ,dem Algorithmus' oder denjenigen, die ,den Algorithmus' kontrollierten, die Schuld zu geben, ohne zu erkennen, dass es keinen identifizierbaren Algorithmus mehr am Ruder gab. Die Zeit des Algorithmus war vorbei. Die Zukunft gehörte etwas anderem."
Dyson zeigt auf, wo natürlich evolvierte Systeme digital kodieren, etwa die in der DNA gespeicherten und von einer Generation auf die nächste übergebenen Anweisungen, und wie sie zugleich auf analoge Berechnungen setzen, etwa im menschlichen Nervensystem, um in Echtzeit intelligent reagieren zu können. Er geht ausführlich auf die Mechanismen der Evolution ein und vergleicht das, was sich biologisch auf molekularer Ebene abspielt, mit dem, was in technologischen Systemen geschieht - und deutet an, wie sich Informationsverarbeitung und Informationsweitergabe in beiden Fällen einander angleichen.
Diese Passagen lesen sich überaus anregend. Das kann man von den gelegentlich zu ausführlichen geschichtlichen Rückblicken nicht immer sagen, die Dyson gibt. Er erzählt kleinteilig von Vitus Berings Expedition an die amerikanische Nordwestküste, von der Niederlage des Apachen-Anführers Geronimo, vom ungarischen Physiker Leo Szilard, von der Entdeckung der Kernspaltung, der Entwicklung der Atombombe, dem Aufbruch ins All. Klar soll so werden, wie das Verhältnis von Mensch, Natur und Technik in verschiedenen Konstellationen in etwa aussah. Und wie es sich geändert hat.
Stattdessen hätte man von einem Gelehrten seines Schlages gerne mehr Spekulatives über die Zukunft gelesen. Tatsächlich schließt er indes eher abrupt mit der im Kern doch recht schlichten Botschaft: Fürchtet euch nicht.
ALEXANDER ARMBRUSTER
George Dyson:
"Analogia". The Emergence of Technology Beyond Programmable Control.
Farrar, Straus and
Giroux, New York 2020. 304 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
George Dyson über alte und neue Technologien
Kommen wir noch mit? Erfassen wir, was daraus folgt, dass Forscher aus den Vereinigten Staaten und Australien gerade dokumentierten, Vorläufer menschlicher Embryonen ohne künstliche Befruchtung im Labor erzeugt zu haben? Können wir nachvollziehen, warum die Empfehlungs-Algorithmen von Netflix, Amazon oder Facebook genau das anraten, was sie uns auflisten? Und was sich daraus kollektiv ergibt?
Der Technik-Historiker George Dyson versucht sich mit seinem Buch "Analogia" an zwei gewaltigen Herausforderungen: Einerseits möchte er Leser mit einer technologischen Umgebung versöhnen, mit der sie häufig hadern und der sie manch fatale Entwicklung zuschreiben. Andererseits möchte er vorbereiten auf eine (schon beginnende) Ära, in der die Informationstechnologie ein Niveau erreicht, auf der sie nicht mehr zu durchschauen und deshalb auch nicht mehr zu kontrollieren sein wird.
Dyson knüpft damit an sein grandios erzähltes Buch "Turings Kathedrale" über die Ursprünge des digitalen Zeitalters an. Darin führte er nicht nur in die Biographien von Computer-Vordenkern wie John von Neumann, Alan Turing oder Nils Barricelli ein, sondern machte auch damit bekannt, wie sie auf ihre Ideen kamen, welche Rolle militärische Vorgaben spielten oder die außergewöhnliche Forscher-Enklave, die das Institute for Advanced Study in Princeton darstellt. Auch in "Analogia" nimmt Dyson den Leser mit dorthin, doch dieses Mal ist das dargestellte Panorama viel breiter. Der Autor holt historisch weiter aus und geht Jahrhunderte zurück, um episodenhaft das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Technik zu beschreiben.
Vier Zeiträume nimmt er besonders in den Blick: eine vorindustrielle Epoche, in der das Menschenmögliche buchstäblich begrenzt war durch das, was wir mit unseren Händen tun konnten. In der industriellen Epoche wurde es möglich, Maschinen maschinell zu reproduzieren. Es folgt eine dritte Epoche, die wir gegenwärtig "Digitalisierung" nennen und in der digitaler Code sich selbst kopieren kann - mit der Folge, dass bislang Organismen vorbehaltene Fähigkeiten wie Selbstreplikation und -reproduktion der Technik zugänglich geworden sind. Schließlich blickt Dyson voraus auf eine von ihm definierte und nahezu unbemerkt schon begonnene vierte Epoche, in der wir nach seiner Einschätzung langsam die Kontrolle verlieren. Er beschreibt sie so: "Angesichts eines zunehmenden Gefühls verlorengegangener Handlungsfähigkeit begannen die Menschen, ,dem Algorithmus' oder denjenigen, die ,den Algorithmus' kontrollierten, die Schuld zu geben, ohne zu erkennen, dass es keinen identifizierbaren Algorithmus mehr am Ruder gab. Die Zeit des Algorithmus war vorbei. Die Zukunft gehörte etwas anderem."
Dyson zeigt auf, wo natürlich evolvierte Systeme digital kodieren, etwa die in der DNA gespeicherten und von einer Generation auf die nächste übergebenen Anweisungen, und wie sie zugleich auf analoge Berechnungen setzen, etwa im menschlichen Nervensystem, um in Echtzeit intelligent reagieren zu können. Er geht ausführlich auf die Mechanismen der Evolution ein und vergleicht das, was sich biologisch auf molekularer Ebene abspielt, mit dem, was in technologischen Systemen geschieht - und deutet an, wie sich Informationsverarbeitung und Informationsweitergabe in beiden Fällen einander angleichen.
Diese Passagen lesen sich überaus anregend. Das kann man von den gelegentlich zu ausführlichen geschichtlichen Rückblicken nicht immer sagen, die Dyson gibt. Er erzählt kleinteilig von Vitus Berings Expedition an die amerikanische Nordwestküste, von der Niederlage des Apachen-Anführers Geronimo, vom ungarischen Physiker Leo Szilard, von der Entdeckung der Kernspaltung, der Entwicklung der Atombombe, dem Aufbruch ins All. Klar soll so werden, wie das Verhältnis von Mensch, Natur und Technik in verschiedenen Konstellationen in etwa aussah. Und wie es sich geändert hat.
Stattdessen hätte man von einem Gelehrten seines Schlages gerne mehr Spekulatives über die Zukunft gelesen. Tatsächlich schließt er indes eher abrupt mit der im Kern doch recht schlichten Botschaft: Fürchtet euch nicht.
ALEXANDER ARMBRUSTER
George Dyson:
"Analogia". The Emergence of Technology Beyond Programmable Control.
Farrar, Straus and
Giroux, New York 2020. 304 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
This book pierces through the fog of everyday life. Read and you will become aware of history you need to know, and of how the last few centuries of the human story sit within a much larger, epochal frame. An extra treat is insight into the remarkable Dyson family Jaron Lanier Ten Arguments for Deleting Your Social Media Accounts Right Now