Zum 100. Geburtstag wird mit dieser opulenten Ausgabe eine "der interessantesten und vielseitigsten literarischen und wissenschaftlichen Persönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte" (Wendelin Schmidt-Dengler) gewürdigt. H. G. Adler (1910-1988) ist bisher vor allem als Historiker der Shoah und als Erzähler bekannt gewesen, obwohl er sich seit seiner Jugend in Prag als Lyriker empfunden hat."Völlig brach liegt seine Lyrik", schreibt Adler in einem "Nachruf bei Lebzeiten" (1970) über sein eigenes lyrisches Schaffen, an dem er "mit leidenschaftlichem Feuer" schrieb.In den 70er Jahren sind zwar kleinere Gedichtbände erschienen, doch sie sind auch nur Auszüge aus dem Kernstück seines Lyrikschaffens, einer neunbändigen Gedichtsammlung mit mehr als 1.200 Texten, entstanden in über 60 Jahren. Sie sind nun in diesem Werk versammelt.Die Verfolgung ab 1939 war für Adlers Werdegang prägend, und das Schreiben von Gedichten wurde in den Konzentrationslagern zur Überlebensstrategie. Er dichtete während der Inhaftierung in Theresienstadt, sammelte in Auschwitz Erfahrungen für die spätere Lyrik und setzte sein Schreiben auch in einer unterirdischen Fabrik in einem Außenlager von Buchenwald fort. Seine unmittelbar "nach Auschwitz" verfassten Gedichte sind besonders ergreifend. "Mein Werk und ich sind praktisch unbeachtet geblieben. Meine Schubladen sind voller ungedruckter Manuskripte", klagt Adler 1969. Nun sind seine Gedichte den Schubladen entrissen.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Gut 1000 Seiten Lyrik von H.G. Adler, in einer "mustergültigen" Ausgabe, schön gestaltet, mit Informationen und einem offenbar lesenswerten Nachwort von Katrin Kohl versehen. Der Rezensent Rüdiger Görner ist beglückt. Zumal die Gedichte von Adler viel weniger bekannt sind als seine Romane oder seine wissenschaftlichen Arbeiten. Adler, ein Prager Jude, der Auschwitz überlebte, schrieb sie im Exil in England. Für Görner sind sie vor allem ein Versuch, "Orientierung zu stiften". Er beschreibt sehr anschaulich, wie Sprachbilder und Rhythmus die Gedichte prägen. Sie können den Leser leicht aufs Glatteis führen, weil die Wörter - anders als bei Celan - so vertraut erscheinen, warnt Görner. Doch so leicht seien sie nicht zu verstehen, denn Adler beherrsche die Kunst der "subtilen Relativierung". Der Rezensent wünscht sich jetzt nur noch eins: eine Auswahlausgabe, damit Adlers Gedichte mehr Leser finden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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