Die deutsch-französische Freundschaft ist nicht mit Gold aufzuwiegen, aber natürlich wird über Geld geredet, wenn sich der Bundesminister der Finanzen Wolfgang Schäuble mit seinem französischen Amtskollegen Michel Sapin trifft. Dieses Mal tun sie das aber nicht auf dem politischen Parkett oder in Krisensitzungen in Brüssel, sondern in kleiner Runde mit zwei prominenten Journalisten aus Hamburg und Paris: mit Ulrich Wickert und Dominique Seux.
Aus ihren Gesprächen ist ein hochspannendes Buch entstanden, das weit in die Vergangenheit reicht, die jüngste Zeitgeschichte ebenso behandelt wie brennende aktuelle Fragen, aber auch einen Blick in die Zukunft wagt. Wolfgang Schäuble und Michel Sapin reden Klartext über die Griechenland-Krise, die Zukunft des Euros, Haushaltslöcher und schwarzen Nullen, die Kosten der Flüchtlingswelle, Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Chancen und Gefahren der Globalisierung, über Europa und natürlich über die deutsch-französische Freundschaft. Undda es ein offenes Gespräch unter Freunden ist, wird auch über Persönliches gesprochen, über die eigenen Lebensläufe und -erfahrungen und immer wieder über Menschliches und Allzumenschliches.
Aus ihren Gesprächen ist ein hochspannendes Buch entstanden, das weit in die Vergangenheit reicht, die jüngste Zeitgeschichte ebenso behandelt wie brennende aktuelle Fragen, aber auch einen Blick in die Zukunft wagt. Wolfgang Schäuble und Michel Sapin reden Klartext über die Griechenland-Krise, die Zukunft des Euros, Haushaltslöcher und schwarzen Nullen, die Kosten der Flüchtlingswelle, Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Chancen und Gefahren der Globalisierung, über Europa und natürlich über die deutsch-französische Freundschaft. Undda es ein offenes Gespräch unter Freunden ist, wird auch über Persönliches gesprochen, über die eigenen Lebensläufe und -erfahrungen und immer wieder über Menschliches und Allzumenschliches.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Auch wenn Günther Nonnenmacher keine Enthüllungen erwartet hat in diesem Interviewband, findet er die Gespräche, die Ulrich Wickert und sein französischer Kollege Dominique Seux mit den Finanzministern Wolfgang Schäuble und Michel Sapin geführt haben, aufschlussreich. Im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede deutscher und französischer Politik nämlich, Methoden und Wege betreffend die Griechenland-Frage und die Euro-Krise etwa. Dass und wie es zu einer Lösung kam, kann der Rezensent hier noch einmal nachlesen, staunend darüber, wie Kompromisse erlangt und Europa-Politik gemacht wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2016Auf Kompromiss-Suche
Deutsch-französischer Finanzminister-Dialog: Wolfgang Schäuble und Michel Sapin
Wer die vergangenen Jahrzehnte europäischer Politik erlebt hat, wird sich an Hochs und Tiefs im deutsch-französischen Verhältnis erinnern. Das liegt natürlich an äußeren Umständen - zuletzt Flüchtlingskrise, Griechenland und Euro-Krise, davor beispielsweise die Abkühlung zu Zeiten der Wiedervereinigung -, es hat aber zweifellos auch mit den handelnden Personen zu tun. Da gab es die "Karolinger" Adenauer und de Gaulle als Gründungsväter; zu Zeiten Kiesingers und Erhards, aber auch unter dem Kanzler Willy Brandt ging nicht viel zwischen Paris und Bonn. Erst der Sozialdemokrat Schmidt und der liberale Reformer Giscard d'Estaing, die beiden "Weltökonomen", gaben der Partnerschaft neuen Schwung. Es folgte die Ära Kohl/Mitterrand, die immer engere Zusammenarbeit zweier gegensätzlicher Charaktere, die es fast zu einer Symbiose brachten.
Zwischen Schröder und Chirac gab es am Anfang allerhand Streit, aber die beiden Biertrinker und Machos brachten es dann doch zu einer Art Kumpanei. "Merkozy", das war zunächst auch nicht eitel Sonnenschein, doch der quirlige Franzose und die bedächtige Kanzlerin ergänzten sich schließlich ganz gut. Mit Präsident Hollande hat es Merkel inzwischen zu einem auskömmlichen Verhältnis gebracht, aber dieses deutsch-französische Paar strahlt wenig Dynamik aus, und das spürt man auch in der europäischen Politik, die gerade in diesen Zeiten entschlossene Führung nötig hätte.
