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Die erste, umfassende Auswahl aus dem Werk des streitbarsten, intelligentesten, heitersten und einflussreichsten Vertreters der L=A=N=G=U=A=G=E School, die aus dem literarischen Leben der USA seit den 70er Jahren nicht mehr wegzudenken ist und zu der auch die Luxbooks-Autorin Rae Armantrout gehört. Jede Starrheit sprachlicher (und damit auch: politischer) Identität wird in Bernsteins vielstimmigen Gedichten aufgelöst und in Bewegung gesetzt. Die Texte fahren Autoscooter, in ihnen knallt die internationale Tradition auf die Gegenwart, Hoch- auf Populärkultur. Bernstein ist homme de lettres und…mehr

Produktbeschreibung
Die erste, umfassende Auswahl aus dem Werk des streitbarsten, intelligentesten, heitersten und einflussreichsten Vertreters der L=A=N=G=U=A=G=E School, die aus dem literarischen Leben der USA seit den 70er Jahren nicht mehr wegzudenken ist und zu der auch die Luxbooks-Autorin Rae Armantrout gehört. Jede Starrheit sprachlicher (und damit auch: politischer) Identität wird in Bernsteins vielstimmigen Gedichten aufgelöst und in Bewegung gesetzt. Die Texte fahren Autoscooter, in ihnen knallt die internationale Tradition auf die Gegenwart, Hoch- auf Populärkultur. Bernstein ist homme de lettres und Scherzbold in einem, Theoretiker und Praktiker, Sprachaktivist und Melancholiker. Er ist Performance-Künstler und Opern-Librettist, Hollywood-Darsteller ("Finding Forrester") und bei allem: Verfechter des schwierigen Gedichts. "Käut nicht in dürftiger Prosa wieder, was schon in guter Dichtung gesagt worden ist", fordert er in Umkehrung eines Satzes von Ezra Pound. Bernstein ist Professor, der in 60-sekündiger Vorlesung auf den Punkt bringen kann, worum es beim Gedichteschreiben geht: ums Timing. Der Band erscheint in mehrfacher Hinsicht zweisprachig: Die Dichter Tobias Amslinger, Norbert Lange, Léonce W. Lupette und Mathias Traxler stoßen, hüpfen, singen mit. Sie haben Bernsteins Gedichte als erste ins Deutsche übersetzt. Mit einem Nachwort von Marjorie Perloff.
Autorenporträt
Charles Bernstein ( 1950 in New York) studierte in Harvard Philosophie und ist heute Professor an der University of Pennsylvania. Seit 1970 über 30 Gedicht- und Essaybände, darunter die Werkauswahl: 'All the Whiskey in Heaven', (FSG). Herausgeber zahlreicher Anthologien und Zeitschriften. Gemeinsam mit Bruce Andrews Herausgeber des LAN GUAGE Magazins, Mitgründer des electronic poetry archive (epc), des pennsound-Archivs und Fortführung der Zeitschrift Jacket.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2015

Was wird denn da nun wie missbraucht?
Charles Bernstein ist ein Protagonist der Language Poetry, der seine Übersetzer vor gravierende Probleme stellt

Die poetische Avantgarde hat es schwer in den Zeiten der Postmoderne - die ja schon mit ihrer Vorsilbe bezeugt, dass sie eine Nachhut ist. Die Provokationen sind ausgereizt, die Programme abgearbeitet, alles ist ohnehin erlaubt, und die Welt hat andere Sorgen. Umso bewundernswerter ist eine verschworene Dichtergruppe, die in den Vereinigten Staaten seit den siebziger Jahren unverdrossen die Fahne des lyrischen Fortschritts hochhält.

Sie tut dies unter dem so selbstverständlichen wie befremdlichen Markenzeichen "language poetry" und mit allem, was dazugehört: viel Chuzpe zu Profilierungszwecken, Manifesten in rauhen Mengen, theoretischem Überbau, "antihegemonialem" Pathos, elitärem Habitus bei eingefleischtem Spieltrieb und einer eigenen Plattform zur Verbreitung der Botschaft. Es ist dies eine Zeitschrift namens "L=A=N=G=U=A=G=E", und dieser Titel dient zugleich auch als Logo der Bewegung. Denn es geht um die Materialität der sprachlichen Zeichen, unbelastet vom ewigen Bedeutenwollen, um das Aufhaken des Sprachkorsetts oder, nach der Aussage eines Aktivisten, um autochthonen Widerstand gegen die imperialen Streitkräfte des Englischen.

Dank einer zweisprachigen Anthologie mit dem einladenden Titel "Angriff der schwierigen Gedichte" kann man sich nun auch bei uns einen Eindruck von dieser widerständigen Dichtung machen. Es handelt sich um eine großzügige Auswahl aus dem Werk von Charles Bernstein, der als führender Kopf der language poets gilt. Paradox ist die Vielgestalt des Formlosen: Lang- und Kurzgedichte, Lautpoesie, Politisches, Nonsens, Parodien, Collagen, Wortspielerei, Songs, Epigrammatisches, Klischee-Montage, echte und zu Versen zerschnippelte Prosa, Balladen, sogar ein Liebesgedicht - you name it.

Dabei versteht sich, dass in diesem ebenso heroischen wie witzigen Kampf gegen die Front der Phallo- und Logozentriker fast jede Form linearer Gedanken- und Satzführung aufgekündigt wird. Dass die neue Freiheit keine völlige Sinnfreiheit bedeutet, zeigt freilich schon das erste Gedicht "Asylum", also "(Geschlossene) Anstalt". Sechzehn Seiten lang spiegeln ein grotesk zerfasertes Druckbild und eine maßlos zerhackte Syntax den Geisteszustand der Insassen und den Terror der Aufseher: totale Entmündigung des Individuums, die Irrenanstalt als KZ.

