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Verklärung als heimlicher Schlüsselbegriff in Kunst, Religion und Philosophie der Moderne.Wie verhält sich unser alltägliches Verständnis von Verklärung als Überhöhung und Beschönigung zur religiösen Verklärung, die eine Verherrlichung und Verwandlung in Herrlichkeit bezeichnet? Und warum ist insbesondere die biblische Geschichte von der Verklärung Christi auf dem Berge in unserem kulturellen Bewusstsein nicht präsenter? Wer diesen Fragen nachgeht, stößt auf eine Begriffsgeschichte, die sich im Spannungsfeld von theologischen Reflexionen über Kreuz und Herrlichkeit, künstlerischen Programmen…mehr

Produktbeschreibung
Verklärung als heimlicher Schlüsselbegriff in Kunst, Religion und Philosophie der Moderne.Wie verhält sich unser alltägliches Verständnis von Verklärung als Überhöhung und Beschönigung zur religiösen Verklärung, die eine Verherrlichung und Verwandlung in Herrlichkeit bezeichnet? Und warum ist insbesondere die biblische Geschichte von der Verklärung Christi auf dem Berge in unserem kulturellen Bewusstsein nicht präsenter? Wer diesen Fragen nachgeht, stößt auf eine Begriffsgeschichte, die sich im Spannungsfeld von theologischen Reflexionen über Kreuz und Herrlichkeit, künstlerischen Programmen zur »Verklärung der Wirklichkeit« und philosophischen Aneignungen und Umwertungen vollzieht. Sie führt von Luther und Raffael über die Barockdichterin Greiffenberg und weiter über Goethe, Wagner und Nietzsche bis in unsere Gegenwart. Und diese Geschichte wird durch einen vergleichenden Blick auf die russische und amerikanische Kultur und die Bedeutung der Transfiguration Christi dort noch deutlicher. Sichtbar wird auf diese Weise nicht nur eine Verwandtschaft von Verklärung und Aufklärung, sondern auch, wie das Verhältnis zur Verklärung, Verherrlichung und Herrlichkeit in unserer Lebenseinstellung zum Ausdruck kommt.
Autorenporträt
Markus Kleinert, geb. 1974, Studium der Germanistik und Philosophie in München, Pisa und Kopenhagen; 2003-2008 Assistent für Philosophie an der Akademie der Bildenden Künste München; seit 2008 Leiter der Kierkegaard-Forschungsstelle am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt; Privatdozent für Neuere deutsche Literatur an der Universität Göttingen. Veröffentlichungen u.a.: Humor und Religiosität in der Moderne (2017, Mithg.); Metamorphosen des Heiligen (2015, Mithg.); Kunst und Religion (2010, Hg.); Sich verzehrender Skeptizismus (2005).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2021

Erscheinung anderer Art

Rätselhaft leuchtend und überaus klar: Markus Kleinert führt durch fünfhundert Jahre der Verwendung des Terminus Verklärung.

Der 6. August ist in der katholischen Kirche seit 1457 der offizielle Feiertag der Verklärung Christi. Die Geschichte, an die damit erinnert wird, ist in drei der vier Evangelien nachzulesen: Eines Tages begab sich Jesus mit Petrus, Johannes und Jakobus auf einen Berg, wo seine Kleidung plötzlich in hellem Weiß erstrahlte und er selbst von innen heraus zu leuchten begann. Zudem erschienen zwei aus dem Alten Testament bekannte Propheten - Moses und Elias. Während Jesus mit ihnen sprach, legte sich eine Wolke auf den Berggipfel, und die Stimme Gottes erklärte, der strahlende Jüngling sei sein Sohn. Schon bald nahm Jesus aber wieder seine vertraute Gestalt an, und nachdem er seinen drei Begleitern eingeschärft hatte, einstweilen mit niemandem über den Vorfall zu sprechen, stiegen sie zu den übrigen Jüngern hinab, die in der Zwischenzeit erfolglos versucht hatten, einen epileptischen Knaben zu heilen.

