In 1944, Jack Kerouac and William Burroughs, then still unknown writers, were both arrested following a murder: one of their friends had stabbed another and then come to them for advice - neither had told the police.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2010Im Hurenhaus der Hölle
Ein Mord unter Freunden: In einem frühen Gemeinschaftswerk probieren William S. Burroughs und Jack Kerouac die Schriftstellerei aus.
Von Thomas Leuchtenmüller
Kein Mangel bestand bisher an imposanten Fiktionen über das harte Leben im Dunstkreis der Hafenstadt New York während der vierziger und fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Ob in Elia Kazans Film "Die Faust im Nacken" (1954), in Arthur Millers Stück "Ein Blick von der Brücke" (1955) oder in "Ein Mann besiegt die Angst" (1957) von John Cassavetes: Stets zeigt sich in den - teils auf älteren dichterischen oder journalistischen Texten basierenden - Werken das Milieu der Schiffe, Docks und Bars als Moloch, der die Malochenden bedroht. Gewalt, Korruption, Verrat, besitzergreifende Liebe und Alkohol dominieren eine düstere, in sich schlüssige, erschöpfend dargestellte Szenerie, die auf ein Amerika verlorener Werte verweist.
Mithin kann der 1945 geschriebene, erst 2008 im Original erschienene und seit wenigen Tagen auf Deutsch vorliegende Roman "Und die Nilpferde kochten in ihren Becken" von William S. Burroughs und Jack Kerouac dem Panorama kaum etwas Neues hinzufügen. Auch ist die literarische Qualität der Prosa eher bescheiden. Wären die zugrundeliegenden Ereignisse nicht derart erschreckend gewesen, wären die Verfasser nicht die Gründerväter der geschätzten "Beats", wäre die Editionsgeschichte (wie etwa bei Burroughs' prosaischem Meisterwerk "Naked Lunch", 1959) nicht verwickelt - man könnte den Roman glatt ignorieren. So aber ist der recht schmale Band, dessen amerikanischen Titel ("And the Hippos Were Boiled in Their Tanks") der Verlag pragmatisch übersetzte, ein Kuriosum, das in jedem Bücherschrank die angelsächsische Abteilung zieren wird.
Wie Burroughs' Freund und Nachlassverwalter James W. Grauerholz in seinem aufschlussreichen Nachwort darlegt, kam es in den frühen schwülen Morgenstunden des 14. August 1944 im New Yorker Riverside Park zu einem denkwürdigen Streit. Lucien Carr und David Eames Kammerer waren an dem als Homosexuellentreff beliebten Ort alleine, sie waren betrunken, sie rauften. Schließlich stach der junge Carr dem aufdringlichen Kammerer ein Messer in die Brust. Der Täter vermutete, sein Opfer sei tot, band dessen Arme mit Schnürsenkeln zusammen und steckte ihm Steine in die Hosentaschen. Der blutende Körper versank im Hudson. Vierundzwanzig Stunden später stellte sich Carr den Behörden; ein weiterer Tag verging, bis man die Leiche ans Ufer zog.
Das Verbrechen beherrschte die New Yorker Presse, mehr aber noch die Gespräche der drei Freunde, die Carr in seinem ersten Jahr an der Columbia University einander vorgestellt hatte. Die Rede ist vom achtzehnjährigen Erstsemester Allen Ginsberg, dem zweiundzwanzigjährigen Jack Kerouac, der sein Studium gerade abgebrochen hatte, und einem dreißig Jahre alten Harvard-Absolventen, der Kammerer aus seinen Schultagen in St. Louis kannte - William Burroughs. Ihm, der Jahre später im Suff seine Frau erschoss, vertraute sich Carr ein paar Stunden nach der Tat als Erstem an. Dann lief er zu Kerouac. Weil weder der eine noch der andere die Polizei einschaltete, wurden die beiden kurz darauf für einige Zeit verhaftet. Carr erhielt die Höchststrafe von zehn Jahren Haft in einer Besserungsanstalt.
