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"Das Genie hatte zwei Häupter. Mein Vater hatte einen Doppelgänger,einen weiblichen Doppelgänger, eine tote Doppelgängerin, er hatteein Gespenst zur Doppelgängerin. Denn war meine Tante eineHeilige, doch, ja, so war sie außerdem ein Double meines Vaters, demsie wie ein weiblicher Zwilling glich.Für mich ein schreckenerregendes Double, da ich ihm so ähnlichsah. Ich glich der Doppelgängerin meines Vaters."Sylvie Weil, Tochter des überragenden Mathematikers André Weil und Nichte der nicht weniger berühmten Philosophin, politischen Aktivistin und Mystikerin Simone Weil, gibt in ihrem…mehr

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Produktbeschreibung
"Das Genie hatte zwei Häupter. Mein Vater hatte einen Doppelgänger,einen weiblichen Doppelgänger, eine tote Doppelgängerin, er hatteein Gespenst zur Doppelgängerin. Denn war meine Tante eineHeilige, doch, ja, so war sie außerdem ein Double meines Vaters, demsie wie ein weiblicher Zwilling glich.Für mich ein schreckenerregendes Double, da ich ihm so ähnlichsah. Ich glich der Doppelgängerin meines Vaters."Sylvie Weil, Tochter des überragenden Mathematikers André Weil und Nichte der nicht weniger berühmten Philosophin, politischen Aktivistin und Mystikerin Simone Weil, gibt in ihrem Erinnerungsbuch Einblicke in das Familienleben der Weils. Ohne übertriebene Ehrfurcht, in einer unverstellten, unsentimentalen Sprache und mit augenzwinkerndem Humor schildert sie denkwürdige, heitere, anrührende und auch schmerzhafte Episoden aus dem Leben ihrer Angehörigen, läßt die starken und vielschichtigen Bande zwischen ihnen spürbar werden und kommentiert und ironisiert die mit schwärmerischen Bewunderern ihrer Tante gemachten Erfahrungen. Gewebt aus vielfältigen Erlebnissen, Reflexionen und Wünschen, gerät dieses Buch gleichsam zu einer Selbstvergewisserung und -verortung der Autorin innerhalb dieser, ihrer Familie.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Sylvie Weil, 1942 als Tochter des Mathematikers Andre Weil in den USA geboren, wuchs in Paris auf. Sie studierte französische Literatur an der Sorbonne und lehrte an den verschiedenen Colleges in den USA. Weil hat mehrere Romane und Jugendbücher veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2011

Wo Tigermütter fehlen, können auch geniale Tanten für hohe Ansprüche sorgen
Berühmtheiten verschiedener Art und kein Mangel an Exzentrik: Sylvie Weil weiß das Leben ihrer prominenten Familie äußerst unterhaltend zu erzählen

"Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise", zumindest die zweite Hälfte von Tolstois seltsamem Axiom trifft im Fall der Familie Weil einmal vollkommen zu. Leicht kann es deshalb nicht sein, wie Silvie Weyl ein Spross dieser Familie zu sein. Auch wenn in ihrem Fall die dominierenden Vorfahren nicht die klassischen "Eltern" sind. Das seltsame Paar besteht vielmehr aus Vater und Tante: Der Vater ist André Weil (1906 bis 1998), einer der berühmtesten Mathematiker des 20. Jahrhunderts, die Tante seine Schwester Simone Weil (1909 bis 1943), noch weitaus berühmter, obwohl die Gelehrten sich nicht einig sind, in welcher Kategorie: als Philosophin, Politikerin, Mystikerin oder, wie für General de Gaulle, einfach als Verrückte.

Natürlich findet man in Sylvie Weils Geschichte ihrer Familie manch originelle Variante auf die klassische Situation im Schatten übergroßer Ahnen. Doch selten hat jemand sie erzählt mit einer solchen Lust an der Pointe, an der Sprache, mit einer solchen Fähigkeit, kurz und knapp das Groteske des Augenblicks zu zeichnen: Charles de Gaulle, der, seiner früher geäußerten Ansicht zum Trotz, der stolzen Gymnasiastin eine nationale Schulauszeichnung mit den Worten überreicht: "Ihre Tante habe ich sehr bewundert"; der Professor, der die angehende Doktorandin mit den Worten begrüßt: "Nun, soll es Platon sein wie bei Ihrer Tante oder Diophant wie bei Ihrem Papa?"; und jener Charmeur, der die längst erwachsene Hochschullehrerin und Schriftstellerin dazu beglückwünscht, dass sie nichts geerbt habe von der problematischen Genialität ihrer Verwandtschaft.

Das alles ist wunderbar erzählt, aber darin liegt nicht einmal das Wichtigste an dieser ungewöhnlichen Familiengeschichte. Beherrscht wird die Familie Weil von den enfants terribles André und Simone; zu den weiteren Hauptpersonen des Stücks gehören die Eltern Bernard und Selma mit ihrem unerschütterlichen Glauben an die Genialität ihrer Sprösslinge, später dann auch Andrés Frau Eveline.

