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Angelika Kauffmann (1741-1807) gilt als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 18. Jahrhunderts. Ihr Ruhm beruht zum großen Teil auf ihrem Erfolg als Bildnismalerin. In diesem Buch werden die Portraitgemälde in ihrer Gesamtheit betrachtet und die spezifischen Fragestellungen und Konditionen im Hinblick auf Kauffmanns Position als weibliche Künstlerpersönlichkeit untersucht. Die kenntnisreiche Arbeit setzt neue Maßstäbe für die Portraitmalerei und die Rolle der Künstlerin.

Produktbeschreibung
Angelika Kauffmann (1741-1807) gilt als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 18. Jahrhunderts. Ihr Ruhm beruht zum großen Teil auf ihrem Erfolg als Bildnismalerin. In diesem Buch werden die Portraitgemälde in ihrer Gesamtheit betrachtet und die spezifischen Fragestellungen und Konditionen im Hinblick auf Kauffmanns Position als weibliche Künstlerpersönlichkeit untersucht. Die kenntnisreiche Arbeit setzt neue Maßstäbe für die Portraitmalerei und die Rolle der Künstlerin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.1997

Der Blick der Medusa von Soho
Angela Rosenthal begegnet Angelika Kauffmann in ihren Bildern

Wer an Angelika Kauffmann denkt, dem steht die vollendete Grazie einer Frauengestalt des Rokoko vor Augen. Ihr Bild, in zahlreichen Selbstporträts überliefert, ist beherrscht vom Liebreiz ihres Lächelns, vom warmen Glanz ihrer Augen und den nur mühsam zu bändigenden Locken. Auch wenn sich die Malerin durch Palette und Pinsel als solche zu erkennen gibt, sind die Selbstbildnisse der überaus geschäftstüchtigen Frau weniger geprägt von Zeichen der Professionalität als vielmehr von Charme und weiblicher Anmut.

In dieser Form der Selbstdarstellung sieht Angela Rosenthal, die den Bildnissen von Kauffmann eine kulturwissenschaftliche Studie gewidmet hat, eine geschickte Strategie, mit der die Malerin den unterschiedlichen, ja gegenläufigen Erwartungen an sie als Frau und als Künstlerin gleichsam gerecht werden konnte. Denn wenn sich auch zumindest ledige oder verwitwete - das heißt über eigenes Vermögen verfügende - Frauen im achtzehnten Jahrhundert als Künstlerin etablieren konnten, so war deren Ruf äußerst gefährdet und schon durch kleine Unachtsamkeiten ruiniert.

Vor allem die heikle, von den Zeitgenossen als spannungsreich erachtete Situation im Atelier, in der eine Porträtmalerin das Gesicht eines männlichen Modells unzulässig lange zu betrachten hatte, bot reichlich Stoff für Spekulationen. Denn der beharrliche Blick, gleichermaßen Initialmoment einer erotischen Verstrickung und wichtiges Instrument der Kontrolle, wurde allein dem Mann zugebilligt, galt dieser doch im Gegensatz zur Frau als vernunftbegabtes und zur Selbstbeherrschung fähiges Wesen. Die komplizierten Bedingungen eines weiblichen Künstlerdaseins im London der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts schildert Rosenthal eingehend, um vor diesem Hintergrund den Selbstentwurf Angelika Kauffmanns, wie er in ihren Bildern sichtbar wird, umreißen zu können.

1766 ließ sich die vierundzwanzigjährige Kauffmann, nach ausgiebigen Studien in Italien, in London nieder. Während sie südlich der Alpen mit Scharen angehender Künstler und Künstlerinnen konkurrieren mußte, die ihr Brot oft durch Kopieraufträge zu verdienen suchten, hoffte die junge Malerin, sich auf dem englischen Markt mit ihren Porträts einen einträglichen Platz sichern zu können. Hier genoß diese Gattung hohes Ansehen, eröffnete sie doch den Auftraggebern die Möglichkeit, sich ohne allzu großen Aufwand in Szene zu setzen.

Selbstbewußt verlangte die junge Künstlerin, unterstützt durch den Rat des berühmten Malers Joshua Reynolds, hohe Preise für ihre Bilder; ihr Atelier richtete sie aufwendig im Künstler- und Theaterviertel Soho ein. Die richtige Plazierung und angemessene Ausstattung war überaus wichtig, denn das Atelier war nicht nur der einzige Ausstellungsort neben dem Salon, sondern auch Schauplatz der Begegnung zwischen der Künstlerin und ihrer vornehmen Klientel. So zumindest begründete Kauffmann ihre kostspielige Standortwahl gegenüber ihrem mißtrauischen Vater, den sie mit ihren Einnahmen auch noch aushalten mußte.