Burroughs und Kerouac entschlossen sich, die Ereignisse in einem Schlüsselroman zu schildern. Die Kapitel formulierten sie in der Regel im Wechsel, aus der Sicht ihres jeweiligen Alter Ego, des Barmanns Will Denison und des Seemanns Mike Ryko. Im Radio hörten die Autoren angeblich eine Nachricht über einen Brand im Zoo, und der ungewöhnliche Titel war geboren. Doch die avisierten Verlage scheuten sich, das für die damalige Epoche ungeniert direkt abgefasste Opus zu drucken. Dann gerieten die Anfänge der bald reüssierenden "Beats" ins Abseits, und später hielt sich Grauerholz an sein Versprechen, die "Hippos" nicht zu veröffentlichen, solange die wichtigsten Beteiligten noch lebten. Mit dem Tod Carrs 2005 wurde der Weg frei.
Zu den Freiheiten, die sich das Schriftstellerduo in jungen Jahren nahm, gehören erst einige wenige jener Charakteristika, die beispielsweise Kerouacs "Unterwegs" (1957) oder Burroughs' "Soft Machine" (1961) prägen sollten. Es dreht sich zwar längst alles um Libertinagen (ein Apartment etwa wird zum "Hurenhaus der Hölle selbst"); es gibt schon auffällige Details (so wird ein Matrose festgenommen, "weil er auf der Hauptstraße ein Pferd gewichst hatte"); und politische Unkorrektheiten reihen sich bereits aneinander. Aber noch ist die Story linear erzählt und keine nach dem Zufallsprinzip montierte Folge "gefrorener Momente"; noch ist der Witz nicht beißend, sondern verspielt; und noch verhindert keine Hermetik einen riesigen Leserkreis.
Zum Wohle der deutschsprachigen Konsumenten hat Michael Kellner in seiner Übertragung meist den lockeren Ton der Vorlage gefunden. Eine der Weisheiten des Barmanns Will ist zum Beispiel: "In Kneipen behaupten die Leute immer, Boxer gewesen zu sein, in der Hoffnung, damit einer Schlägerei aus dem Weg zu gehen, so wie die Schwarze Rattennatter mit dem Schwanz in den Blättern raschelt, damit man sie für eine Klapperschlange hält." Wären die Nilpferde in ihren Becken Ohrenzeugen solcher Aussprüche geworden, hätten sie sicherlich zustimmend rumort.
William S. Burroughs/Jack Kerouac: "Und die Nilpferde kochten in ihren Becken". Roman. Aus dem Englischen von Michael Kellner. Nachwort von James Grauerholz. Nagel & Kimche im Hanser Verlag, München 2010. 190 S., br., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Mord unter Freunden: In einem frühen Gemeinschaftswerk probieren William S. Burroughs und Jack Kerouac die Schriftstellerei aus.
Von Thomas Leuchtenmüller
Kein Mangel bestand bisher an imposanten Fiktionen über das harte Leben im Dunstkreis der Hafenstadt New York während der vierziger und fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Ob in Elia Kazans Film "Die Faust im Nacken" (1954), in Arthur Millers Stück "Ein Blick von der Brücke" (1955) oder in "Ein Mann besiegt die Angst" (1957) von John Cassavetes: Stets zeigt sich in den - teils auf älteren dichterischen oder journalistischen Texten basierenden - Werken das Milieu der Schiffe, Docks und Bars als Moloch, der die Malochenden bedroht. Gewalt, Korruption, Verrat, besitzergreifende Liebe und Alkohol dominieren eine düstere, in sich schlüssige, erschöpfend dargestellte Szenerie, die auf ein Amerika verlorener Werte verweist.
Mithin kann der 1945 geschriebene, erst 2008 im Original erschienene und seit wenigen Tagen auf Deutsch vorliegende Roman "Und die Nilpferde kochten in ihren Becken" von William S. Burroughs und Jack Kerouac dem Panorama kaum etwas Neues hinzufügen. Auch ist die literarische Qualität der Prosa eher bescheiden. Wären die zugrundeliegenden Ereignisse nicht derart erschreckend gewesen, wären die Verfasser nicht die Gründerväter der geschätzten "Beats", wäre die Editionsgeschichte (wie etwa bei Burroughs' prosaischem Meisterwerk "Naked Lunch", 1959) nicht verwickelt - man könnte den Roman glatt ignorieren. So aber ist der recht schmale Band, dessen amerikanischen Titel ("And the Hippos Were Boiled in Their Tanks") der Verlag pragmatisch übersetzte, ein Kuriosum, das in jedem Bücherschrank die angelsächsische Abteilung zieren wird.