Martin Luther bezeichnete dieses Ereignis in seiner Bibel-Übersetzung als die "Verklärung Christi". Im Unterschied dazu wird in der griechischen Antike (und in den orthodoxen Kirchen des Ostens auch heute noch) der Ausdruck "metamorphosis" verwendet. In der lateinischen Vulgata ist von einer "transfiguratio" die Rede, und dieser Begriff ist in den romanischen Sprachen und im Englischen bis in die Gegenwart gebräuchlich. Anders als diese beiden Ausdrücke, die den Aspekt der Verwandlung betonen, steht das deutsche Wort "Verklärung" in Beziehung zum Wort "klar". Jesus verwandelt sich bei seiner Verklärung nicht in etwas anderes, er zeigt sich, im Gegenteil, nur ganz klar als das, was er ohnehin schon ist. Er ist Gottes Sohn, und das erkennt man, noch vor der Bestätigung durch die Stimme, an seiner Erscheinung als überirdische Lichtgestalt. Für Luther, der dem Wort generell mehr Vertrauen schenkte als dem sichtbaren Phänomen, war diese "Klärung" der göttlichen Natur des Jesus von Nazareth aber zugleich eine "Verklärung", denn Jesus war ja nicht nur wahrer Gott, sondern ebenso wahrer Mensch, und als solcher hatte er bei seiner Kreuzigung nicht weniger zu leiden als jeder andere.

Irdisches Leid gehört jedoch nicht nur in der Person Christi untrennbar zu göttlicher Herrlichkeit, beides verbindet sich ebenso auch in der Hoffnung derer, die Christus für den Sohn Gottes halten. Für sie ist die kurzfristige Verklärung Jesu eine Gewähr dafür, dass sie selbst, so wie er, nach den Drangsalen des Erdenlebens und ihrem Tod beim Jüngsten Gericht wiederauferstehen und in den Himmel kommen. Im Jenseits wird also allen Christen eine andauernde und unwiderrufliche Verklärung zuteil. Dementsprechend unterscheidet Markus Kleinert in seinem "Versuch über die Verklärung in Kunst, Religion und Philosophie" zwei Verwendungsweisen des Begriffs. Es gibt nicht nur die "vorübergehende Verklärung", die nur einmal vor zweitausend Jahren stattgefunden hat und die Christus ganz allein betrifft. Es gibt auch die "endgültige Verklärung", die alle Christen in einer noch unbekannten Zukunft nach ihrem Tod erwarten dürfen.

Die Unterscheidung dieser beiden Arten von Verklärung dient dem Autor als durchgängige Orientierung für seine Argumentation. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die erste Variante der Verklärung zugunsten der zweiten sowohl in der akademischen Welt als auch in der Alltagskultur zunehmend vernachlässigt und marginalisiert wurde. Ob diese Diagnose zutrifft, können naturgemäß nur diejenigen beurteilen, die über ähnliche Textkenntnisse verfügen wie der Autor. Dass es solche Personen gibt, ist allerdings unwahrscheinlich, denn Markus Kleinert hat offenbar einen großen Teil sämtlicher Texte aufgespürt, die sich in den letzten fünf Jahrhunderten im deutschsprachigen Raum mit dem Thema der Verklärung befasst haben. Schon deshalb wird sein Buch für die weitere Forschung unentbehrlich sein.

Wie der Verfasser selbst betont, möchte seine Studie einen grundlegenden Beitrag zu einer Begriffs- und Diskursgeschichte der "Verklärung" leisten. Diesen Anspruch löst seine Untersuchung zweifellos ein. Sie stellt uns neben Vertrautem auch entlegenes und vergessenes Schrifttum vor, Texte von völlig unbekannten Autoren und völlig unbekannte Texte von bekannten Autoren, jeweils anhand von aufschlussreichen Zitaten verdeutlicht und in ein theoretisches Tableau eingeordnet, das als ein Spannungsfeld von vorläufiger und endgültiger Verklärung strukturiert wird.

