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Deutschland - fremd unter Freunden
»Ganz Europa rätselt, was Deutschland eigentlich will. Weiß es Deutschland selbst?« Markus Preiß
Stabil, selbstsicher, wohlhabend. Langweilig, aber meist Klassenbester. Lange blickten unsere europäischen Nachbarn neidisch, aber voll Respekt auf Deutschland. Doch die Dominanz in der EU ist erschüttert. Putins Ukraine-Krieg hat Deutschlands Schwächen offengelegt: Wirtschaftlich anfällig, strategisch naiv und längst nicht so modern, wie wir denken.
Brüssel-Experte Markus Preiß analysiert angesichts der Zeitenwende Deutschlands Stellung in Europa. Das
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Produktbeschreibung
Deutschland - fremd unter Freunden

»Ganz Europa rätselt, was Deutschland eigentlich will. Weiß es Deutschland selbst?«
Markus Preiß

Stabil, selbstsicher, wohlhabend. Langweilig, aber meist Klassenbester. Lange blickten unsere europäischen Nachbarn neidisch, aber voll Respekt auf Deutschland. Doch die Dominanz in der EU ist erschüttert. Putins Ukraine-Krieg hat Deutschlands Schwächen offengelegt: Wirtschaftlich anfällig, strategisch naiv und längst nicht so modern, wie wir denken.

Brüssel-Experte Markus Preiß analysiert angesichts der Zeitenwende Deutschlands Stellung in Europa. Das Land muss sich neu positionieren. Wie wird es sich dabei verändern? Und wie die Machtbalance in der EU? Was Preiß abseits offizieller Termine von führenden Politikern und Insidern erfährt, fügt er zu einem klärenden Blick auf ein Land zusammen, das für Europas Zusammenhalt unverzichtbar ist.
Autorenporträt
Markus Preiß, geboren 1978 in Heiligenstadt/Thüringen, studierte Journalistik und Politikwissenschaften. Er war ¿Tagesschaü-Reporter in Köln und Korrespondent in Paris. Dreizehn Jahre berichtete er aus Brüssel über Europa, die EU und die NATO. Immer wieder wird er in Krisensituationen eingesetzt, zuletzt beim Krieg in der Ukraine. Seit 2016 leitet Preiß das ARD-Studio in Brüssel. 2024 wird er Chef des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.05.2024

Patient Europa
Am 9. Juni wird gewählt. Die Frage ist:
Kann Brüssel mehr als Krise?
Leitfaden durchs Labyrinth der EU-Bücher.
VON KAROLINE META BEISEL
Kurz vor der Europawahl am 9. Juni widmet sich auch der Buchhandel der Europäischen Union, die viele Beobachter nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine in der Krise sehen. Aber wie dringend ist der Reformbedarf wirklich, und was genau müsste sich ändern? Darauf haben die sechs Autoren ganz unterschiedliche Antworten.
Markus Preiß
Was macht den Autor zum Experten?
Markus Preiß war viele Jahre Chef des ARD-Studios in Brüssel. Von 1. Juni an leitet er das Hauptstadtstudio in Berlin.
Diagnose und verordnete Therapie
Preiß beschreibt, wie sich Deutschlands Auftreten in der EU verändert hat. Früher sei die Bundesrepublik bescheidener, sensibler für die Belange der kleineren Mitgliedstaaten gewesen. Doch schon unter dem früheren SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem „ersten deutschen Macho der Nachkriegszeit“, habe sich das Gebaren Berlins verändert. Seitdem gelte oft: Wenn eine Regel für Deutschland nicht funktioniere, dann könne sie auch keinen Bestand haben. Deutschland first!
Als Beispiele für diesen Egoismus, bisweilen auch für Arroganz nennt Preiß unter anderem den Beginn der Corona-Pandemie, als Deutschland ein Exportverbot für Schutzmaterial verhängte, oder den langen Streit um das Nordstream-Projekt, als die Bundesregierung trotz expliziter Warnungen der europäischen Partner vor den politischen Folgen das Go für die Pipeline gab.
