Die Rahmenhandlung von Herman Kochs Bestseller „Angerichtet“ ist ganz harmlos: Zwei Brüder treffen sich mit ihren Frauen in einem vornehmen Restaurant, um über ihre Kinder zu sprechen. „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“,
zitiert der Ich-Erzähler Paul Lohman aus Tolstois Anna Karenina. Natürlich zählt er sich, seine Frau…mehrDie Rahmenhandlung von Herman Kochs Bestseller „Angerichtet“ ist ganz harmlos: Zwei Brüder treffen sich mit ihren Frauen in einem vornehmen Restaurant, um über ihre Kinder zu sprechen. „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“, zitiert der Ich-Erzähler Paul Lohman aus Tolstois Anna Karenina. Natürlich zählt er sich, seine Frau Claire und Sohn Michel zu den glücklichen Familien, während er an seinem Bruder Serge, einem aufstrebenden Politiker, kein gutes Haar lässt und auch dessen Familie (seine Frau Babette, den leiblichen Sohn Rick und den schwarzen Adoptivsohn Beau) kritisch sieht. Doch wie unzuverlässig Paul als Erzähler ist, welche Abgründe sich auch in seiner Familie auftun und dass Serge als moralische Instanz viel eher taugt als die drei anderen am Tisch, offenbart sich dem Leser erst nach und nach. Koch erzählt raffiniert, lässt von einem Kapitel zum nächsten immer mehr Informationen über die Gründe des Abendessens und die Protagonisten heraus und konfrontiert seine Leser mit einem ziemlich düsteren Bild gutbürgerlicher Familien. Nicht nur das, was die Jungs Michel und Rick getan haben, ist schrecklich, sondern auch, wie ihre Eltern damit umgehen. Dem Buch ist ein Zitat aus dem Tarantino-Film „Reservoir Dogs“ vorangestellt – welchen Bezug diese pessimistische Gewaltorgie um Vertrauen und Verrat zu einem niederländischen Familiendrama hat, wird beim Lesen klar.