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The untold story of Dr. Oliver Sacks, his own most singular patient.

Produktbeschreibung
The untold story of Dr. Oliver Sacks, his own most singular patient.
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Autorenporträt
Lawrence Weschler, a longtime veteran of the New Yorker magazine and a regular contributor to NPR, is the director emeritus of the New York Institute of the Humanities at NYU, and the author of nearly twenty books, including Seeing is Forgetting the Name of the Thing One Sees, Mr. Wilson's Cabinet of Wonder, Everything That Rises, and Vermeer in Bosnia.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2021

Sexualität muss ins Bild

Mit Sinn für nervenärztliche Merkwürdigkeiten: Lawrence Weschlers Porträt des Neurologen und Bestsellerautors Oliver Sacks erzählt auch die Geschichte der wechselvollen Beziehung des Biographen zu seinem Helden.

Als der britische Mediziner Oliver Sacks im Jahr 2015 zweiundachtzigjährig starb, würdigte man ihn vielfach als den "Dichter unter den Neurologen", der es im Ausgang des vorigen Jahrhunderts wie kaum ein anderer Arzt verstanden hatte, schwer zugängliche und weitgehend missachtete Bereiche der Nervenpathologie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In Büchern wie "Awakenings - Zeit des Erwachens" oder "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" wurde das klinische Genre der Fallgeschichte in der Tat mit einer rhetorischen Virtuosität behandelt, wie sie zuvor vielleicht nur bei Jean-Martin Charcot oder Sigmund Freud zu finden war. Und kaum zufällig zählte der Begründer der Psychoanalyse schon früh zu den Vorbildern von Sacks, teilte er doch mit jenem einen ähnlich obsessiven Hang zur Selbstanalyse, der stets mit Misstrauen gegenüber biographischen Projekten gepaart blieb. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass sich Lawrence Weschlers Versuch einer biographischen Annäherung an Oliver Sacks vor allem als ein Dokument der Ambivalenz ausnimmt, die das Verhältnis der beiden Männer über mehr als dreißig Jahre bestimmte.

Keine konventionelle, chronologisch verfahrende Beschreibung von Leben und Werk eines weltberühmten Neurologen erwartet den Leser, sondern das Logbuch der wechselvollen Beziehung des Biographen zu seinem Helden. Ziemlich hochgegriffen mutet dabei allerdings der Vergleich mit Boswells "Life of Samuel Johnson" an, den Weschler wiederholt bemüht, um sein eigenes Unternehmen zu charakterisieren. Besser treffen es wohl die "Tischgespräche", sind die Zusammenkünfte doch vielfach mit ausladenden Mahlzeiten verbunden, bei denen Sacks regelmäßig den Teller seines Gesprächspartners leer räumt. Der Reiz des Buches liegt hauptsächlich in den wechselnden Perspektiven, die sie auf verschiedene Phasen von Leben und Karriere des Neurologen aus dessen eigener Perspektive und der seines engeren Umfelds bieten, also auf die unaufhörliche Konstruktions- und Rekonstruktionsarbeit, die jeder Biographie unweigerlich zugrunde liegt.

Als sich die beiden Männer zum ersten Mal im Jahr 1981 begegnen, beginnt der neunundzwanzigjährige Weschler gerade seine journalistische Tätigkeit beim New Yorker und Sacks verfügt mit fast fünfzig zwar bereits über eine fachliche Reputation, aber noch keineswegs über den Weltruhm, zu dem ihm erst wenige Jahre später seine Bestseller und die Theater- und Filmadaptionen von "Awakenings" verhelfen sollten. Weschler ist fasziniert von der widersprüchlichen Persönlichkeit des Neurologen: "ein extrem empathischer Mensch, der tief in seine Ich-Besessenheit verstrickt war, ein großer Monologisierer, der häufig vollkommen an seinem Publikum vorbeiredete und gelegentlich blind für dessen Gesichter war, ein unvergleichlicher Kliniker, der trotzdem immer wieder in die distanzierte Rolle des Naturforschers verfiel".

Der Biograph begleitet Sacks auf Spaziergängen und Ruderpartien, aber auch an Stätten seiner damaligen Tätigkeit wie das Little Sisters Pflegeheim oder das Beth Abraham Hospital, wo er die "Patienten, die wie nackte Schalentiere umherkriechen oder zu Stein erstarrt sind", zum Leben erweckt. Er reist mit ihm nach London, um seinen Vater und den geisteskranken Bruder kennenzulernen, und interviewt einige seiner engsten Jugendfreunde wie Jonathan Miller und Eric Korn oder seinen Verleger Colin Haycraft.