Unangefochtener Spitzenreiter in Sachen Exzentrik ist naturgemäß Simone. Als kleines Mädchen wetteifert sie mit ihrem Bruder in Mathematik, wobei die beiden sich für Fehler Ohrfeigen applizieren, Simone aber insgeheim das drastischere Mittel des Selbstmords erwägt; später folgt all das, was längst zum Mythos geworden ist: die brillante Philosophiestudentin, die Lehrerin in der Provinz, die proletarische Agitatorin, die Fabrik-, dann Landarbeiterin, die Leiden suchende Mystikerin, die Emigrantin in Amerika und England, die vergeblich auf eine tödliche Mission bei der Résistance hofft und sich heimlich zu Tode hungert.

Doch gleich hinter dieser einzigartigen, einsamen, keinem Kollektiv und nur dem eigenen Denken vertrauenden Simone Weil steht in jeder Minute die Familie bereit, vor allem die Mutter, auf deren Einsatz die Tochter felsenfest vertraut. Als die militante Pazifistin abreist, um im Spanischen Bürgerkrieg die Waffe zu ergreifen, da reist die Mutter, in weiser Erwägung der praktischen Lebensuntüchtigkeit ihrer Tochter, sofort in vorsichtigem Abstand hinterher und kann sie dann auch, die sich beim Kochen mit Öl verbrüht hat, lebend wieder ins heimische Paris transportieren.

Sylvie Weil schont ihre Familie nicht, und besonders bei ihrer Tante, die von frommen Akademien heute gern als erbauliches Vorbild für "weibliche Spiritualität" missbraucht wird, fällt die Charakterskizze wenig vorbildhaft aus. Simone Weils Tod im August 1943, mit nur vierunddreißig Jahren, schildert sie als das Trauma der Familie. Ihr selbst herbeigeführter, völlig unerwarteter Tod war ein Schock, vor allem jedoch das definitive Dementi jener verschworenen Familieneinheit, für die wohl jedes Mitglied seine Hand ins Feuer gelegt hätte - bis auf Simone, die hier zum ersten Mal auf eigene Rechnung lebte und ihren Wunsch nach Selbstopfer verwirklichte. In ihren letzten Briefen gab es nur eine indirekte Andeutung, und die wiederum war für die gerade geborene Nichte Sylvie fatal, denn Simone übergab den Eltern die im September 1942 geborene Tochter ihres Bruders sozusagen als Ersatztochter, per Brief und selbstverständlich ohne Wissen von Sylvies eigenen Eltern.

Die Großeltern nahmen das wörtlich, forderten die Herausgabe des Kindes ein, und damit beginnt das zweite Kapitel der Familiensaga. Der Kampf um die Tochter und Enkelin, der Kampf um die nachgelassenen Manuskripte, die Tag um Tag abgeschrieben wurden, die jahrelangen Zerwürfnisse, da man in zwei Wohnungen im selben Haus beim Jardin du Luxembourg wohnte, aber kein Wort miteinander sprach, das Kind auf dem Treppenabsatz dazwischen - all das ist zum Staunen. Wer die Biographie Simone Weils kennt, der hat gewiss manches davon geahnt, aber so krass, pittoresk, pathologisch und um die Wahrheit zu sagen: so unterhaltsam hätte er es dann doch nicht erwartet.

Man kann dieses Buch unter ganz verschiedenen Perspektiven lesen: zuerst natürlich mit Blick auf Simone Weil, dann auf die Mechanismen einer Familie, in der schon lange vor den Zeiten der Tigermütter nur das Größte, Schnellste und Genialste zählen durfte. Vor allem aber ist der Schriftstellerin Sylvie Weil eine Erzählung gelungen, die in Personenzeichnung, Erzählkraft und Sicherheit bei jeder Pointe viele Romane in den Schatten stellt - auch Sylvie Weils eigene. So sind ihre Erinnerungen auch für sie selbst ein paradoxer Erfolg: Diesen beiden, Vater und Tante, von denen sie sich hier in gewisser Weise befreit hat, verdankt sie zugleich ihr bestes Buch. Postume Rache? Gemach, möchte man sagen! Auch andere Zeitgenossen haben mit ihren Eltern nicht immer das große Los gezogen. Und der Spross einer so einzigartig unglücklichen Familie, das ist ja auch ein Trost, leidet doch auf sehr hohem Niveau.

WOLFGANG MATZ

Sylvie Weil: "André und Simone". Die Familie Weil.

Aus dem Französischen von Ellen D. Fischer. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2010. 223 S., br., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein großartiges Buch, findet Rezensent Wolfgang Matz. Eigentlich eine Autobiografie, und zwar als Biografie einer alles andere als gewöhnlichen, dabei auch ungewöhnlich unglücklichen Familie. Sylvie Weils Onkel war der berühmte Mathematiker Andre, ihre Tante die noch viel berühmtere Philosophin, Autorin, Mystikerin Simone Weil. Wie es zuging zwischen diesen teils genialen, teils ziemlich lebensuntauglichen - meist waren sie beides zugleich - Verwandten, das schildere Weil mit einem erzählerischen Können und einer Pointenkraft, die so manches Romanwerk (auch das der Tante) allemal in den Schatten stelle. Manches, das man hier erfährt, ist nicht gerade liebevoll und freundlich, wie Matz zugibt. Aber so "krass, pittoresk, pathologisch" es sei: außerordentlich "unterhaltsam" liest es sich doch.

© Perlentaucher Medien GmbH