Da sich Kleinerts Buch vornehmlich mit Texten befasst, spielt das Visuelle nur eine geringe Rolle. Es werden darin zwar neunzehn Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Druckgraphiken mit Schwarz-Weiß-Abbildungen dokumentiert, doch über diese Werke wird so gut wie nichts gesagt. Hier öffnet sich eine Perspektive für Überlegungen, die über die Begriffsgeschichte hinausgehen. Die Verklärung ist ja vor allem ein visuelles Ereignis. Außerdem sagt, wie schon Nietzsche erkannte, die genial komponierte Darstellung, die Raffael für dieses Ereignisses gefunden hat, mehr über die logische Struktur der Verklärung als mancher Text. Letztlich läuft diese auf das Verhältnis der bedrohlichen Macht des Realen zu deren Kompensation im Imaginären hinaus. Eine solche Struktur, die Lacan bereits in seiner Theorie des sogenannten "Spiegelstadiums" analysierte, findet man in vielen Kunstwerken, wie etwa im " Großen Glas" von Duchamp. Auf der Logik der Verklärung beruht sogar der Status des Kunstwerkes als solchem, weil sich in dessen materiellem Substrat stets ein geistiger Gehalt verkörpert. Ihre größte Wirkung entfaltet die Verklärung jedoch in der Warenästhetik, die jedem Gebrauchsgegenstand eine imaginäre Bedeutungsdimension verleiht, um uns in die künstlichen Paradiese des Konsums zu locken. Zu Phänomenen wie diesen äußert sich Markus Kleinert nicht direkt. Da man aber trotzdem angeregt wird, darüber nachzudenken, gewinnt sein Buch zusätzlich zu seinem faktischen Nutzen auch selbst etwas von jener seltsamen Strahlkraft, die darin beschrieben wird. KARLHEINZ LÜDEKING

Markus Kleinert: "Andere Klarheit". Versuch über die Verklärung in Kunst, Religion und Philosophie.

Wallstein Verlag, Göttingen 2021. 277 S., Abb., geb., 29,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für den Rezensenten Karlheinz Lüdeking setzt Markus Kleinerts Buch über Verklärung mit seinem enormen Quellenreichtum neue Maßstäbe. Staunend liest der Rezensent, wo überall und wie sich vorübergehende bzw. endgültige Verklärung, so die beiden Kategorien des Autors, in Philosophie, Kunst und Religion manifestieren. Als Begriffs- und Diskursgeschichte der Verklärung kann er das Buch nur empfehlen, bietet es doch vertraute Autoren und Texte wie auch weniger bekannte. Weniger reichhaltig scheint dem Rezensenten der visuelle Aspekt im Buch behandelt. Verklärung in Grafik, Zeichnung oder Skulptur kommt bei Kleinert ebensowenig vor wie die Warenästhetik, deren Wirkung laut Rezensent doch unbedingt mit Verklärung zu tun hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
»(Markus Kleinerts) Buch (gewinnt) zusätzlich zu seinem faktischen Nutzen auch selbst etwas von jener seltsamen Strahlkraft, die darin beschrieben wird.« (Karlheinz Lüdeking, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.08.2021) »ein(e) (...) vielschichtig(e) und lebendige(e) Untersuchung« (Hjördis Becker-Lindenthal, Philosophischer Literaturanzeiger 75/1, 2022) »(Kleinert) geht in seinem ebenso schön geschriebenen wie mit zahlreichen Abbildungen entsprechend gestalteten Buch (...) dieser Geschichte historisch wie systematisch umsichtig, kenntnisreich und hermeneutisch einfühlsam nach.« (Hartmut Rosenau, Theologische Literaturzeitung, April 2022)