Warum das so ist, lässt sich an einem Buch mit Gesprächen erkennen, die zwei Journalisten, Ulrich Wickert und Dominique Seux, mit dem deutschen Finanzminister Schäuble und seinem französischen Kollegen Sapin geführt haben; die beiden "Chefs", Hollande und Merkel, haben freundliche Vorworte beigesteuert. Sapin und Schäuble beteuern zwar immer wieder, dass das deutsch-französische Einvernehmen für die europäische Politik elementar sei. Und sie beschreiben, wie in diesem Sinne stets die Abstimmung zwischen den zuständigen Ressorts gesucht wird - und zweifellos sind die Finanzminister nach den Regierungschefs dabei die wichtigsten Personen. Und sie bekunden auch immer wieder, dass man im Grunde dasselbe Ziel anstrebe. Allein: Die Methoden und Wege, die dorthin führen, sind doch strittig, weil oft unterschiedlich, manchmal sogar gegensätzlich.
Das wird besonders deutlich auf den Seiten, die Griechenland und der Euro-Krise gewidmet sind. Während man in Berlin einen (zeitlich begrenzten) Aus-tritt Griechenlands aus der Eurozone für den besten Weg zur Bewältigung dieser Krise ansah, hielt Paris die Vorstellung, ein "Grexit" könne geordnet verlaufen, für ein "Phantasiegebilde". Wie man dann doch zu einer (bis heute nur vorläufigen) Lösung fand, ist hier für Interessierte noch einmal nachzulesen - wobei sich Sapin und Schäuble übrigens in der Charakterisierung ihres griechischen Kollegen Varoufakis ganz und gar einig sind.
Übereinstimmung zwischen den beiden gibt es auch in Sachen Weiterentwicklung der Eurozone zu einer wirklichen Wirtschaftsunion: Das Ziel müsse mehr Konvergenz der Finanz-, Wirtschafts- und Steuerpolitik sein - eben das, was die Franzosen gerne "gouvernement économique", Wirtschaftsregierung, nennen. Da hat Schäuble in seiner Karlspreis-Rede 2012 einen "europäischen Finanzminister" ins Spiel gebracht. Für Sapin ist das ein durch und durch politisches Amt, weil man Regeln (in diesem Fall die Maastricht-Kriterien und die Bestimmungen des Stabilitätspaktes) nicht einfach "mechanisch" anwenden könne, sondern sie unter Berücksichtigung der Wirklichkeit "intelligent" weiterentwickeln müsse: "Deshalb bin ich der Ansicht, dass es sehr schwierig ist zu sagen, Regeln seien in jedem Fall zu respektieren, und dies wird durch einen Richter, eine unabhängige Behörde, gewährleistet." Genau das, nämlich eine unabhängige Instanz, ist aber das Konzept, welches Schäuble vertritt. Ebenso ist offensichtlich, dass der Franzose mehr Konvergenz der Volkswirtschaften in der Eurozone mit "strukturpolitischen Programmen", also politisch, durchsetzen will, während der Deutsche auf gesunde Finanzen, wirtschaftliche Dynamik und Innovationen sowie auf den Abbau "bürokratischer Überregulierung" setzt. Solche Differenzen werden auch in anderen Fragen sichtbar. Das Credo beider ist jedoch stets: Sie müssen in einem Kompromiss aufgelöst werden, und dieser Kompromiss führt dann zu einer Politik, die meist auch für die anderen europäischen Staaten akzeptabel ist, eben weil Deutschland und Frankreich in vieler Hinsicht Repräsentanten verschiedener Vorstellungen von Europa sind.
Einige Äußerungen sind unter tagespolitischen Gesichtspunkten interessant: So wenn Schäuble sagt, man könne Zentralbankern intern seine Meinung sagen, "öffentlich würde ich so etwas nicht tun". Dass er von dieser Maxime in den vergangenen Wochen abgewichen ist, zeigt, wie groß der Unmut über die EZB in Berlin geworden war. Über die berühmt-berüchtigte "schwarze Null" sagt Schäuble, ihr symbolischer Wert sei größer als ihre praktische Bedeutung. Die Entscheidung, im September 2015 die deutschen und österreichischen Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, die er für richtig hielt, versieht Schäuble mit einem Zusatz, der sich vom damaligen Duktus der Kanzlerin nun doch unterscheidet: "Dies hätte eine einmalige Ausnahme bleiben müssen."