Diesen Begegnungen zwischen Maler und Porträtiertem maßen die Zeitgenossen große Bedeutung zu. Das Porträt galt nämlich nicht mehr nur als charakteristisches Abbild der Dargestellten, sondern vielmehr als beredtes Zeugnis des Verhältnisses von Maler und Modell. Porträtmalerei kam der Schöpfung eines neuen Selbst gleich, an der die ebenfalls ins Bild eingeschriebene Subjektivität des Künstlers maßgeblichen Anteil hatte. Ausgehend von der gewöhnlichen Konstellation - weibliches Modell und männlicher Künstler -, wurde das Verhältnis erotisch besetzt. Im forschenden Blick auf sein Modell entdeckt der Maler dessen Reize; die darzustellende Frau wird Objekt seines Verlangens, das, kontrolliert und in Farbe umgesetzt, aus dem Bild zum Betrachter spricht.

Gerade die erotische Besetzung der Porträtmalerei machte die Arbeit weiblicher Künstler zu einer delikaten Angelegenheit. Während man die Malerinnen oft als bedrohliche Amazonen verunglimpfte, wurden die porträtierten Männer als effeminierte Weichlinge bespöttelt. So bemerkte der trotz aller Wertschätzung nur widerwillig für Kauffmann Modell sitzende Goethe mit einigem Unbehagen über das Endprodukt: "Es ist immer ein hübscher Bursche, aber keine Spur von mir."

In besondere Verteidigungsnöte geriet Denis Diderot, der sich "nackt bis zum Gürtel" von Anna Dorothea Therbusch malen ließ. Nachdem er in seiner Kritik des Salons von 1767, in dem das Porträt ausgestellt war, zunächst die Künstlerin durch das Lob ihrer "kühnen und männlichen" Technik aufwertete, suchte er sich selbst in ein günstiges Licht zu setzen: als Philosoph, der zwar den medusischen Blicken einer Porträtmalerin ausgesetzt und damit verwundbar ist, doch den Gefahren widersteht und in asketischer Nacktheit seine Freiheit von triebhafter Körperlichkeit demonstriert.

Wenngleich Kauffmanns androgyn anmutende Männerporträts in den Kritiken häufig angeführt werden als Beleg weiblicher Unfähigkeit, ein männliches Sujet mit der gebotenen Kraft und Ausdrucksstärke zu gestalten, so lassen sich diese Bilder auch, wie Rosenthal überzeugend vorführt, als Artikulation eines neuen Ideals beschreiben. Gegen den rationalen, das heißt "männlichen" Zugriff auf die Welt, den vor allem Rousseau in beständiger Angst vor Verweichlichung durch Verweiblichung propagierte, hielt man zunehmend die Unverdorbenheit und Natürlichkeit des Urteils, wie man sie Frauen als "unverbildeten" Wesen zuschrieb. Der Umgang mit einer Frau zivilisiere auch den Mann, indem er von ihr lerne, sich die Welt durch "sympathy", durch Einfühlung zu erschließen.

Zum Inbild positiv besetzter weiblicher Lebenswelt wurde der türkische Harem. Das klingt überraschend, steht doch die Vereinnahmung des Orients in der westeuropäischen Kunst für Exotismus, Imperialismus und männlichen Voyeurismus. Doch schilderte bereits Lady Montagu in ihren 1716 verfaßten Reiseberichten aus der Türkei das Frauenbad als Ort konkurrenz- und neidloser Gemeinschaft, deren Idyll allein durch die Abwesenheit des männlichen Blicks gesichert sei. Diese Vorstellung eines naturhaften, nicht korrumpierten Zustands außerhalb der gesellschaftlichen Zentren wurde für viele adelige wie bürgerliche Frauen zur Vorlage für den Entwurf der eigenen Geschlechterposition.

Zahlreiche Damenporträts von Kauffmann zeigen die Dargestellte in türkischem Kostüm. Rosenthal erklärt, daß allein die Tatsache der Urheberinnenschaft garantiert, daß das Bildnis die gewünschten Konnotationen weckte: Die Tracht gewährte einen schwachen Schutz vor dem "befleckenden Blick des lüsternen Mannes", wie es in einem zeitgenössischen Traktat über das Porträt heißt.

Kauffmann weiß auch sich selbst gemäß dem Entwurf einer idealen Weiblichkeit zu inszenieren. Kleine Verschiebungen in der Biographie - sie behauptet, in einem idyllischen Ort in den Schweizer Bergen aufgewachsen zu sein, während sie tatsächlich aus Chur stammte - unterstützen den Eindruck eines naturhaften und unverdorbenen Wesens, den sie mit ihren Selbstbildnissen weckt. Lady Montagu beneidete die türkischen Frauen, die unter dem Schutz des Schleiers unerkannt agieren konnten; Angelika Kauffmann nutzte die Freiheit, wie sie die Maskerade bietet, um im Schein sittsam bescheidener Weiblichkeit als souveräne und selbstbewußte Künstlerin zu leben. BEATE SÖNTGEN

Angela Rosenthal: "Angelika Kauffmann". Bildnismalerei im 18. Jahrhundert. Reimer Verlag, Berlin 1996. 397 S., 138 Schwarzweißabb., 7 Farbtafeln, geb., 168,- DM.

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