Wie Burroughs' Freund und Nachlassverwalter James W. Grauerholz in seinem aufschlussreichen Nachwort darlegt, kam es in den frühen schwülen Morgenstunden des 14. August 1944 im New Yorker Riverside Park zu einem denkwürdigen Streit. Lucien Carr und David Eames Kammerer waren an dem als Homosexuellentreff beliebten Ort alleine, sie waren betrunken, sie rauften. Schließlich stach der junge Carr dem aufdringlichen Kammerer ein Messer in die Brust. Der Täter vermutete, sein Opfer sei tot, band dessen Arme mit Schnürsenkeln zusammen und steckte ihm Steine in die Hosentaschen. Der blutende Körper versank im Hudson. Vierundzwanzig Stunden später stellte sich Carr den Behörden; ein weiterer Tag verging, bis man die Leiche ans Ufer zog.
Das Verbrechen beherrschte die New Yorker Presse, mehr aber noch die Gespräche der drei Freunde, die Carr in seinem ersten Jahr an der Columbia University einander vorgestellt hatte. Die Rede ist vom achtzehnjährigen Erstsemester Allen Ginsberg, dem zweiundzwanzigjährigen Jack Kerouac, der sein Studium gerade abgebrochen hatte, und einem dreißig Jahre alten Harvard-Absolventen, der Kammerer aus seinen Schultagen in St. Louis kannte - William Burroughs. Ihm, der Jahre später im Suff seine Frau erschoss, vertraute sich Carr ein paar Stunden nach der Tat als Erstem an. Dann lief er zu Kerouac. Weil weder der eine noch der andere die Polizei einschaltete, wurden die beiden kurz darauf für einige Zeit verhaftet. Carr erhielt die Höchststrafe von zehn Jahren Haft in einer Besserungsanstalt.
Burroughs und Kerouac entschlossen sich, die Ereignisse in einem Schlüsselroman zu schildern. Die Kapitel formulierten sie in der Regel im Wechsel, aus der Sicht ihres jeweiligen Alter Ego, des Barmanns Will Denison und des Seemanns Mike Ryko. Im Radio hörten die Autoren angeblich eine Nachricht über einen Brand im Zoo, und der ungewöhnliche Titel war geboren. Doch die avisierten Verlage scheuten sich, das für die damalige Epoche ungeniert direkt abgefasste Opus zu drucken. Dann gerieten die Anfänge der bald reüssierenden "Beats" ins Abseits, und später hielt sich Grauerholz an sein Versprechen, die "Hippos" nicht zu veröffentlichen, solange die wichtigsten Beteiligten noch lebten. Mit dem Tod Carrs 2005 wurde der Weg frei.
Zu den Freiheiten, die sich das Schriftstellerduo in jungen Jahren nahm, gehören erst einige wenige jener Charakteristika, die beispielsweise Kerouacs "Unterwegs" (1957) oder Burroughs' "Soft Machine" (1961) prägen sollten. Es dreht sich zwar längst alles um Libertinagen (ein Apartment etwa wird zum "Hurenhaus der Hölle selbst"); es gibt schon auffällige Details (so wird ein Matrose festgenommen, "weil er auf der Hauptstraße ein Pferd gewichst hatte"); und politische Unkorrektheiten reihen sich bereits aneinander. Aber noch ist die Story linear erzählt und keine nach dem Zufallsprinzip montierte Folge "gefrorener Momente"; noch ist der Witz nicht beißend, sondern verspielt; und noch verhindert keine Hermetik einen riesigen Leserkreis.
Zum Wohle der deutschsprachigen Konsumenten hat Michael Kellner in seiner Übertragung meist den lockeren Ton der Vorlage gefunden. Eine der Weisheiten des Barmanns Will ist zum Beispiel: "In Kneipen behaupten die Leute immer, Boxer gewesen zu sein, in der Hoffnung, damit einer Schlägerei aus dem Weg zu gehen, so wie die Schwarze Rattennatter mit dem Schwanz in den Blättern raschelt, damit man sie für eine Klapperschlange hält." Wären die Nilpferde in ihren Becken Ohrenzeugen solcher Aussprüche geworden, hätten sie sicherlich zustimmend rumort.
William S. Burroughs/Jack Kerouac: "Und die Nilpferde kochten in ihren Becken". Roman. Aus dem Englischen von Michael Kellner. Nachwort von James Grauerholz. Nagel & Kimche im Hanser Verlag, München 2010. 190 S., br., 17,90 [Euro].
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