Mit dem Überfall Russlands auf die ganze Ukraine im Februar 2022 sei ein gemeinsames Handeln der EU noch wichtiger geworden. Auf Deutschland, „die USA Europas“ komme es dabei entscheidend an – das erwarteten auch die anderen Länder. Gerade jetzt aber gebe die zerstrittene Ampelregierung ein Bild der Schwäche ab. Auf Impulse anderer reagiere Berlin spät oder gar nicht; eigene Impulse? Fehlanzeige. Das müsse sich dringend ändern.
Für wen ist das Buch?
„Angezählt“ beschreibt die aktuelle Lage der EU für jeden politisch interessierten Leser. Vorwissen ist keines nötig, Preiß erklärt alle Zusammenhänge, wie er sie auch seinen Zuschauern in den Tagesthemen erklären würde. Dazu schildert er Gespräche und Anekdoten aus seinen Jahren als EU-Korrespondent – mit wohltuendem Fokus auf die Sicht der anderen EU-Länder.
Alexander Thiele
Was macht den Autor zum Experten?
Alexander Thiele ist Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Europarecht an der privaten Business & Law School BSP in Berlin.
Diagnose und verordnete Therapie
Große Reden und Vorschläge zur Zukunft der EU werden mit viel Aufmerksamkeit bedacht – sei es die berühmte Rede des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron im September 2017 an der Sorbonne-Universität, die Europa-Rede des damaligen grünen Außenministers Joschka Fischer im Jahr 2000 oder jüngst jene von Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 an der Karls-Universität in Prag.
Selten aber (vielleicht nie?) sind diese so gründlich seziert worden, wie das Thiele in seinem Essay mit ihnen und zwei weiteren Vorschlägen tut. So rechnet er zum Beispiel mit der beliebten Forderung nach einer Ausweitung des Mehrheitsprinzips ab, wenn nicht gleichzeitig geklärt werde, wie die „Minderheitsbefolgungspflicht“ sichergestellt werden könne. Wer pauschal das Mehrheitsprinzip fordere, sei „entweder naiv oder weiß, dass es angesichts der Heterogenität der außenpolitischen Interessen ohnehin nicht kommen wird“.
Warum die zitierten Reformdenker das anders sehen? Thiele analysiert, dass die stützende Ordnungsidee fehle: Warum machten sie genau diese konkreten Vorschläge und nicht ganz andere? Solche Überlegungen würden praktisch nie angestellt. Thiele kommt in seiner Streitschrift zu einem gänzlich anderen Schluss: „Ein großer Wurf sollte von vornherein nicht angestrebt werden.“ Vielmehr sei es richtig, die Union in kleinen Schritten fortzuentwickeln, mit einem Modus, der nicht um die Entscheidung „Mehr oder weniger Europa“ kreist, sondern vielmehr die Frage stellt, wie sich „gute Herrschaft“ organisieren und die Legitimität der EU erhöhen lässt.
Für wen ist das Buch?
Thieles Analyse ist eher für EU-Nerds geeignet und für all jene, die sich mit der Fortentwicklung der Europäischen Union aus beruflichen oder wissenschaftlichen Gründen befassen. Für jene aber sehr zu empfehlen!
Martin Sonneborn
Was macht den Autor zum Experten?
Der Satiriker und frühere Chefredakteur der Zeitschrift Titanic sitzt seit 2014 für „Die Partei“ im europäischen Parlament. Über seine erste Amtszeit hat er ebenfalls ein Buch verfasst: „Herr Sonneborn geht nach Brüssel“.
Diagnose und verordnete Therapie
Sonneborn schildert tagebuchartig Erlebnisse und merkwürdige Anekdoten aus der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode. Etwa die von dem ungarischen EU-Abgeordneten aus der konservativen Fidesz-Partei, der 2020 während des Corona-Lockdowns in Brüssel nach einer schwulen Sexparty „weitgehend unbekleidet und mit Drogen im Gepäck (…) am Ende einer Regenrinne von der belgischen Polizei festgenommen wurde“. Vor allem aber versammelt das Buch sämtliche Aktionen und Reden von Sonneborn und zitiert dazu ausführlich von seiner Homepage, Youtube oder aus Medienberichten. Eine eigene Vision entwickelt Sonneborn nicht, getreu dem Motto, mit dem er 2019 für seine Wiederwahl warb: „Für Europa reicht’s“.