Allein durch diese Interviews entsteht ein dichtes Bild der lähmenden Morbidität des Elternhauses in der Mapesbury Road, das Korn zufolge wie aus einem Hitchcock-Film war, hässlich eingerichtet, "wie eine Leichenhalle", dominiert von der Mutter, die als angesehene Gynäkologin ihrem Sohn Föten in Gläsern und missgebildete Embryos nach Hause brachte und ihn bereits im Alter von zwölf Jahren die Sektion einer Kinderleiche durchführen ließ. Miller wiederum beschreibt eindringlich den Antiintellektualismus dieses orthodoxen jüdischen Haushalts, in dem alles nach einem jeschiwaartigen Regelwerk abzulaufen hatte.

Dass Sacks' erster medizinischer Beitrag in Zuarbeiten zu einem Gynäkologie-Handbuch der Mutter bestand, scheint ihn dem weiblichen Geschlecht nicht unbedingt näher gebracht zu haben. Als er sich mit achtzehn Jahren zum Eingeständnis seiner homosexuellen Neigungen durchringt, bricht seine Mutter in "alttestamentarische Flüche" aus. Die darauf folgende Absetzbewegung nach Los Angeles, wo er in den frühen Sechzigerjahren seine Arztausbildung absolviert, führte nach Sacks' eigenen Worten zu seiner "autistischen sexuellen Befreiung", die neben riskanten Motorradtouren quer durch Kalifornien und komplizierten Affären mit meist (vorgeblich) heterosexuellen Männer vor allem die Form von Drogenexzessen mit Speed und LSD annahm. Der Ausstieg aus dieser zunehmend selbstzerstörerischen Spirale gelingt erst, als sich der junge Mediziner 1966 in Behandlung bei dem Psychoanalytiker Leonhard Shengold begibt, den er ein halbes Jahrhundert lang bis an sein Lebensende zweimal wöchentlich besuchen wird und der nicht umsonst später ein Buch mit dem Titel "If You Can't Trust Your Mother, Whom Can You Trust?" verfassen sollte.

Nachdem Weschler über vier Jahre hinweg all diese erstaunlichen und teils verstörenden Details recherchiert hat, vollzieht sich jedoch der erste entscheidende Einschnitt. Sacks, der 1985 an der Schwelle zum Weltruhm steht und seit Beginn seiner Analyse konsequent auf Sex und Drogen verzichtet, erklärt nun seine Sexualität für komplett irrelevant - eine Auffassung, die sein zukünftiger Biograph nicht teilen kann. Gehören zur Rolle des unzeitgemäßen viktorianischen Genies, mit der sich der Neurologe immer wieder identifiziert, nicht unweigerlich auch die dunklen Seiten? Und wie ließe sich, noch dazu in einer postfreudianischen Zeit, die Sexualität gänzlich ausklammern, die seinem Biographen zufolge eine "Erklärung" dafür liefert, dass Sacks "ein so phantastischer Neurologe" geworden war?

Auf Verlangen von Sacks und mit seiner Beteuerung, dass er Weschler "als Freund viel mehr schätze denn als Biograph", wird das biographische Projekt zu seinen Lebzeiten eingestellt. Doch damit nicht genug, entschloss sich der Neurologe in den letzten Monaten seines Lebens doch noch, seine Autobiographie zu verfassen, die er zunächst "Mein eigenes Leben" nennen wollte und in der er freimütig über all das berichtete, worüber sein Biograph schweigen sollte (F.A.Z. vom 6. Juni 2015). Der wohl komischste und abgründigste Moment in Weschlers Buch ist, wenn Sacks ihm aus dem Manuskript vorliest und mit dem Geständnis herausrückt: "Du kommst in dem Buch nicht vor. Es war einfach nicht genug Platz." Die Reaktion des aus der Lebensgeschichte getilgten Biographen spricht Bände: "Kein Problem, versicherte ich ihm, das macht mir nichts aus (tat es auch nicht, obwohl später vielleicht doch, ein wenig, aber vielleicht auch nicht so sehr dann wieder, nicht sehr viel - ich weiß es nicht)." ANDREAS MAYER

Lawrence Weschler: "Oliver Sacks". Ein persönliches Porträt.

Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Hamburg 2021. 480 S., geb., 25,- Euro.

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