So enthält der Band zwar keine wirklichen Enthüllungen, und auch die biographischen Einsprengsel sind nicht sonderlich aufschlussreich. Im Ganzen entsteht aber ein guter Eindruck von den Verschiedenheiten deutscher und französischer Politik, die von der gemeinsamen Überzeugung überbrückt werden, dass die Europäische Union die Lektion ist, welche die Europäer - oder vorsichtiger: zumindest französische und deutsche Politiker - aus der Geschichte gelernt haben.
GÜNTHER NONNENMACHER
Wolfgang Schäuble/Ulrich Wickert/Michel Sapin/Dominique Seux: Anders gemeinsam. Ein deutsch-französisches Gespräch über Flüchtlinge, Griechenland, Europa, den Euro und die schwarze Null. Mit Vorworten von Angela Merkel und François Hollande. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2016. 252 S., 22,- [Euro].
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Deutsch-französischer Finanzminister-Dialog: Wolfgang Schäuble und Michel Sapin
Wer die vergangenen Jahrzehnte europäischer Politik erlebt hat, wird sich an Hochs und Tiefs im deutsch-französischen Verhältnis erinnern. Das liegt natürlich an äußeren Umständen - zuletzt Flüchtlingskrise, Griechenland und Euro-Krise, davor beispielsweise die Abkühlung zu Zeiten der Wiedervereinigung -, es hat aber zweifellos auch mit den handelnden Personen zu tun. Da gab es die "Karolinger" Adenauer und de Gaulle als Gründungsväter; zu Zeiten Kiesingers und Erhards, aber auch unter dem Kanzler Willy Brandt ging nicht viel zwischen Paris und Bonn. Erst der Sozialdemokrat Schmidt und der liberale Reformer Giscard d'Estaing, die beiden "Weltökonomen", gaben der Partnerschaft neuen Schwung. Es folgte die Ära Kohl/Mitterrand, die immer engere Zusammenarbeit zweier gegensätzlicher Charaktere, die es fast zu einer Symbiose brachten.
Zwischen Schröder und Chirac gab es am Anfang allerhand Streit, aber die beiden Biertrinker und Machos brachten es dann doch zu einer Art Kumpanei. "Merkozy", das war zunächst auch nicht eitel Sonnenschein, doch der quirlige Franzose und die bedächtige Kanzlerin ergänzten sich schließlich ganz gut. Mit Präsident Hollande hat es Merkel inzwischen zu einem auskömmlichen Verhältnis gebracht, aber dieses deutsch-französische Paar strahlt wenig Dynamik aus, und das spürt man auch in der europäischen Politik, die gerade in diesen Zeiten entschlossene Führung nötig hätte.
Warum das so ist, lässt sich an einem Buch mit Gesprächen erkennen, die zwei Journalisten, Ulrich Wickert und Dominique Seux, mit dem deutschen Finanzminister Schäuble und seinem französischen Kollegen Sapin geführt haben; die beiden "Chefs", Hollande und Merkel, haben freundliche Vorworte beigesteuert. Sapin und Schäuble beteuern zwar immer wieder, dass das deutsch-französische Einvernehmen für die europäische Politik elementar sei. Und sie beschreiben, wie in diesem Sinne stets die Abstimmung zwischen den zuständigen Ressorts gesucht wird - und zweifellos sind die Finanzminister nach den Regierungschefs dabei die wichtigsten Personen. Und sie bekunden auch immer wieder, dass man im Grunde dasselbe Ziel anstrebe. Allein: Die Methoden und Wege, die dorthin führen, sind doch strittig, weil oft unterschiedlich, manchmal sogar gegensätzlich.