Für wen ist das Buch?
Für Leute, die Sonneborn auch auf anderen Kanälen lustig finden, und für Leser, die sich vergewissern wollen, dass die EU genauso kaputt ist, wie sie immer dachten.
Elmar Brok
Was macht den Autor zum Experten?
Elmar Brok war bis 2019 beinahe 40 Jahre lang CDU-Abgeordneter im Europaparlament, viele Jahre davon als Chef des Auswärtigen Ausschusses.
Diagnose und verordnete Therapie
Brok sieht die EU durch nationalistische Bestrebungen in vielen Ländern in Gefahr. Quasi als Therapie will er „die Wahrheit über Europa berichten, gute wie noch unbefriedigende Seiten, damit Ignoranz und Lügen nicht die Oberhand gewinnen“.
Fast schon memoirenhaft schildert der heute 78-Jährige seine Sicht auf Episoden der jüngeren EU-Geschichte und aktuelle, auch innenpolitische Themen und spart nicht mit Appellen, was „wir“ tun oder lassen sollten, um Europa zu neuer Stärke zu verhelfen: „Wollen wir wirklich den Chinesen die Chance geben, auf Dauer die Weltstandards in der Industrie zu setzen?“, „Wir müssen endlich die Taurus-Raketen freigeben“, oder mit Blick auf die Brüsseler Bürokratie: „Wir sollten (. . .) nicht immer zuerst die Risiken sehen, sondern öfter mal die Chancen.“ Als überzeugter Europäer und „Politrentner“, wie er sich selbst bezeichnet, teilt er Preiß’ Analyse des deutschen EU-Egoismus. Und er macht Vorschläge, wie sich das Ansehen der EU in den Mitgliedstaaten verbessern ließe – etwa durch eine jährliche Kosten-Nutzen-Analyse über die Mitgliedschaft in der EU für alle 27 Mitgliedstaaten.
Für wen ist das Buch?
Das Werk liest sich wie die Verschriftlichung eines Brok-Interviews im Radio – allerdings ohne Zwischenfragen. Charmanter Verschreiber: „Als ich 1980 der EU beitrat . . .“ – gemeint sein dürfte Broks Einzug ins EU-Parlament, aber irgendwie passt der Satz angesichts der Tatsache, dass Brok die deutsche Wahrnehmung des EU-Parlaments lange entscheidend mitgeprägt hat, auch so.
Nico Semsrott
Was macht den Autor zum Experten?
Nico Semsrott sitzt seit 2019 als Abgeordneter im EU-Parlament, zuerst für „Die Partei“, nach seinem Austritt 2021 als parteiloser Abgeordneter (aber wie vorher als Mitglied der Fraktion der Grünen).
Diagnose und verordnete Therapie
In Semsrotts Buch – halb Lebensgeschichte, halb Erfahrungsbericht – mischen sich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit über die Arbeit im EU-Parlament mit seiner persönlichen Geschichte: Eigentlich hatte Semsrott eine Art Late-Night-Show aus dem Europaparlament produzieren wollen. Nach einem tollen Start musste er das Projekt wieder einstellen, Diagnose: Depression, die Therapie brauchte erst einmal er selbst. Semsrott erzählt, wie er diese Zeit empfunden hat, was er über die EU gelernt hat und was ihm dort nicht gefällt, etwa wie machtlos EU-Abgeordnete sind.
Trotz aller Kritik merkt man, dass Semsrott die EU und speziell das Parlament aber tatsächlich am Herzen liegen, „mehr als vielen anderen, die hier arbeiten“, sagte er kürzlich der SZ.
