So einfach und gut wie eine frische Scheibe Brot mit Butter und Salz kommt die Sprache Treichels auch in diesem Roman daher, der zudem gehaltvoll und geistig nahrhaft ist. In ihrer Einfachheit steckt eine Leichtigkeit, die ein Unterbrechen der Lektüre kaum ermöglicht. Es ist demgegenüber anmaßend,
aber die Wahrheit eines Laien, die Titel seiner Bücher als Treichels Schwäche bezeichnen zu müssen.…mehrSo einfach und gut wie eine frische Scheibe Brot mit Butter und Salz kommt die Sprache Treichels auch in diesem Roman daher, der zudem gehaltvoll und geistig nahrhaft ist. In ihrer Einfachheit steckt eine Leichtigkeit, die ein Unterbrechen der Lektüre kaum ermöglicht. Es ist demgegenüber anmaßend, aber die Wahrheit eines Laien, die Titel seiner Bücher als Treichels Schwäche bezeichnen zu müssen. Wenn nicht irreführend, sind sie zumindest, wenn auch nicht immer, falsche Assoziationen auslösend. Eine weitere zu kritisierende Kleinigkeit ist das Ausbleiben der wünschenswerten Auflösung der ansonsten herrlichen 50-Euro-Szene. Darf zudem gegenüber einem habilitierten Germanisten als Autor und dessen renommiertem Lektorat die stets richtige Verwendung der Zeiten in Frage gestellt werden („ich habe das Startzeichen noch nicht gegeben“)? Daß daß mit ß geschrieben ist, gehört aber jedenfalls begrüßt.
Das Entdecken der Wortschöpfung „Zurückvertreiben“ allein lohnt die Lektüre dieses Romans. In dem Wort steckt wegen seines Bezugs zu „Heimat“ die ganze Dramatik des stets wiederkehrenden Themas Treichels, indem es zeigt, daß ein Zurück vermutlich keine Heilung wäre, sondern der erneute Heimatverlust vielleicht wie das plötzliche Erblinden von einem Querschnittsgelähmten empfunden werden dürfte.
Tückisch bei autobiografischen Romanen ist, daß nie so genau erkennbar ist, wann wir es mit dem Autor und wann mit dessen Romanfigur zu tun haben. Über den Sinn der Frage eines im Buch erwähnten Besuchers einer Lesung des Autors denkt dieser angeblich immer noch nach. Oder ist es der Romanheld? Ist dieser es oder jener, der als Linker nach Westberlin wollte. Wer eröffnet im Roman die Diskurse und wer beschwert sich – jedoch nur vordergründig - an anderer Stelle im Buch über die Teilnahme des Lesers an solchen? Wer auch immer es ist, das Publikums eines sich der Öffentlichkeit stellenden Menschen hat einen Anspruch oder zumindest die Hoffnung auf Authentizität, darauf vertrauend, diese in Zeiten von Selbstinszenierungen wenigstens noch von intelligenten Könnern erwarten zu dürfen.
Nicht nur ist wieder was zu lernen, wie zum Beispiel über das Schreiben von Romanen oder die Stadt Lemberg, die zu besuchen dabei zugleich Lust geweckt wird. Es macht auch Spaß, sich an eigene, vergessen geglaubte Kindheitserlebnisse zu erinnern, wie dem –zigfachen Drehen am Stullentaschendrehverschluß, oder sich auf Gedanken wie der Scham eines Elfjährigen einzulassen, hinter der möglicherweise das instinktive Erkennen der Banalität und gleichzeitigen Bedeutung von Ritualen steckt, die dem tatsächlichen Empfinden letztlich niemals gerecht werden. So darf der Leser, nicht zuletzt auch wegen des vom Verlag als „überraschende Wende“ angepriesenen Ausgangs, auf eine weitere Fortsetzung hoffen.