Das wird besonders deutlich auf den Seiten, die Griechenland und der Euro-Krise gewidmet sind. Während man in Berlin einen (zeitlich begrenzten) Aus-tritt Griechenlands aus der Eurozone für den besten Weg zur Bewältigung dieser Krise ansah, hielt Paris die Vorstellung, ein "Grexit" könne geordnet verlaufen, für ein "Phantasiegebilde". Wie man dann doch zu einer (bis heute nur vorläufigen) Lösung fand, ist hier für Interessierte noch einmal nachzulesen - wobei sich Sapin und Schäuble übrigens in der Charakterisierung ihres griechischen Kollegen Varoufakis ganz und gar einig sind.
Übereinstimmung zwischen den beiden gibt es auch in Sachen Weiterentwicklung der Eurozone zu einer wirklichen Wirtschaftsunion: Das Ziel müsse mehr Konvergenz der Finanz-, Wirtschafts- und Steuerpolitik sein - eben das, was die Franzosen gerne "gouvernement économique", Wirtschaftsregierung, nennen. Da hat Schäuble in seiner Karlspreis-Rede 2012 einen "europäischen Finanzminister" ins Spiel gebracht. Für Sapin ist das ein durch und durch politisches Amt, weil man Regeln (in diesem Fall die Maastricht-Kriterien und die Bestimmungen des Stabilitätspaktes) nicht einfach "mechanisch" anwenden könne, sondern sie unter Berücksichtigung der Wirklichkeit "intelligent" weiterentwickeln müsse: "Deshalb bin ich der Ansicht, dass es sehr schwierig ist zu sagen, Regeln seien in jedem Fall zu respektieren, und dies wird durch einen Richter, eine unabhängige Behörde, gewährleistet." Genau das, nämlich eine unabhängige Instanz, ist aber das Konzept, welches Schäuble vertritt. Ebenso ist offensichtlich, dass der Franzose mehr Konvergenz der Volkswirtschaften in der Eurozone mit "strukturpolitischen Programmen", also politisch, durchsetzen will, während der Deutsche auf gesunde Finanzen, wirtschaftliche Dynamik und Innovationen sowie auf den Abbau "bürokratischer Überregulierung" setzt. Solche Differenzen werden auch in anderen Fragen sichtbar. Das Credo beider ist jedoch stets: Sie müssen in einem Kompromiss aufgelöst werden, und dieser Kompromiss führt dann zu einer Politik, die meist auch für die anderen europäischen Staaten akzeptabel ist, eben weil Deutschland und Frankreich in vieler Hinsicht Repräsentanten verschiedener Vorstellungen von Europa sind.
Einige Äußerungen sind unter tagespolitischen Gesichtspunkten interessant: So wenn Schäuble sagt, man könne Zentralbankern intern seine Meinung sagen, "öffentlich würde ich so etwas nicht tun". Dass er von dieser Maxime in den vergangenen Wochen abgewichen ist, zeigt, wie groß der Unmut über die EZB in Berlin geworden war. Über die berühmt-berüchtigte "schwarze Null" sagt Schäuble, ihr symbolischer Wert sei größer als ihre praktische Bedeutung. Die Entscheidung, im September 2015 die deutschen und österreichischen Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, die er für richtig hielt, versieht Schäuble mit einem Zusatz, der sich vom damaligen Duktus der Kanzlerin nun doch unterscheidet: "Dies hätte eine einmalige Ausnahme bleiben müssen."
So enthält der Band zwar keine wirklichen Enthüllungen, und auch die biographischen Einsprengsel sind nicht sonderlich aufschlussreich. Im Ganzen entsteht aber ein guter Eindruck von den Verschiedenheiten deutscher und französischer Politik, die von der gemeinsamen Überzeugung überbrückt werden, dass die Europäische Union die Lektion ist, welche die Europäer - oder vorsichtiger: zumindest französische und deutsche Politiker - aus der Geschichte gelernt haben.
GÜNTHER NONNENMACHER
Wolfgang Schäuble/Ulrich Wickert/Michel Sapin/Dominique Seux: Anders gemeinsam. Ein deutsch-französisches Gespräch über Flüchtlinge, Griechenland, Europa, den Euro und die schwarze Null. Mit Vorworten von Angela Merkel und François Hollande. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2016. 252 S., 22,- [Euro].
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»Die beiden Finanzminister wollen zeigen, das wird schnell klar, dass sie hier an ihrer Freundschaft werkeln, in einem Augenblick, in dem Europa auseinanderzubrechen droht.« Cerstin Gammelin Sz, 22.03.2016