Für wen ist das Buch?
Für Leser, die mit Humor etwas über den oft merkwürdigen Kosmos EU-Parlament erfahren wollen.
Christoph Driessen
Was macht den Autor zum Experten?
Der deutsch-niederländische Historiker und Journalist Christoph Driessen ist Büroleiter der DPA in Köln. Zuvor hat er Bücher über die Geschichte der Niederlande (2009) und Belgiens (2018) veröffentlicht.
Diagnose und verordnete Therapie
Driessen schildert die Geschichte der EU von ihren Anfängen bis heute. Aber nicht als langen Text, sondern in kleinen Anekdoten, die an ganz unterschiedlichen Orten in Europa und darüber hinaus spielen. Er schildert die berühmten Momente, etwa François Mitterrand und Helmut Kohl 1984, Hand in Hand auf dem Schlachtfeld von Verdun (Margaret Thatcher habe das als „zwei erwachsene Männer, die Händchen halten“ abgetan). Aber auch kleine Details, zum Beispiel wie ein niederländischer Bauer durch eine gekonnte Wasserski-Einlage zur Entwicklung der europäischen Agrarpolitik beitrug.
Wie nebenbei versteht der Leser so auch die großen Linien, warum etwa das Bild von Briten und Franzosen auf das europäische Projekt von Anfang an so unterschiedlich war. Mit eigenen Thesen hält der Autor sich zurück, dafür ergänzen informative Kurzporträts zu Personen und Institutionen den historischen Kontext. Als Diagnose zum Zustand der EU trägt das Buch darum wohl nur die Erkenntnis in sich, dass diese auch weiter existieren wird.
Für wen ist das Buch?
Ein Geschichtsbuch für Leute, die sonst keine Geschichtsbücher lesen – oder für Leute, die sich Bekanntes noch einmal kurzweilig und mit einem neuen Blick erzählen lassen wollen.
Markus Preiß:
Angezählt. Warum ein schwaches Deutschland Europa schadet. dtv München 2024, 288 Seiten, 20 Euro. E-Book: 16,99 Euro.
Alexander Thiele:
Defekte Visionen. Eine Intervention zur Zukunft der Europäischen Union. Campus-Verlag, Frankfurt 2024. 155 Seiten, 22 Euro.
E-Book: 19,99 Euro.
Auf zu den Sternen: Ein EU-Fan
in passendem Outfit am Europa-Tag, der dieses Jahr in Brüssel
am 4. Mai gefeiert wurde.
Foto: Virginia Mayo/AP
Martin Sonneborn:
Herr Sonneborn bleibt in Brüssel. Neue Abenteuer im Europaparlament. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024.
20 Euro.
E-Book: 16,99 Euro.
Elmar Brok, Peter Köpf: Verspielt Europa nicht! Ohne die EU ist Deutschland ein Zwerg. Europa-Verlag, München 2024. 272 Seiten, 24 Euro.
Nico Semsrott:
Brüssel sehen und sterben. Wie ich im Europaparlament meinen Glauben an (fast) alles verloren habe. Rowohlt Polaris, Hamburg 2024. 352 Seiten, 18 Euro. E-Book: 14,99 Euro.
Christoph Driessen:
Griff nach den Sternen. Die Geschichte der Europäischen Union. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2024. 288 Seiten, 29,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Wem Europa zu weit weg ist, dem empfehle ich das Buch 'Angezählt' von Markus Preiß. Jahrelang hat er als ARD-Korrespondent aus Brüssel berichtet. Was sich in der Kürze der Nachrichten häufig nicht erzählen lässt, schildert er in diesem Buch: wie der europäische Politikbetrieb im Hintergrund funktioniert, wie Entscheidungen fallen oder auch nicht, welches Bild sich später in nationalen Medien wiederfindet. Nebenbei geht es darum, welche Integrationsschritte eigentlich notwendig wären, warum es häufig trotzdem nicht vorangeht und wieso ein schwaches Deutschland schlecht für Europa ist. Henrik Müller Spiegel Online 20240527