Eindrucksvoll auch der "Bericht aus der Liberty Street", ein Prosagedicht des New Yorker Poeten über den 11. September 2001 mit dem Refrain "Sie dachten, dass sie in den Himmel kommen." Aber er kann es auch plumper, zum Beispiel in der "Ballade vom Girlie Man" (so hatte Arnold Schwarzenegger die angeblich windelweichen Gegner der Republikanischen Partei genannt): "Die Reichen scheffeln, die Armen röcheln / & der Herrgott, der um all das weiß / Ist überhaupt nicht Gott, ist rhetorischer Scheiß."

"Macht Mayonnaise, nicht Munition", rät uns Bernsteins Antirhetorik. Nie um Selbstironie verlegen, fragt er am Ende des endlosen, fast unlesbar vor sich hin orakelnden Textes "Amblyopia / Stumpfsichtigkeit": "Was soll das sein, ein Marathon?" Aber nein, es ist nur die Wiedergeburt des amerikanischen Langgedichts.

Der humorlose Einwand, dass die Nonsensdichter, die Futuristen ("Le parole in libertà"), Dada, die Surrealisten, Gertrude Stein, "Finnegans Wake" oder Pounds Cantos das alles schon früher und besser gemacht haben, wird an Bernsteins Inklusivität zuschanden. "Das Neue beginnt von vorne, rutscht hintan", sagt er vielsagend, und, als Teil einer langen Litanei: "Ich bin ein serieller Dichter, ein parataktischer Dichter, ein / diskordischer Dichter, ein Disko-dichter ... / ein modernistischer Dichter für die Postmodernisten, ein Postmodernist / für die Modernisten ... / ein vagabundierender Dichter, ein spießiger Dichter, / ein Dichter mit dichtem Haar ..." Letzteres ist, wie so vieles in diesem Band, eine Zutat des Übersetzers, denn im Original outet Bernstein sich ausdrücklich als Kahlkopf.

Eigentlich sind es ja vier Übersetzer, vier Dichter der jüngeren Generation, doch hier pflegen sie einen Gruppenstil, der das Recht auf verbale Anarchie auch für die Nachbildung beansprucht. Dabei gibt es hübsche Einfälle wie Mehrfachübertragungen (die einen enger an der Vorlage, die anderen irgendwo weit jenseits), eine "Version" als deutsche Zitatenanhäufung oder als Reflex des Originals in Spiegelschrift. Für den Rätseltitel "The Klupzy Girl" erscheint als Äquivalent die ebenso rätselhafte "Fee mit P", für die vielversprechende Überschrift "AZOOT D'PUUND" genialerweise "AZUUI V'RUNV" und für das Gedicht "This Line" - "This line refuses reality" - die genaue Reproduktion des Druckbildes in einem unauflösbaren Code.

Und die Fehlübersetzungen, von denen der Text geradezu wimmelt? Die Titel "Asylum" als "Asyl" und "Substance Abuse" als "Substanz-" statt "Drogenmissbrauch" wiederzugeben, könnte sich schlicht einem etymologischen Drang zur Wortwurzel verdanken, anderes dem ansteckenden Wortspielrausch der Vorlage, vieles weitere der Unkenntnis amerikanischer Idiomatik. Das Hin und Her zwischen den Sprachen ist, je nachdem, ein erheiternder oder frustrierender Wettbewerb mit den semantischen Kapriolen des Meisters.

Das Nachwort bringt zu guter Letzt noch ein wenig akademische Ordnung in das verbale Chaos. Wie es uns verrät, soll "das Sollizitieren von Kontingenzerfahrungen als gelungener Versuch verstanden werden, durch das Aufbrechen hegemonialisierter Verknüpfungen etwas zu dem Prozess der Desidentifizierung mit allen bereits gesellschaftlich sanktionierten und kontrollierten Subjektpositionen beizutragen ..." Sind noch Fragen offen?

WERNER VON KOPPENFELS

Charles Bernstein: "Angriff der schwierigen Gedichte". Zweisprachig.

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Tobias Amslinger, Norbert Lange, Léonce W. Lupette und Mathias Traxler. Mit einem Nachwort von Dennis Büscher-Ulbrich. Luxbooks Americana, Wiesbaden 2014. 330 S., br., 29,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Werner von Koppenfels freut sich über Charles Bernsteins "Angriff der schwierigen Gedichte", der ihm gleich zweisprachig Einblick in das komplexe Werk der "language poets" eröffnet. Alles, was die seit den siebziger Jahren in den USA schreibende Dichtergruppe als lyrischen Fortschritt definiert, kann der Kritiker hier am Werk Bernsteins entdecken: Materialität der sprachlichen Zeichen, ganz ohne "Bedeutenwollen", verpackt in Kurz- und Langgedichten, Manifesten, Laut-Poetischem, Epigrammen, Collagen, Balladen, Prosa oder gar Liebesgedichten. Zugleich registriert Koppenfels, dass die in den Gedichten herrschende Freiheit keine Abwesenheit von Sinn bedeuten muss, und so liest er durchaus gebannt Bernsteins lyrische Stücke über den elften September oder seine brillante Einfühlung in doppelt gequälte Geisteskranke einer Nervenanstalt. Beeindruckt zeigt sich der Kritiker auch von der Leistung der vier Übersetzer, die zwar äußerst frei, gelegentlich mit Fehlübersetzungen, aber auch dank Mehrfachübertragungen Bernsteins kapriolenreichem Stil gerecht werden.

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